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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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letztes Octett für Streichinstrumente hingegen trägt mehr die Züge der ^V-moll
Sinfonie an sich und dürfte unter den Werken, die nach den Grundsätzen der
deutschen Schule gearbeitet sind, als das vorzüglichste zu betrachten sein. Wie
im vollen Orchester, so ist auch in der Kammermusik seine Art zu instrumentiren
gewandt und äußerst wirkungsvoll; die praktischen Erfahrungen, welche ihn sein
langer Aufenthalt im Orchester selbst sammeln ließ, (er war früher Violinspieler
in der Kopenhagens Capelle) verwerthet er jetzt mit großem Erfolge. Von ge¬
ringerem Belange sind seine Gesangcompofitionen, sie zeigen seine Schwäche in
Erfindung fließender, singbarer und ansprechender Melodien, wozu noch kommt,
daß seine mangelhafte Kenntniß der deutschen Sprache ihn zu mancherlei falschen
Declamationen und Schwerfälligkeiten verleitete.

Wohl darf man von der Zukunft Gabe's viel Gutes hoffen, er ist noch
jung und rüstig, und an Aufmunterung zum Schaffell, sowie an Freunden, die sich
für seiue Leistungen interessiren, fehlt es ihm nicht. Kopenhagen schätzt ihn hoch,
und seine Landsleute bestreben sich, den ersten bedeutenden Tonkünstler, der unter
ihnen geboren wurde, zu ehren. Die Schwierigkeiten, mit denen Gabe zu kämpfen
hat, sind nicht äußerliche, sie bestehen vielmehr darin, daß seine Nationalität und
seine Erziehung ihn ans eine Bahn gewiesen haben, auf welcher er keinen andern
Wegweiser zu finden vermag, als sich selbst. Sehen wir zu, ob er sein schwie¬
riges Ziel erreicht, oder ob er aus Mangel an Kraft ans halbem Wege flehete
bleibt.




Die Kriegszüge der Tyroler Schützen im Jahre

Zu den Begebenheiten aus dem Jahre 1848, welche am wenigsten bekannt
sind, gehört die Vertheidigung Tyrols gegen die wälschen Einfälle. Es sei mir
daher gestattet, für dieses dunkle Blatt deutscher Geschichte Einiges auszuzeichnen.

Die Piemontesen und die wälschen Freischaaren, welche nach dem Rückzug
Radetzky's auf Verona die Südgreuze Tyrols aus dem Brescianischen, die In¬
surgenten und Kreuzzügler, die sie bei Valarga und aus deu Setto ('omuni be¬
drohten, störten auch den Gouverneur zu Innsbruck in seiner behäbigen Ruhe.
In seiner leidenschaftlichen Vorliebe für die deutsche Bewegung sah er bereits
entsetzt die Schaaren Hecker's mit Schwert und Brandfackel über Würtemberg
und Baiern wie einen Lavastrom hereinbrechen. Er errichtete sonach, wie es
in der guten alten Zeit bräuchlich gewesen, in Innsbruck eine ständische Schutz¬
deputation. Dies Institut stammte ans den Zeiten der Landsknechte Kaiser
Max I., der für seine vielen Kriege zur Vergrößerung der habsburgischen Erd-
taube die nöthigen Truppen vom deutschen Reich nicht erhalten konnte; im Land-


letztes Octett für Streichinstrumente hingegen trägt mehr die Züge der ^V-moll
Sinfonie an sich und dürfte unter den Werken, die nach den Grundsätzen der
deutschen Schule gearbeitet sind, als das vorzüglichste zu betrachten sein. Wie
im vollen Orchester, so ist auch in der Kammermusik seine Art zu instrumentiren
gewandt und äußerst wirkungsvoll; die praktischen Erfahrungen, welche ihn sein
langer Aufenthalt im Orchester selbst sammeln ließ, (er war früher Violinspieler
in der Kopenhagens Capelle) verwerthet er jetzt mit großem Erfolge. Von ge¬
ringerem Belange sind seine Gesangcompofitionen, sie zeigen seine Schwäche in
Erfindung fließender, singbarer und ansprechender Melodien, wozu noch kommt,
daß seine mangelhafte Kenntniß der deutschen Sprache ihn zu mancherlei falschen
Declamationen und Schwerfälligkeiten verleitete.

Wohl darf man von der Zukunft Gabe's viel Gutes hoffen, er ist noch
jung und rüstig, und an Aufmunterung zum Schaffell, sowie an Freunden, die sich
für seiue Leistungen interessiren, fehlt es ihm nicht. Kopenhagen schätzt ihn hoch,
und seine Landsleute bestreben sich, den ersten bedeutenden Tonkünstler, der unter
ihnen geboren wurde, zu ehren. Die Schwierigkeiten, mit denen Gabe zu kämpfen
hat, sind nicht äußerliche, sie bestehen vielmehr darin, daß seine Nationalität und
seine Erziehung ihn ans eine Bahn gewiesen haben, auf welcher er keinen andern
Wegweiser zu finden vermag, als sich selbst. Sehen wir zu, ob er sein schwie¬
riges Ziel erreicht, oder ob er aus Mangel an Kraft ans halbem Wege flehete
bleibt.




