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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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am Tage nach ihrer Errichtung erließ Graf Brandes, diesmal in seiner Eigen¬
schaft als Hauptmann, einen Aufruf an die Tyroler, die er mit bisher uner¬
hörter Herablassung als seine "lieben und theuern Laudesleute" anredete: sie
möchten sich um die Commission schaaren, die nnr die reinste Vaterlandsliebe auf
ihren schwierigen Posten berufen habe. Sie werde den Schützen mit Nath und
That an bie Hand gehen, die Bitte um Waffen, Geld und Getreide sei schon
nach Wien abgegangen. Zur Ermuthigung verwies er auf die Versorgung der
verwandten Landesvertheidiger, die Provisiouiruug der Wittwen und Kinder der
Gefallenen, die Gleichstellung der Officiere der Landwehr mit jenen der k. k. Ar¬
mee, was alles der Kaiser schon im Jahre 1839 verheißen habe. Doppelte
Aufmunterung gebe aber die Konstitution und der erweiterte Wirkungskreis der
Landschaft (d. i. der Staude), beide liehen sichere Bürgschaft: "daß die Land¬
schaft den Wunsch des Landes um Erleichterungen, namentlich in Beziehung anf
Herabsetzung des Salzpreises, Aufhebung der Verzehrnngsfteuern, Erleich¬
terung der Stempelauflage u. s. w. mit größtem Nachdrucke vor dem Throne
Sr. Majestät vertreten könne."

Man mußte diesen geharnischten Worten nachrühmen, daß sie wenigstens
nicht in deu Fehler verfielen, zu viel zu verheißen; der Zauber, der darin liegen
sollte, blieb sür Jedermann wirkungslos. Von des Volkes künftiger Freiheit und
Selbständigkeit, von seinem Antheil an der Gesetzgebung, Rechtsprechung und
Verwaltung keine Sylbe. Freilich jede Volksvertretung galt dem blauen Blute,
dessen Ahnen bis an die Zeiten Meinhard U. zurückreichten, für eine Mißgeburt
der Revolution, Sünde und Greuel. Wie sehr konnte Brandis das materielle
Interesse an der Landesvertheidigung durch den von innen und außen geforderten
im Interesse von Oestreich selbst gelegenen Anschluß an Deutschland anregen!
Wein, Seide, Transit, alle Nahrungsquellen Tyrols mußten ihre goldenen
Becken aufthun, neue sich offnen, wenn die schwarzgelben Schranken gegen das
deutsche "Ausland" fielen. Allem dies war ja lutherisch. Jede Hilfe vou da¬
her hätte ein viel untilgbareres Uebel über das Land gebracht, als es die Plün¬
derungen, Mord und Brand der Wälschen je vermocht. Darum ward selbst die
Freischaar, die sich uuter dem ritterlichen Herzog Max ans baierischen Gebirgs-
söhnen bilden wollte, mit recht schwarzgelber Abwehr der Annäherung zweier
Bruderstämme hintangewiesen. Nur Blei und Pulver, Geld und Getreide
forderte Graf Brandis, selbst an das Ministerium in Wien richtete er nur diese
eine Bitte. Die Mäuner der eisernen That, dachte er, zögen in Schaaren auf
seinen väterlichen Lockruf herbei. Aus 20,000 Schützen bestand das stolze Häuf¬
lein, worüber er schon in seinen Träumen von der Burg zu Innsbruck lächelnd Heer¬
schau hielt. Und als sie seinem Rufe nicht folgten, als selbst die 10,000 eingeschriebenen
Standfchützen uneingedenk der kaiserlichem Gnadengaben und erwirkten Frcischießen
nnr im Schuldenbuch von Anno neun blätterten und keine Spanne mehr als


am Tage nach ihrer Errichtung erließ Graf Brandes, diesmal in seiner Eigen¬
schaft als Hauptmann, einen Aufruf an die Tyroler, die er mit bisher uner¬
hörter Herablassung als seine „lieben und theuern Laudesleute" anredete: sie
möchten sich um die Commission schaaren, die nnr die reinste Vaterlandsliebe auf
ihren schwierigen Posten berufen habe. Sie werde den Schützen mit Nath und
That an bie Hand gehen, die Bitte um Waffen, Geld und Getreide sei schon
nach Wien abgegangen. Zur Ermuthigung verwies er auf die Versorgung der
verwandten Landesvertheidiger, die Provisiouiruug der Wittwen und Kinder der
Gefallenen, die Gleichstellung der Officiere der Landwehr mit jenen der k. k. Ar¬
mee, was alles der Kaiser schon im Jahre 1839 verheißen habe. Doppelte
Aufmunterung gebe aber die Konstitution und der erweiterte Wirkungskreis der
Landschaft (d. i. der Staude), beide liehen sichere Bürgschaft: „daß die Land¬
schaft den Wunsch des Landes um Erleichterungen, namentlich in Beziehung anf
Herabsetzung des Salzpreises, Aufhebung der Verzehrnngsfteuern, Erleich¬
terung der Stempelauflage u. s. w. mit größtem Nachdrucke vor dem Throne
Sr. Majestät vertreten könne."

Man mußte diesen geharnischten Worten nachrühmen, daß sie wenigstens
nicht in deu Fehler verfielen, zu viel zu verheißen; der Zauber, der darin liegen
sollte, blieb sür Jedermann wirkungslos. Von des Volkes künftiger Freiheit und
Selbständigkeit, von seinem Antheil an der Gesetzgebung, Rechtsprechung und
Verwaltung keine Sylbe. Freilich jede Volksvertretung galt dem blauen Blute,
dessen Ahnen bis an die Zeiten Meinhard U. zurückreichten, für eine Mißgeburt
der Revolution, Sünde und Greuel. Wie sehr konnte Brandis das materielle
Interesse an der Landesvertheidigung durch den von innen und außen geforderten
im Interesse von Oestreich selbst gelegenen Anschluß an Deutschland anregen!
Wein, Seide, Transit, alle Nahrungsquellen Tyrols mußten ihre goldenen
Becken aufthun, neue sich offnen, wenn die schwarzgelben Schranken gegen das
deutsche „Ausland" fielen. Allem dies war ja lutherisch. Jede Hilfe vou da¬
her hätte ein viel untilgbareres Uebel über das Land gebracht, als es die Plün¬
derungen, Mord und Brand der Wälschen je vermocht. Darum ward selbst die
Freischaar, die sich uuter dem ritterlichen Herzog Max ans baierischen Gebirgs-
söhnen bilden wollte, mit recht schwarzgelber Abwehr der Annäherung zweier
Bruderstämme hintangewiesen. Nur Blei und Pulver, Geld und Getreide
forderte Graf Brandis, selbst an das Ministerium in Wien richtete er nur diese
eine Bitte. Die Mäuner der eisernen That, dachte er, zögen in Schaaren auf
seinen väterlichen Lockruf herbei. Aus 20,000 Schützen bestand das stolze Häuf¬
lein, worüber er schon in seinen Träumen von der Burg zu Innsbruck lächelnd Heer¬
schau hielt. Und als sie seinem Rufe nicht folgten, als selbst die 10,000 eingeschriebenen
Standfchützen uneingedenk der kaiserlichem Gnadengaben und erwirkten Frcischießen
nnr im Schuldenbuch von Anno neun blätterten und keine Spanne mehr als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/306>, abgerufen am 22.07.2024.