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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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eine einzelne Skizze des großen Ganzen, welches in der letztgenannten Ouverture
geschildert sein soll. Gabe scheint ein großer Verehrer von Ossian, denn noch
zu einem dritten großem Werke entnahm er den Stoff aus dieser Dichtung, dies
ist: Comala, dramatisches Gedicht nach Ossian, für Solo, Chor und Orchester
(op. 12). Diese drei Kompositionen nächst der ersten Sinfonie in Omoll sind
ohne Zweifel die achtenswerthesten, es herrscht in ihnen keine Künstelei, kein
Spiel mit inhaltslosen Phrasen, der Künstler hat seine Natur, seine Empfindungen
und die Eigenthümlichkeiten seiner Nationalität einfach und wahr niedergelegt. Die
Concertouvertnre in 0 (Ar. 3) und die dritte Sinfonie in ^V-moU, deren dritter
Sah davou anzunehmen ist, bewegen sich im Ganzen wieder in der Richtung
der Sinfonie in L-am-, es sind Versuche in der deutschen Schule, welcher sich
der Componist mit allen Kräften anzubequemen sucht.

Voll Kammermusik sind drei Kompositionen zu erwähnen: eine Sonate für Vio¬
line und Pianoforte, ein Quintett und ein Octett für Streichinstrumente; für Clavier
zu vier Händen: Nordische Tonbilder, in Form von kleinen Charakterstücken, und
drei Klavierstücke in Marschform; von reinen Gesangswerken einzelne Hefte für
Männerchor, gemischten Chor und Duetten für zwei Frauenstimmen mit Pianoforte-
bcgleitung. Eine komische Oper in dänischer Sprache, im Sommer 1849 in
Kopenhagen aufgeführt, ist in Dentschland bis jetzt weder aufgeführt, uoch durch
deu Druck bekannt worden, so daß sie ganz anßer dem Kreise dieser Besprechung
bleiben muß.

Schon aus den kurzen Andeutungen zu seinen aufgezählten Tonwerken geht
hervor, daß Gabe vor allen Dingen die Konsequenz der Grundsätze in der Pro-
duction vermissen läßt. So lange er sich naiv, gleichsam instinktmäßig der Ans-
Übung seiner Kunst hingibt, schreibt er mit Glück und Geschick; sobald er darnach
strebt, die Mängel seiner nationalen Musik dnrch fremde Hilfsmittel zu verbessern,
wird er schwach und matt. Wohl fühlte er, daß eine Musik, blos ans die charakte¬
ristischen Tonweisen seiner nordischen Heimach basirt, durch die Monotonie und
Uebereinstimmung der Motive und die daraus entspringende Einseitigkeit der
Harmonisirung für die Länge der Zeit kein ersprießliches Feld einer gebildeten
Kunstthätigkeit darbiete, und daß es sogar eine zeitliche Grenze gebe, wo die
Sättigung des Publicums jedem erfolgreichen Fortarbeiten eine uuübersteiglithe
Schränke aufbauen müsse. Deshalb warf er sich mit Wärme der deutschen Schule
in die Arme; er versuchte beide Weisen mit einander zu verschmelzen, ja er ging
noch weiter, indem er alleu und jeden Scaudiuavismns über Bord warf und die
deutsche Schule allem zu seiner Leiterin auöcrkor. Das Ergebniß dieses Strebens
ist bis jetzt kein ganz günstiges gewesen; ob er sein Ziel in der Folge erreichen
wird, darüber läßt sich bis jetzt kein sicheres Urtheil fällen, obwohl sich auch hier
der alte Spruch zu bewähren scheint: ne nawram euren oxpe1w8! Ein wirk¬
licher Vorwurf läßt sich Gabe wegen dieses Strebens nicht mandelt, im Gegen-


eine einzelne Skizze des großen Ganzen, welches in der letztgenannten Ouverture
geschildert sein soll. Gabe scheint ein großer Verehrer von Ossian, denn noch
zu einem dritten großem Werke entnahm er den Stoff aus dieser Dichtung, dies
ist: Comala, dramatisches Gedicht nach Ossian, für Solo, Chor und Orchester
(op. 12). Diese drei Kompositionen nächst der ersten Sinfonie in Omoll sind
ohne Zweifel die achtenswerthesten, es herrscht in ihnen keine Künstelei, kein
Spiel mit inhaltslosen Phrasen, der Künstler hat seine Natur, seine Empfindungen
und die Eigenthümlichkeiten seiner Nationalität einfach und wahr niedergelegt. Die
Concertouvertnre in 0 (Ar. 3) und die dritte Sinfonie in ^V-moU, deren dritter
Sah davou anzunehmen ist, bewegen sich im Ganzen wieder in der Richtung
der Sinfonie in L-am-, es sind Versuche in der deutschen Schule, welcher sich
der Componist mit allen Kräften anzubequemen sucht.

Voll Kammermusik sind drei Kompositionen zu erwähnen: eine Sonate für Vio¬
line und Pianoforte, ein Quintett und ein Octett für Streichinstrumente; für Clavier
zu vier Händen: Nordische Tonbilder, in Form von kleinen Charakterstücken, und
drei Klavierstücke in Marschform; von reinen Gesangswerken einzelne Hefte für
Männerchor, gemischten Chor und Duetten für zwei Frauenstimmen mit Pianoforte-
bcgleitung. Eine komische Oper in dänischer Sprache, im Sommer 1849 in
Kopenhagen aufgeführt, ist in Dentschland bis jetzt weder aufgeführt, uoch durch
deu Druck bekannt worden, so daß sie ganz anßer dem Kreise dieser Besprechung
bleiben muß.

