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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Das zweite Recht, welches Oestreich in Anspruch nahm, ist das Präsidium
bei der Bundesversammlung, und dies ist ihm in Art. 5 der Bundesacte aus¬
drücklich zugesprochen. Nach den vorher gegebenen Erörterungen würde dies zu
Recht bestehen, sobald Oestreich durch eine Erklärung, nur mit den deutschen
Staaten dem Bunde anzugehören, sich als Mitglied des Bundes legitimirt hat.
Bis jetzt ist aber eine solche Erklärung nicht erfolgt und daher jenes Recht, so¬
wie überhaupt die Theilnahme am Bunde, für suspendirt zu achten. In, der
Wirklichkeit hat sich allerdings in Frankfurt ein Kongreß von Gesandten deutscher
Bundesstaaten uuter dem Präsidio eines östreichischen Gesandten gebildet und in
verschiedenen Formen die Qualification als reactivirter deutscher Bundestag bei¬
gelegt. In diesem ganzen Vorschritte liegen aber vielfache unheilbare Nullitäten.
Erstlich bat sich im Jahre 1848 der ehemals bestehende Bundestag 'mit Einver¬
ständnis; aller deutschen Regierungen aufgelöst, und wenn mau ihn in seiner
alten Gestalt wiederherstellen wollte, könnte dies nur durch gemeinsames Einver¬
ständnis^ derselben Regierungen befahl>.'sseu werdeu. Zweitens liegt eine Nullität
darin, daß Oestreich, das einstweilen rechtlich gar nicht Buudeömitglied ist, und der
Neichöseiud, Dänemark (mit welchem Oestreich fortdauernd in gutem Vernehmen
stand), dabei zugelassen wurden. Drittens war die sogenannte Pleuarversammlung,
wenn sie das Plenum des BnudeMigeS vorstellen sollte, unvollständig, weil sie nicht
einmal die in der Geschäftsordnung vont/l. Novbr. 1816 vorgeschriebenen^ Stimmen
in sich vereinte. Sie war aber auch ein Unding, weil das Plenum des Bundes¬
tages nach Bundesacte Art. 7 und Wiener Schlußacte Art. 12 zu Erörterung und
Berathung nicht ermächtigt ist, souderu uur eine besondere Art der Abstimmung
dadurch bezeichnet wird. Viertens ist der nachmals constituirte engere Rath, ob¬
wohl er scheinbar 9 Stimmen repräsentirte, eine Nullität aus den vorher ange¬
führten Gründen, weil der Bundestag nnr mit Einwilligung sämmtlicher Bundes-
glieder reconstitnirt werden kann, ingleichen Oestreich und Dänemark (das letztere
noch vor Ratification des Friedens) darin anstimmten. Die Lage der Sache ist
also die, daß die allerdings nothwendige Aufstellung einer neuen Bundesversamm¬
lung nur durch einen Congreß bewirkt werden kann, welcher von der Gesammt¬
heit der Bundesmitglieder beschickt wird. Hierbei kann man, wenn es beliebt,
die Formen des alten Bundestages wieder herstellen oder anch Modificationen
machen. Das Präsidium würde, hierbei eine offene Frage sein, weil der Art. 5
der Bundesacte uur auf deu alten in Wien regulirten Bundestag geht; denn ein
Präsidium in dein Bunde selbst hat Oestreich nicht, indem nach Art. 3 der Bun¬
desacte alle Bundesglieder, als solche, gleiche Rechte haben.

Der dritte Anspruch, in Deutschland überhaupt zu commandiren, wozu die
Prätension in der ganzen Haltung Oestreichs sich zeigt, beruht auf gar keinem
rechtlichen Grunde, souderu sucht sich durch die Schleichwege der Diplomatie
durchzusetzen.


Das zweite Recht, welches Oestreich in Anspruch nahm, ist das Präsidium
bei der Bundesversammlung, und dies ist ihm in Art. 5 der Bundesacte aus¬
drücklich zugesprochen. Nach den vorher gegebenen Erörterungen würde dies zu
Recht bestehen, sobald Oestreich durch eine Erklärung, nur mit den deutschen
Staaten dem Bunde anzugehören, sich als Mitglied des Bundes legitimirt hat.
Bis jetzt ist aber eine solche Erklärung nicht erfolgt und daher jenes Recht, so¬
wie überhaupt die Theilnahme am Bunde, für suspendirt zu achten. In, der
Wirklichkeit hat sich allerdings in Frankfurt ein Kongreß von Gesandten deutscher
Bundesstaaten uuter dem Präsidio eines östreichischen Gesandten gebildet und in
verschiedenen Formen die Qualification als reactivirter deutscher Bundestag bei¬
gelegt. In diesem ganzen Vorschritte liegen aber vielfache unheilbare Nullitäten.
Erstlich bat sich im Jahre 1848 der ehemals bestehende Bundestag 'mit Einver¬
ständnis; aller deutschen Regierungen aufgelöst, und wenn mau ihn in seiner
alten Gestalt wiederherstellen wollte, könnte dies nur durch gemeinsames Einver¬
ständnis^ derselben Regierungen befahl>.'sseu werdeu. Zweitens liegt eine Nullität
darin, daß Oestreich, das einstweilen rechtlich gar nicht Buudeömitglied ist, und der
Neichöseiud, Dänemark (mit welchem Oestreich fortdauernd in gutem Vernehmen
stand), dabei zugelassen wurden. Drittens war die sogenannte Pleuarversammlung,
wenn sie das Plenum des BnudeMigeS vorstellen sollte, unvollständig, weil sie nicht
einmal die in der Geschäftsordnung vont/l. Novbr. 1816 vorgeschriebenen^ Stimmen
in sich vereinte. Sie war aber auch ein Unding, weil das Plenum des Bundes¬
tages nach Bundesacte Art. 7 und Wiener Schlußacte Art. 12 zu Erörterung und
Berathung nicht ermächtigt ist, souderu uur eine besondere Art der Abstimmung
dadurch bezeichnet wird. Viertens ist der nachmals constituirte engere Rath, ob¬
wohl er scheinbar 9 Stimmen repräsentirte, eine Nullität aus den vorher ange¬
führten Gründen, weil der Bundestag nnr mit Einwilligung sämmtlicher Bundes-
glieder reconstitnirt werden kann, ingleichen Oestreich und Dänemark (das letztere
noch vor Ratification des Friedens) darin anstimmten. Die Lage der Sache ist
also die, daß die allerdings nothwendige Aufstellung einer neuen Bundesversamm¬
lung nur durch einen Congreß bewirkt werden kann, welcher von der Gesammt¬
heit der Bundesmitglieder beschickt wird. Hierbei kann man, wenn es beliebt,
die Formen des alten Bundestages wieder herstellen oder anch Modificationen
machen. Das Präsidium würde, hierbei eine offene Frage sein, weil der Art. 5
der Bundesacte uur auf deu alten in Wien regulirten Bundestag geht; denn ein
Präsidium in dein Bunde selbst hat Oestreich nicht, indem nach Art. 3 der Bun¬
desacte alle Bundesglieder, als solche, gleiche Rechte haben.