Die Kriegszüge der Tyroler Schützen im Jahre

Zu den Begebenheiten aus dem Jahre 1848, welche am wenigsten bekannt
sind, gehört die Vertheidigung Tyrols gegen die wälschen Einfälle. Es sei mir
daher gestattet, für dieses dunkle Blatt deutscher Geschichte Einiges auszuzeichnen.

Die Piemontesen und die wälschen Freischaaren, welche nach dem Rückzug
Radetzky's auf Verona die Südgreuze Tyrols aus dem Brescianischen, die In¬
surgenten und Kreuzzügler, die sie bei Valarga und aus deu Setto ('omuni be¬
drohten, störten auch den Gouverneur zu Innsbruck in seiner behäbigen Ruhe.
In seiner leidenschaftlichen Vorliebe für die deutsche Bewegung sah er bereits
entsetzt die Schaaren Hecker's mit Schwert und Brandfackel über Würtemberg
und Baiern wie einen Lavastrom hereinbrechen. Er errichtete sonach, wie es
in der guten alten Zeit bräuchlich gewesen, in Innsbruck eine ständische Schutz¬
deputation. Dies Institut stammte ans den Zeiten der Landsknechte Kaiser
Max I., der für seine vielen Kriege zur Vergrößerung der habsburgischen Erd-
taube die nöthigen Truppen vom deutschen Reich nicht erhalten konnte; im Land-


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[0304] letztes Octett für Streichinstrumente hingegen trägt mehr die Züge der ^V-moll Sinfonie an sich und dürfte unter den Werken, die nach den Grundsätzen der deutschen Schule gearbeitet sind, als das vorzüglichste zu betrachten sein. Wie im vollen Orchester, so ist auch in der Kammermusik seine Art zu instrumentiren gewandt und äußerst wirkungsvoll; die praktischen Erfahrungen, welche ihn sein langer Aufenthalt im Orchester selbst sammeln ließ, (er war früher Violinspieler in der Kopenhagens Capelle) verwerthet er jetzt mit großem Erfolge. Von ge¬ ringerem Belange sind seine Gesangcompofitionen, sie zeigen seine Schwäche in Erfindung fließender, singbarer und ansprechender Melodien, wozu noch kommt, daß seine mangelhafte Kenntniß der deutschen Sprache ihn zu mancherlei falschen Declamationen und Schwerfälligkeiten verleitete. Wohl darf man von der Zukunft Gabe's viel Gutes hoffen, er ist noch jung und rüstig, und an Aufmunterung zum Schaffell, sowie an Freunden, die sich für seiue Leistungen interessiren, fehlt es ihm nicht. Kopenhagen schätzt ihn hoch, und seine Landsleute bestreben sich, den ersten bedeutenden Tonkünstler, der unter ihnen geboren wurde, zu ehren. Die Schwierigkeiten, mit denen Gabe zu kämpfen hat, sind nicht äußerliche, sie bestehen vielmehr darin, daß seine Nationalität und seine Erziehung ihn ans eine Bahn gewiesen haben, auf welcher er keinen andern Wegweiser zu finden vermag, als sich selbst. Sehen wir zu, ob er sein schwie¬ riges Ziel erreicht, oder ob er aus Mangel an Kraft ans halbem Wege flehete bleibt. Die Kriegszüge der Tyroler Schützen im Jahre Zu den Begebenheiten aus dem Jahre 1848, welche am wenigsten bekannt sind, gehört die Vertheidigung Tyrols gegen die wälschen Einfälle. Es sei mir daher gestattet, für dieses dunkle Blatt deutscher Geschichte Einiges auszuzeichnen. Die Piemontesen und die wälschen Freischaaren, welche nach dem Rückzug Radetzky's auf Verona die Südgreuze Tyrols aus dem Brescianischen, die In¬ surgenten und Kreuzzügler, die sie bei Valarga und aus deu Setto ('omuni be¬ drohten, störten auch den Gouverneur zu Innsbruck in seiner behäbigen Ruhe. In seiner leidenschaftlichen Vorliebe für die deutsche Bewegung sah er bereits entsetzt die Schaaren Hecker's mit Schwert und Brandfackel über Würtemberg und Baiern wie einen Lavastrom hereinbrechen. Er errichtete sonach, wie es in der guten alten Zeit bräuchlich gewesen, in Innsbruck eine ständische Schutz¬ deputation. Dies Institut stammte ans den Zeiten der Landsknechte Kaiser Max I., der für seine vielen Kriege zur Vergrößerung der habsburgischen Erd- taube die nöthigen Truppen vom deutschen Reich nicht erhalten konnte; im Land-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/304>, abgerufen am 22.07.2024.