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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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die Militärconvcntionen, man tauschte mit Baden die Truppen aus. Oestreich
droht, Hannover verweigert den Durchzug. Erst wird, wie billig, mit dem
Degen geklappert, dann aber schmuggelt mau die Truppen bei Nacht und Nebel
über die Berge, und brutalisirt, um sich doch einigermaßen zu entschädigen, das
getreue Baden.'

Da nun der Haß und die Nichtachtung gegen Preußen den höchsten Grad
erreicht hatten, mußte sich das Unwetter wohl eniladen. Die gerechte Nemesis
führte es auf einem Punkte herbei, wo Preußen in der allerschlechtestcn Lage
war, -- in Kurhessen. Der Bundestag beschließt auf Anforderung des Kurfürsten
Intervention. Preußen protestirt. "Mit Erstaunen", erwidert Oestreich ganz
mir Recht, "sehen wir den neuen Standpunkt Preußens. Bisher hat es das
Recht der freien Vereinigung der einzelnen Staaten behauptet, jetzt will es uns
dasselbe bestreiten, was es in Baden ausgeübt hat?" Was kaun es darauf er¬
widern! Will es im Namen der Union einschreiten? Die Rechtsansprüche der
Union hat es ja aufgegeben! Für die verletzten Freiheiten des Volks gegen die
willkürliche Regierung? Um Gottes willen nicht! ruft Nadowitz, wir schreiten ein
-- nur für das monarchische Princip!!

Und so hat es deun das Novemberministerium, trotz seines im Grunde festen
Willens, nicht zu schlagen, zugelassen, daß eine solche Pulvermasse an einem Ort
zusammenkam, daß nur eine Art Wunder die Explosion verhüten konnte.

Und nachdem es ein volles Jahr hindurch die Wetterwolken sich hat zusam¬
menziehen sehen, die sich endlich entladen mußten, hat es in dem Augenblick des
Ausbruchs, wie eine Schaar unschuldiger Kindlein, einen Rath gehalten, und hat
gefunden, daß uuter diesen unerwarteten Umständen man doch seinen Plan lieber
ausgeben solle. Es hat die günstigste Stunde gewählt, sich vor aller Welt Angen
in dem Lichte zu zeigen, das es ans ewig kenntlich macheu muß.

Wir wollen die Vergangenheit lassen und die gegenwärtige Situation ernst¬
haft in Betracht ziehen. Wir haben, offen gesagt, nie an den Krieg geglaubt,
wir haben nicht geglaubt, daß ein Ministerium, welches die Freiheit haßt und
verfolgt, welches nie fähig ist, einen gauzeu und vollen Entschluß zu fassen, son¬
dern überall durch die Umstände sich treiben läßt, sich in ein Spiel einlassen
würde, welches nur dann gewonnen werden konnte, wenn man die Freiheit zum
Trumph machte, wenn mau alle Bedenklichkeiten, alle Rücksichten auf Umstände .
und Verhältnisse von sich warf, und den Blick fest nach Vorwärts richtete. Mit
Erstaunen und einem gewissem Grauen sahen wir den Bewegungen der letzten
Monate zu, denn keinen Augenblick haben wir mit den Demokraten geglaubt,
Preußen und Oestreich trieben die Sache zum Spaß, sie schlügen sich ins Gesicht
und würfen sich Schimpfworte zu, uur um das Volk zu täuschen. Wir fühlten
voraus, daß das Ministerium einlenken, daß es nicht mit Ehren einlenken wurde,
aber wir haben es uus allerdings so nicht ausgemalt, daß es uuter allen mög-


die Militärconvcntionen, man tauschte mit Baden die Truppen aus. Oestreich
droht, Hannover verweigert den Durchzug. Erst wird, wie billig, mit dem
Degen geklappert, dann aber schmuggelt mau die Truppen bei Nacht und Nebel
über die Berge, und brutalisirt, um sich doch einigermaßen zu entschädigen, das
getreue Baden.'

Da nun der Haß und die Nichtachtung gegen Preußen den höchsten Grad
erreicht hatten, mußte sich das Unwetter wohl eniladen. Die gerechte Nemesis
führte es auf einem Punkte herbei, wo Preußen in der allerschlechtestcn Lage
war, — in Kurhessen. Der Bundestag beschließt auf Anforderung des Kurfürsten
Intervention. Preußen protestirt. „Mit Erstaunen", erwidert Oestreich ganz
mir Recht, „sehen wir den neuen Standpunkt Preußens. Bisher hat es das
Recht der freien Vereinigung der einzelnen Staaten behauptet, jetzt will es uns
dasselbe bestreiten, was es in Baden ausgeübt hat?" Was kaun es darauf er¬
widern! Will es im Namen der Union einschreiten? Die Rechtsansprüche der
Union hat es ja aufgegeben! Für die verletzten Freiheiten des Volks gegen die
willkürliche Regierung? Um Gottes willen nicht! ruft Nadowitz, wir schreiten ein
— nur für das monarchische Princip!!

Und so hat es deun das Novemberministerium, trotz seines im Grunde festen
Willens, nicht zu schlagen, zugelassen, daß eine solche Pulvermasse an einem Ort
zusammenkam, daß nur eine Art Wunder die Explosion verhüten konnte.

Und nachdem es ein volles Jahr hindurch die Wetterwolken sich hat zusam¬
menziehen sehen, die sich endlich entladen mußten, hat es in dem Augenblick des
Ausbruchs, wie eine Schaar unschuldiger Kindlein, einen Rath gehalten, und hat
gefunden, daß uuter diesen unerwarteten Umständen man doch seinen Plan lieber
ausgeben solle. Es hat die günstigste Stunde gewählt, sich vor aller Welt Angen
in dem Lichte zu zeigen, das es ans ewig kenntlich macheu muß.

Wir wollen die Vergangenheit lassen und die gegenwärtige Situation ernst¬
haft in Betracht ziehen. Wir haben, offen gesagt, nie an den Krieg geglaubt,
wir haben nicht geglaubt, daß ein Ministerium, welches die Freiheit haßt und
verfolgt, welches nie fähig ist, einen gauzeu und vollen Entschluß zu fassen, son¬
dern überall durch die Umstände sich treiben läßt, sich in ein Spiel einlassen
würde, welches nur dann gewonnen werden konnte, wenn man die Freiheit zum
Trumph machte, wenn mau alle Bedenklichkeiten, alle Rücksichten auf Umstände .
und Verhältnisse von sich warf, und den Blick fest nach Vorwärts richtete. Mit
Erstaunen und einem gewissem Grauen sahen wir den Bewegungen der letzten
Monate zu, denn keinen Augenblick haben wir mit den Demokraten geglaubt,
Preußen und Oestreich trieben die Sache zum Spaß, sie schlügen sich ins Gesicht
und würfen sich Schimpfworte zu, uur um das Volk zu täuschen. Wir fühlten
voraus, daß das Ministerium einlenken, daß es nicht mit Ehren einlenken wurde,
aber wir haben es uus allerdings so nicht ausgemalt, daß es uuter allen mög-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/254>, abgerufen am 22.07.2024.