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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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politisches Ganzes verbindet, so hat es als solche europäische Großmacht nicht das
Recht, als Bnndesglied einzutreten, bevor es Erklärungen und Garantien gegeben
hat, wie es demselben möglich ist, nur mit den deutschen Erbländer an dem Bunde
zu halten. Nun kann man sagen, die zu dem deutschen Bunde vereinigten Fürsten
und Städte können das ganze neu constituirte Oestreich dnrch eine förmliche Er¬
klärung in den Bund aufnehmen. Dies ist aber erstlich nicht rachsam, denn in
der Bundesacte wird gesagt:

Art. 11. Die Mitglieder des Bundes garantiren sich gegenseitig ihre
sämmtlichen uuter dem Bunde begriffenen Besitzungen.

Die deutschen Fürsten waren also durch eine dergleichen Aufnahme in den
Bund verpflichtet, Oestreich in dem Besitze von Ungarn und der Lombardei zu
schützen, was wegen innerer und äußerer Verhältnisse dieser Länder eine sehr be¬
denkliche Verpflichtung wäre. Zweitens ist aber eine Ausnahme des neuen Oest¬
reichs durch die bisherigen Bundesgesetze verwehrt. Die Wiener Schlußaete
enthält Folgendes:

Art. 6. Der Bund ist uach seiner ursprünglichen Bestimmung ans die
gegenwärtig darau teilnehmenden Staaten beschränkt. Die Aufnahme eines
neuen Mitgliedes kann nnr Statt haben, wenn die Gesammtheit der Bundes-
glieder solche mit den bestehenden Verhältnissen vereinbar und dem Vortheil
des Ganzen angemessen findet.
Art. 4. Der Gesammtheit der Bundesglieder steht die Befugniß der Ent¬
wickelung und Ausbildung der Bundesacte zu. Die deshalb zu fassenden
Beschlüsse dürfen aber mit dein Geiste der Bundesacte nicht im Widerspruch
steheu, uoch von dem Grundcharakter des Bundes abweichen.

Eine Ausnahme des jetzigen Oestreichs in den deutschen Bund würde demnach
in Folge des bestehenden Bnndesrechtes nicht erlaubt sein, weil sie dem Vortheil des
Ganzen nicht angemessen ist wegen Uebernahme gefährlicher Garantien (Art. 6.), und
weil sie vou dem Grundcharakter des Bundes abweicht, welcher auf das Zusammen¬
halten der Länder des ehemaligen deutschen Reiches gestellt ist (Art. 4). Gegen diese
Argumentationen kaun man nun schließlich einwenden, daß es ungachtet der auf
dem Papier enthaltenen Vorschriften der Gesammtheit der Bundesglieder nicht ver¬
wehrt werden könne, im EinVerständniß unter sich und mit Oestreich das letztere
ganz in deu Bund aufzunehmen. Dies muß man allerdings zugeben, aber der
so constituirte Bund würde nicht mehr der deutsche Bund sein und nicht diesen
Namen führen können. Es wäre ein ganz neuer Bund, der den Grundbestim-
mungen des alten so direct entgegenstünde, daß es eine Ungereimtheit ist, ihn
rechtlich als Consequenz und Ausfluß früherer Verträge zu betrachten. Aus allen
diesen Erörterungen ziehen wir den Schluß, daß Oestreich, so wie es jetzt steht,
dem deutschen Bunde nicht angehört, und daher aus die Ehre, die Necoustituiruug
desselben zu leiten, nicht den geringsten Anspruch hat.


Grenzvoten. IV. 1850. 108

politisches Ganzes verbindet, so hat es als solche europäische Großmacht nicht das
Recht, als Bnndesglied einzutreten, bevor es Erklärungen und Garantien gegeben
hat, wie es demselben möglich ist, nur mit den deutschen Erbländer an dem Bunde
zu halten. Nun kann man sagen, die zu dem deutschen Bunde vereinigten Fürsten
und Städte können das ganze neu constituirte Oestreich dnrch eine förmliche Er¬
klärung in den Bund aufnehmen. Dies ist aber erstlich nicht rachsam, denn in
der Bundesacte wird gesagt:

Art. 11. Die Mitglieder des Bundes garantiren sich gegenseitig ihre
sämmtlichen uuter dem Bunde begriffenen Besitzungen.

Die deutschen Fürsten waren also durch eine dergleichen Aufnahme in den
Bund verpflichtet, Oestreich in dem Besitze von Ungarn und der Lombardei zu
schützen, was wegen innerer und äußerer Verhältnisse dieser Länder eine sehr be¬
denkliche Verpflichtung wäre. Zweitens ist aber eine Ausnahme des neuen Oest¬
reichs durch die bisherigen Bundesgesetze verwehrt. Die Wiener Schlußaete
enthält Folgendes:

Art. 6. Der Bund ist uach seiner ursprünglichen Bestimmung ans die
gegenwärtig darau teilnehmenden Staaten beschränkt. Die Aufnahme eines
neuen Mitgliedes kann nnr Statt haben, wenn die Gesammtheit der Bundes-
glieder solche mit den bestehenden Verhältnissen vereinbar und dem Vortheil
des Ganzen angemessen findet.
Art. 4. Der Gesammtheit der Bundesglieder steht die Befugniß der Ent¬
wickelung und Ausbildung der Bundesacte zu. Die deshalb zu fassenden
Beschlüsse dürfen aber mit dein Geiste der Bundesacte nicht im Widerspruch
steheu, uoch von dem Grundcharakter des Bundes abweichen.