Schon aus den kurzen Andeutungen zu seinen aufgezählten Tonwerken geht
hervor, daß Gabe vor allen Dingen die Konsequenz der Grundsätze in der Pro-
duction vermissen läßt. So lange er sich naiv, gleichsam instinktmäßig der Ans-
Übung seiner Kunst hingibt, schreibt er mit Glück und Geschick; sobald er darnach
strebt, die Mängel seiner nationalen Musik dnrch fremde Hilfsmittel zu verbessern,
wird er schwach und matt. Wohl fühlte er, daß eine Musik, blos ans die charakte¬
ristischen Tonweisen seiner nordischen Heimach basirt, durch die Monotonie und
Uebereinstimmung der Motive und die daraus entspringende Einseitigkeit der
Harmonisirung für die Länge der Zeit kein ersprießliches Feld einer gebildeten
Kunstthätigkeit darbiete, und daß es sogar eine zeitliche Grenze gebe, wo die
Sättigung des Publicums jedem erfolgreichen Fortarbeiten eine uuübersteiglithe
Schränke aufbauen müsse. Deshalb warf er sich mit Wärme der deutschen Schule
in die Arme; er versuchte beide Weisen mit einander zu verschmelzen, ja er ging
noch weiter, indem er alleu und jeden Scaudiuavismns über Bord warf und die
deutsche Schule allem zu seiner Leiterin auöcrkor. Das Ergebniß dieses Strebens
ist bis jetzt kein ganz günstiges gewesen; ob er sein Ziel in der Folge erreichen
wird, darüber läßt sich bis jetzt kein sicheres Urtheil fällen, obwohl sich auch hier
der alte Spruch zu bewähren scheint: ne nawram euren oxpe1w8! Ein wirk¬
licher Vorwurf läßt sich Gabe wegen dieses Strebens nicht mandelt, im Gegen-


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[0298] eine einzelne Skizze des großen Ganzen, welches in der letztgenannten Ouverture geschildert sein soll. Gabe scheint ein großer Verehrer von Ossian, denn noch zu einem dritten großem Werke entnahm er den Stoff aus dieser Dichtung, dies ist: Comala, dramatisches Gedicht nach Ossian, für Solo, Chor und Orchester (op. 12). Diese drei Kompositionen nächst der ersten Sinfonie in Omoll sind ohne Zweifel die achtenswerthesten, es herrscht in ihnen keine Künstelei, kein Spiel mit inhaltslosen Phrasen, der Künstler hat seine Natur, seine Empfindungen und die Eigenthümlichkeiten seiner Nationalität einfach und wahr niedergelegt. Die Concertouvertnre in 0 (Ar. 3) und die dritte Sinfonie in ^V-moU, deren dritter Sah davou anzunehmen ist, bewegen sich im Ganzen wieder in der Richtung der Sinfonie in L-am-, es sind Versuche in der deutschen Schule, welcher sich der Componist mit allen Kräften anzubequemen sucht. Voll Kammermusik sind drei Kompositionen zu erwähnen: eine Sonate für Vio¬ line und Pianoforte, ein Quintett und ein Octett für Streichinstrumente; für Clavier zu vier Händen: Nordische Tonbilder, in Form von kleinen Charakterstücken, und drei Klavierstücke in Marschform; von reinen Gesangswerken einzelne Hefte für Männerchor, gemischten Chor und Duetten für zwei Frauenstimmen mit Pianoforte- bcgleitung. Eine komische Oper in dänischer Sprache, im Sommer 1849 in Kopenhagen aufgeführt, ist in Dentschland bis jetzt weder aufgeführt, uoch durch deu Druck bekannt worden, so daß sie ganz anßer dem Kreise dieser Besprechung bleiben muß. Schon aus den kurzen Andeutungen zu seinen aufgezählten Tonwerken geht hervor, daß Gabe vor allen Dingen die Konsequenz der Grundsätze in der Pro- duction vermissen läßt. So lange er sich naiv, gleichsam instinktmäßig der Ans- Übung seiner Kunst hingibt, schreibt er mit Glück und Geschick; sobald er darnach strebt, die Mängel seiner nationalen Musik dnrch fremde Hilfsmittel zu verbessern, wird er schwach und matt. Wohl fühlte er, daß eine Musik, blos ans die charakte¬ ristischen Tonweisen seiner nordischen Heimach basirt, durch die Monotonie und Uebereinstimmung der Motive und die daraus entspringende Einseitigkeit der Harmonisirung für die Länge der Zeit kein ersprießliches Feld einer gebildeten Kunstthätigkeit darbiete, und daß es sogar eine zeitliche Grenze gebe, wo die Sättigung des Publicums jedem erfolgreichen Fortarbeiten eine uuübersteiglithe Schränke aufbauen müsse. Deshalb warf er sich mit Wärme der deutschen Schule in die Arme; er versuchte beide Weisen mit einander zu verschmelzen, ja er ging noch weiter, indem er alleu und jeden Scaudiuavismns über Bord warf und die deutsche Schule allem zu seiner Leiterin auöcrkor. Das Ergebniß dieses Strebens ist bis jetzt kein ganz günstiges gewesen; ob er sein Ziel in der Folge erreichen wird, darüber läßt sich bis jetzt kein sicheres Urtheil fällen, obwohl sich auch hier der alte Spruch zu bewähren scheint: ne nawram euren oxpe1w8! Ein wirk¬ licher Vorwurf läßt sich Gabe wegen dieses Strebens nicht mandelt, im Gegen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/298>, abgerufen am 22.07.2024.