Der dritte Anspruch, in Deutschland überhaupt zu commandiren, wozu die
Prätension in der ganzen Haltung Oestreichs sich zeigt, beruht auf gar keinem
rechtlichen Grunde, souderu sucht sich durch die Schleichwege der Diplomatie
durchzusetzen.


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[0346] Das zweite Recht, welches Oestreich in Anspruch nahm, ist das Präsidium bei der Bundesversammlung, und dies ist ihm in Art. 5 der Bundesacte aus¬ drücklich zugesprochen. Nach den vorher gegebenen Erörterungen würde dies zu Recht bestehen, sobald Oestreich durch eine Erklärung, nur mit den deutschen Staaten dem Bunde anzugehören, sich als Mitglied des Bundes legitimirt hat. Bis jetzt ist aber eine solche Erklärung nicht erfolgt und daher jenes Recht, so¬ wie überhaupt die Theilnahme am Bunde, für suspendirt zu achten. In, der Wirklichkeit hat sich allerdings in Frankfurt ein Kongreß von Gesandten deutscher Bundesstaaten uuter dem Präsidio eines östreichischen Gesandten gebildet und in verschiedenen Formen die Qualification als reactivirter deutscher Bundestag bei¬ gelegt. In diesem ganzen Vorschritte liegen aber vielfache unheilbare Nullitäten. Erstlich bat sich im Jahre 1848 der ehemals bestehende Bundestag 'mit Einver¬ ständnis; aller deutschen Regierungen aufgelöst, und wenn mau ihn in seiner alten Gestalt wiederherstellen wollte, könnte dies nur durch gemeinsames Einver¬ ständnis^ derselben Regierungen befahl>.'sseu werdeu. Zweitens liegt eine Nullität darin, daß Oestreich, das einstweilen rechtlich gar nicht Buudeömitglied ist, und der Neichöseiud, Dänemark (mit welchem Oestreich fortdauernd in gutem Vernehmen stand), dabei zugelassen wurden. Drittens war die sogenannte Pleuarversammlung, wenn sie das Plenum des BnudeMigeS vorstellen sollte, unvollständig, weil sie nicht einmal die in der Geschäftsordnung vont/l. Novbr. 1816 vorgeschriebenen^ Stimmen in sich vereinte. Sie war aber auch ein Unding, weil das Plenum des Bundes¬ tages nach Bundesacte Art. 7 und Wiener Schlußacte Art. 12 zu Erörterung und Berathung nicht ermächtigt ist, souderu uur eine besondere Art der Abstimmung dadurch bezeichnet wird. Viertens ist der nachmals constituirte engere Rath, ob¬ wohl er scheinbar 9 Stimmen repräsentirte, eine Nullität aus den vorher ange¬ führten Gründen, weil der Bundestag nnr mit Einwilligung sämmtlicher Bundes- glieder reconstitnirt werden kann, ingleichen Oestreich und Dänemark (das letztere noch vor Ratification des Friedens) darin anstimmten. Die Lage der Sache ist also die, daß die allerdings nothwendige Aufstellung einer neuen Bundesversamm¬ lung nur durch einen Congreß bewirkt werden kann, welcher von der Gesammt¬ heit der Bundesmitglieder beschickt wird. Hierbei kann man, wenn es beliebt, die Formen des alten Bundestages wieder herstellen oder anch Modificationen machen. Das Präsidium würde, hierbei eine offene Frage sein, weil der Art. 5 der Bundesacte uur auf deu alten in Wien regulirten Bundestag geht; denn ein Präsidium in dein Bunde selbst hat Oestreich nicht, indem nach Art. 3 der Bun¬ desacte alle Bundesglieder, als solche, gleiche Rechte haben. Der dritte Anspruch, in Deutschland überhaupt zu commandiren, wozu die Prätension in der ganzen Haltung Oestreichs sich zeigt, beruht auf gar keinem rechtlichen Grunde, souderu sucht sich durch die Schleichwege der Diplomatie durchzusetzen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/346>, abgerufen am 30.06.2024.