Eine Ausnahme des jetzigen Oestreichs in den deutschen Bund würde demnach
in Folge des bestehenden Bnndesrechtes nicht erlaubt sein, weil sie dem Vortheil des
Ganzen nicht angemessen ist wegen Uebernahme gefährlicher Garantien (Art. 6.), und
weil sie vou dem Grundcharakter des Bundes abweicht, welcher auf das Zusammen¬
halten der Länder des ehemaligen deutschen Reiches gestellt ist (Art. 4). Gegen diese
Argumentationen kaun man nun schließlich einwenden, daß es ungachtet der auf
dem Papier enthaltenen Vorschriften der Gesammtheit der Bundesglieder nicht ver¬
wehrt werden könne, im EinVerständniß unter sich und mit Oestreich das letztere
ganz in deu Bund aufzunehmen. Dies muß man allerdings zugeben, aber der
so constituirte Bund würde nicht mehr der deutsche Bund sein und nicht diesen
Namen führen können. Es wäre ein ganz neuer Bund, der den Grundbestim-
mungen des alten so direct entgegenstünde, daß es eine Ungereimtheit ist, ihn
rechtlich als Consequenz und Ausfluß früherer Verträge zu betrachten. Aus allen
diesen Erörterungen ziehen wir den Schluß, daß Oestreich, so wie es jetzt steht,
dem deutschen Bunde nicht angehört, und daher aus die Ehre, die Necoustituiruug
desselben zu leiten, nicht den geringsten Anspruch hat.


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[0345] politisches Ganzes verbindet, so hat es als solche europäische Großmacht nicht das Recht, als Bnndesglied einzutreten, bevor es Erklärungen und Garantien gegeben hat, wie es demselben möglich ist, nur mit den deutschen Erbländer an dem Bunde zu halten. Nun kann man sagen, die zu dem deutschen Bunde vereinigten Fürsten und Städte können das ganze neu constituirte Oestreich dnrch eine förmliche Er¬ klärung in den Bund aufnehmen. Dies ist aber erstlich nicht rachsam, denn in der Bundesacte wird gesagt: Art. 11. Die Mitglieder des Bundes garantiren sich gegenseitig ihre sämmtlichen uuter dem Bunde begriffenen Besitzungen. Die deutschen Fürsten waren also durch eine dergleichen Aufnahme in den Bund verpflichtet, Oestreich in dem Besitze von Ungarn und der Lombardei zu schützen, was wegen innerer und äußerer Verhältnisse dieser Länder eine sehr be¬ denkliche Verpflichtung wäre. Zweitens ist aber eine Ausnahme des neuen Oest¬ reichs durch die bisherigen Bundesgesetze verwehrt. Die Wiener Schlußaete enthält Folgendes: Art. 6. Der Bund ist uach seiner ursprünglichen Bestimmung ans die gegenwärtig darau teilnehmenden Staaten beschränkt. Die Aufnahme eines neuen Mitgliedes kann nnr Statt haben, wenn die Gesammtheit der Bundes- glieder solche mit den bestehenden Verhältnissen vereinbar und dem Vortheil des Ganzen angemessen findet. Art. 4. Der Gesammtheit der Bundesglieder steht die Befugniß der Ent¬ wickelung und Ausbildung der Bundesacte zu. Die deshalb zu fassenden Beschlüsse dürfen aber mit dein Geiste der Bundesacte nicht im Widerspruch steheu, uoch von dem Grundcharakter des Bundes abweichen. Eine Ausnahme des jetzigen Oestreichs in den deutschen Bund würde demnach in Folge des bestehenden Bnndesrechtes nicht erlaubt sein, weil sie dem Vortheil des Ganzen nicht angemessen ist wegen Uebernahme gefährlicher Garantien (Art. 6.), und weil sie vou dem Grundcharakter des Bundes abweicht, welcher auf das Zusammen¬ halten der Länder des ehemaligen deutschen Reiches gestellt ist (Art. 4). Gegen diese Argumentationen kaun man nun schließlich einwenden, daß es ungachtet der auf dem Papier enthaltenen Vorschriften der Gesammtheit der Bundesglieder nicht ver¬ wehrt werden könne, im EinVerständniß unter sich und mit Oestreich das letztere ganz in deu Bund aufzunehmen. Dies muß man allerdings zugeben, aber der so constituirte Bund würde nicht mehr der deutsche Bund sein und nicht diesen Namen führen können. Es wäre ein ganz neuer Bund, der den Grundbestim- mungen des alten so direct entgegenstünde, daß es eine Ungereimtheit ist, ihn rechtlich als Consequenz und Ausfluß früherer Verträge zu betrachten. Aus allen diesen Erörterungen ziehen wir den Schluß, daß Oestreich, so wie es jetzt steht, dem deutschen Bunde nicht angehört, und daher aus die Ehre, die Necoustituiruug desselben zu leiten, nicht den geringsten Anspruch hat. Grenzvoten. IV. 1850. 108

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/345>, abgerufen am 28.06.2024.