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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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macht Baierns, wenn man nicht als officieller Correspondent der Augsburger All¬
gemeinen oder für das Staatshandbnch schrieb, nicht mehr als 10 Batterien angeben.
Vor dem Jahre 1840 waren nicht einmal so viel bespannt und equipirt. Ans
verschiedenen Uebnngslagern der dreißiger Jahre fungirten immer dieselben zwei
Batterien loco der gesammten Artillerie der betreffenden Division. Als im Herbste
1840 Krieg mit Frankreich drohte und die kleinern Bundesstaaten von Frankfurt
aus ernstlich und nachdrücklich an die Completirung ihrer Contingente gemahnt
wurden, entwickelte sich in den verschiedenen Artilleriewerkstätten zu München eine
außerordentliche Thätigkeit, um nur einigermaßen an deu Normalbestand der 20
ausgerüstete Batterien heranzukommen. Die damals gefertigte Arbeit wurde mit
solcher Hast betrieben, daß Sachverständige ein gerechtes Bedenken gegen die Halt¬
barkeit der dutzendweis gegossenen Kanonen und Mörser äußerten. Es dauerte
uicht lange, so verzog sich die Kriegsgefahr, und die alte Verwahrlosung des ganzen
Militärwesens, die unter König Ludwig Princip geworden war, riß wieder und
vornehmlich bei der Artillerie, als der am meisten kostspieligen Waffe ein, bis der
Schreckschuß der Februarrevolution und die deutsche Demokratie sammt Parlament
und hohenzollerischcm Erbkaiserthnm anch in diesen Zweig des bairischen Verthei-
diguugssystcmö ein neues Leben brachte. -- Gegenwärtig ist der zweite Bruder
des Königs mit seinem urbairischcu Namen, Prinz Luitpold, Chef der ganzen
Waffe und läßt es wenigstens an häufigen Juspectionen und Manövers nicht
fehlen. --' Bespannung und Construction der wirklich activen Geschütze war schon
in den Zeiten, wo das geniale Kunstdilettantenthum Ludwig's viele Kanonen in
Erzbilder umgoß und daun behauptete, es seien türkische bei Navarin in's Meer
gefallene und dann wieder herausgefischte, sehr gut. Namentlich waren dnrch den
General Zöller, einen durchaus originellen, fast genialen Nontiuier der Napoleo¬
nischen Schule, dem wohl ein größeres Feld der Wirksamkeit zu wünschen gewesen
wäre, viele Verbesserungen an der technischen Construction der Näder und Lafetten
angebracht worden, die der bairischen Artillerie selbst von schwereren Caliber eine
Benutzung des schwierigsten Terrains verstatteten, wie sie der Artillerie früher ganz
unmöglich war, und dabei die Sicherheit und Brauchbarkeit des Geschützes selbst
nicht im mindesten beeinträchtigten. Ich erinnere mich selbst in den dreißiger Jahren
ganz frappante Dinge der Art gesehen zu haben, die damals keine andere Artillerie
nachmachen konnte. Wie es jetzt damit z. B. in Preußen steht, weiß ich freilich
nicht anzugeben.

Die Dienstzeit beträgt für alle Waffengattungen 6 Jahre. nominell ist
jeder Baier militärpflichtig, in der That aber ist das Eiustehersystem hier ent¬
wickelter als irgendwo anders in Deutschland, und es war wenigstens früher
sehr leicht, mit Hilfe einiger Kronenthaler für untauglich erklärt zu werden. Der
gemeine Mann steht trotz seiner 6jährigen Dienstzeit in militärischer Ausbildung
im Durchschnitt weit uuter dem preußischen Soldaten, mit dem er auch in Hin-


macht Baierns, wenn man nicht als officieller Correspondent der Augsburger All¬
gemeinen oder für das Staatshandbnch schrieb, nicht mehr als 10 Batterien angeben.
Vor dem Jahre 1840 waren nicht einmal so viel bespannt und equipirt. Ans
verschiedenen Uebnngslagern der dreißiger Jahre fungirten immer dieselben zwei
Batterien loco der gesammten Artillerie der betreffenden Division. Als im Herbste
1840 Krieg mit Frankreich drohte und die kleinern Bundesstaaten von Frankfurt
aus ernstlich und nachdrücklich an die Completirung ihrer Contingente gemahnt
wurden, entwickelte sich in den verschiedenen Artilleriewerkstätten zu München eine
außerordentliche Thätigkeit, um nur einigermaßen an deu Normalbestand der 20
ausgerüstete Batterien heranzukommen. Die damals gefertigte Arbeit wurde mit
solcher Hast betrieben, daß Sachverständige ein gerechtes Bedenken gegen die Halt¬
barkeit der dutzendweis gegossenen Kanonen und Mörser äußerten. Es dauerte
uicht lange, so verzog sich die Kriegsgefahr, und die alte Verwahrlosung des ganzen
Militärwesens, die unter König Ludwig Princip geworden war, riß wieder und
vornehmlich bei der Artillerie, als der am meisten kostspieligen Waffe ein, bis der
Schreckschuß der Februarrevolution und die deutsche Demokratie sammt Parlament
und hohenzollerischcm Erbkaiserthnm anch in diesen Zweig des bairischen Verthei-
diguugssystcmö ein neues Leben brachte. — Gegenwärtig ist der zweite Bruder
des Königs mit seinem urbairischcu Namen, Prinz Luitpold, Chef der ganzen
Waffe und läßt es wenigstens an häufigen Juspectionen und Manövers nicht
fehlen. —' Bespannung und Construction der wirklich activen Geschütze war schon
in den Zeiten, wo das geniale Kunstdilettantenthum Ludwig's viele Kanonen in
Erzbilder umgoß und daun behauptete, es seien türkische bei Navarin in's Meer
gefallene und dann wieder herausgefischte, sehr gut. Namentlich waren dnrch den
General Zöller, einen durchaus originellen, fast genialen Nontiuier der Napoleo¬
nischen Schule, dem wohl ein größeres Feld der Wirksamkeit zu wünschen gewesen
wäre, viele Verbesserungen an der technischen Construction der Näder und Lafetten
angebracht worden, die der bairischen Artillerie selbst von schwereren Caliber eine
Benutzung des schwierigsten Terrains verstatteten, wie sie der Artillerie früher ganz
unmöglich war, und dabei die Sicherheit und Brauchbarkeit des Geschützes selbst
nicht im mindesten beeinträchtigten. Ich erinnere mich selbst in den dreißiger Jahren
ganz frappante Dinge der Art gesehen zu haben, die damals keine andere Artillerie
nachmachen konnte. Wie es jetzt damit z. B. in Preußen steht, weiß ich freilich
nicht anzugeben.

Die Dienstzeit beträgt für alle Waffengattungen 6 Jahre. nominell ist
jeder Baier militärpflichtig, in der That aber ist das Eiustehersystem hier ent¬
wickelter als irgendwo anders in Deutschland, und es war wenigstens früher
sehr leicht, mit Hilfe einiger Kronenthaler für untauglich erklärt zu werden. Der
gemeine Mann steht trotz seiner 6jährigen Dienstzeit in militärischer Ausbildung
im Durchschnitt weit uuter dem preußischen Soldaten, mit dem er auch in Hin-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/380>, abgerufen am 22.07.2024.