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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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noch eine Erinnerung an die seligen Zeiten des Rheinbundes, wo man in Baiern
und in manchen kleineren Rheinbundstaaten zwar nicht die Gesichter und Herzen
des Volkes in der gewünschten Eile französisch zuschneiden konnte, dafür aber desto
mehr fremde Namen als Document der Souveränität von Napoleon's Gnaden
überall ankleisterte. -- In Oestreich ist der Name noch ein Nest der pedantischen
Noccocozeit mit ihrem Versailler Colorit. Man hat ihn wie so viele andere
ähnliche Traditionen als eine Appertinenz der Legitimität des Staatswesens bis
auf heutigen Tag beibehalten. -- Die bairischen Odevaux-Iexers verrathen in
ihrer Uuiformiruug recht naiv das kleinstaatliche und gerngroße Wesen des ganzen
Baierthums. Früher fungirten sie als Uhlanen und waren ganz nach der be¬
kannten geschmackvollen Ausrüstung der östreichischen Uhlanen equipirt: grüne
coquett zugeschnittene Spencer mit breiten scharlachrothen Bruststreifen, polnische
Tschako's und kurze Lanze. -- Als sie zu edovcmx-wxei-s gestempelt wurden,
setzte man ihnen das nationale Casqnet aufs Haupt, außerdem aber ließ man
sie in der alten Montur, so daß sie jetzt an die komischen Versuche gemahnen,
die im vorigen Jahrhundert an verschiedenen kleinern deutschen Höfen gemacht
wurden, auf die möglichst wohlfeile Weise sich mit einem Husarencorps zu umgeben.
Hatte man früher einige Dragoner gehabt, so mußten diese die Beinkleider und
Armatur, die Garderobe des Theaters aber aus dem Vorrath ihrer abgelegten
Stücke die Dolmans liefern. -- Die zwei schweren Regimenter fungiren als Kü¬
rassiere und übertreffen durch ihre dem Auge wohlgefällige Ausrüstung allerdings
alle bairische Truppen und die meisten anderen deutschen, die preußischen nicht
ausgenommen. Jedes bairische Kavallerieregiment besteht gegenwärtig ans 7 vollzäh¬
ligen und vollständig equipirten Schwadronen. Jede zu etwas mehr als 150 Pferden
gerechnet, gibt einen Bestand von 1050--1100, für die ganze Reiterei etwa 8000.
Die gewöhnlichen officiellen Angaben von 9000 Pferden sind, wie aus sicherer
Quelle behauptet werdeu kann, bedeutend übertrieben. -- Die Pferde sind bei
der leichten und schweren Cavallerie gleich vortrefflich, wenigsteus für Süddentsch-
land, wo das Pferd überhaupt weniger gepflegt und in Ehren gehalten wird, als
im Norden. Die Bewaffnung der edevaux-lexei'8 besteht in einem unendlich
laugen, wenig gekrümmten, weder für Hieb noch Stoß sonderlich tangenden Säbel,
einem Carabiner -- der unnützesten Paradewaffe, die es überhaupt gibt -- und
Pistolen. Die Kürassiere haben deu gewöhnlichen Pallasch und an Feuergewehren
dasselbe wie die leichten Reiter. Ihre Kürasse machen eiuen guten malerischen
Effect, sollen aber weder so bequem noch so solid gearbeitet sein, wie die östrei¬
chischen. --

Die bairische Artillerie besteht aus 2 Regimentern zu Fuß und einem reiten¬
den, im Ganzen 30 Batterien ä 6 --8 Geschützen. Das reitende Regiment ist
ganz neuerlich, 1848, errichtet, die beideu andern auch erst seit dieser Zeit com-
pletirt. Vorher konnte man als höchste mögliche Stärke der gesammten Heeres-


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noch eine Erinnerung an die seligen Zeiten des Rheinbundes, wo man in Baiern
und in manchen kleineren Rheinbundstaaten zwar nicht die Gesichter und Herzen
des Volkes in der gewünschten Eile französisch zuschneiden konnte, dafür aber desto
mehr fremde Namen als Document der Souveränität von Napoleon's Gnaden
überall ankleisterte. — In Oestreich ist der Name noch ein Nest der pedantischen
Noccocozeit mit ihrem Versailler Colorit. Man hat ihn wie so viele andere
ähnliche Traditionen als eine Appertinenz der Legitimität des Staatswesens bis
auf heutigen Tag beibehalten. — Die bairischen Odevaux-Iexers verrathen in
ihrer Uuiformiruug recht naiv das kleinstaatliche und gerngroße Wesen des ganzen
Baierthums. Früher fungirten sie als Uhlanen und waren ganz nach der be¬
kannten geschmackvollen Ausrüstung der östreichischen Uhlanen equipirt: grüne
coquett zugeschnittene Spencer mit breiten scharlachrothen Bruststreifen, polnische
Tschako's und kurze Lanze. — Als sie zu edovcmx-wxei-s gestempelt wurden,
setzte man ihnen das nationale Casqnet aufs Haupt, außerdem aber ließ man
sie in der alten Montur, so daß sie jetzt an die komischen Versuche gemahnen,
die im vorigen Jahrhundert an verschiedenen kleinern deutschen Höfen gemacht
wurden, auf die möglichst wohlfeile Weise sich mit einem Husarencorps zu umgeben.
Hatte man früher einige Dragoner gehabt, so mußten diese die Beinkleider und
Armatur, die Garderobe des Theaters aber aus dem Vorrath ihrer abgelegten
Stücke die Dolmans liefern. — Die zwei schweren Regimenter fungiren als Kü¬
rassiere und übertreffen durch ihre dem Auge wohlgefällige Ausrüstung allerdings
alle bairische Truppen und die meisten anderen deutschen, die preußischen nicht
ausgenommen. Jedes bairische Kavallerieregiment besteht gegenwärtig ans 7 vollzäh¬
ligen und vollständig equipirten Schwadronen. Jede zu etwas mehr als 150 Pferden
gerechnet, gibt einen Bestand von 1050—1100, für die ganze Reiterei etwa 8000.
Die gewöhnlichen officiellen Angaben von 9000 Pferden sind, wie aus sicherer
Quelle behauptet werdeu kann, bedeutend übertrieben. — Die Pferde sind bei
der leichten und schweren Cavallerie gleich vortrefflich, wenigsteus für Süddentsch-
land, wo das Pferd überhaupt weniger gepflegt und in Ehren gehalten wird, als
im Norden. Die Bewaffnung der edevaux-lexei'8 besteht in einem unendlich
laugen, wenig gekrümmten, weder für Hieb noch Stoß sonderlich tangenden Säbel,
einem Carabiner — der unnützesten Paradewaffe, die es überhaupt gibt — und
Pistolen. Die Kürassiere haben deu gewöhnlichen Pallasch und an Feuergewehren
dasselbe wie die leichten Reiter. Ihre Kürasse machen eiuen guten malerischen
Effect, sollen aber weder so bequem noch so solid gearbeitet sein, wie die östrei¬
chischen. —

Die bairische Artillerie besteht aus 2 Regimentern zu Fuß und einem reiten¬
den, im Ganzen 30 Batterien ä 6 —8 Geschützen. Das reitende Regiment ist
ganz neuerlich, 1848, errichtet, die beideu andern auch erst seit dieser Zeit com-
pletirt. Vorher konnte man als höchste mögliche Stärke der gesammten Heeres-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/379>, abgerufen am 22.07.2024.