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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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sich für den Schützer der deutschen Freiheit erklärte, hat er die Empfindungen
der kleinen Könige Deutschlands und den Stolz der Kaiser unversöhnlich gegen
sich aufgeregt. Wie er sich auch sträube und wie gern seine Regierung ausweiche,
Preußen kann es nicht mehr vermeiden, in dem Kampfe der Freiheit gegell den
Absolutismus auf die Seite der liberalen Partei, Englands, Sardiniens, der
Hessen, der Holsteiuer und aller übrigen deutschell Völker zu treten.

Was wir Deutsche daher zu fürchten haben, ist nicht ein Krieg Preußens
gegen die Koalition der Despoten, so groß, so ungeheuer auch das Unglück eines
solchen Krieges auf dem Einzelnen lasten würde, aber was wir sehr zu fürchten
haben, ist ein schwächliches, halbes und resultatloses Mauövriren zwischeu der
preußischen Politik, wie sie jetzt ist, lind den Intriguen der Liga; und was wir
am meisten fürchten müssen, ist ein ehrloses Nachgeben Preußens gegen die über¬
müthigen Forderungen, welche von allen Seiten seine Ehre zu beschädigen, sein
Ansehn zu vernichten droht. --> Möge Preußen seiue Ehre wahren! --

Wir bestreben uns, in der letzten Erklärung des preußischen Ministers
v. Nadowitz an die kaiserlich östreichische Regierung Etwas von dem Stahl zu
finden, welchen Preußen jetzt in seinen Worten und Thaten braucht: In Folge
der Natiftcation des dänischen Friedens durch die einzelnen Staaten sei jetzt der
im Friedensschluß vorhergeseheue Fall eingetreten, daß die Bundesstaaten in der
Schleswig-holsteinscheil Angelegenheit eiuell Beschluß fassen müßten: Prenßxn zweifle
nicht, daß Dänemark, das ja bereits einen Gesandten in Frankfurt habe, sich
deshalb seiner Verpflichtung uach an deu Bund wenden werde: Preußen
werde aber die Beschlüsse einer Frankfurter Koalition, welche sich ohne jeden
rechtlichen Grund als Bundesversammlung gerire, als nicht berechtigt an¬
sehen, und eine etwaige Intervention in Holstein als easus dvlli und deu
Anfang eines europäischen Krieges betrachten; es schlage wiederholt freie Kon¬
ferenzen aller deutscheu Staaten etwa in Hamburg vor. -- Wohl steht die preu¬
ßische Regierung in dieser Antwort fest ans ihrem Wort und Recht, aber die
Verwicklungen der Staaten sind unterdeß weiter gegangen. -- Von Warschau und
der Stimmung des Czaren hängt jetzt die nächste Wendung ab, welche die deutsche
Sache nehmen wird, und gespannt warten die Regierungen, finster und mi߬
trauisch die Völker auf die Sprache des Nachbars. So weit ist es gekommen.

Möge Preußen unter allen Umständen seine Ehre wahren!




sich für den Schützer der deutschen Freiheit erklärte, hat er die Empfindungen
der kleinen Könige Deutschlands und den Stolz der Kaiser unversöhnlich gegen
sich aufgeregt. Wie er sich auch sträube und wie gern seine Regierung ausweiche,
Preußen kann es nicht mehr vermeiden, in dem Kampfe der Freiheit gegell den
Absolutismus auf die Seite der liberalen Partei, Englands, Sardiniens, der
Hessen, der Holsteiuer und aller übrigen deutschell Völker zu treten.

Was wir Deutsche daher zu fürchten haben, ist nicht ein Krieg Preußens
gegen die Koalition der Despoten, so groß, so ungeheuer auch das Unglück eines
solchen Krieges auf dem Einzelnen lasten würde, aber was wir sehr zu fürchten
haben, ist ein schwächliches, halbes und resultatloses Mauövriren zwischeu der
preußischen Politik, wie sie jetzt ist, lind den Intriguen der Liga; und was wir
am meisten fürchten müssen, ist ein ehrloses Nachgeben Preußens gegen die über¬
müthigen Forderungen, welche von allen Seiten seine Ehre zu beschädigen, sein
Ansehn zu vernichten droht. —> Möge Preußen seiue Ehre wahren! —

Wir bestreben uns, in der letzten Erklärung des preußischen Ministers
v. Nadowitz an die kaiserlich östreichische Regierung Etwas von dem Stahl zu
finden, welchen Preußen jetzt in seinen Worten und Thaten braucht: In Folge
der Natiftcation des dänischen Friedens durch die einzelnen Staaten sei jetzt der
im Friedensschluß vorhergeseheue Fall eingetreten, daß die Bundesstaaten in der
Schleswig-holsteinscheil Angelegenheit eiuell Beschluß fassen müßten: Prenßxn zweifle
nicht, daß Dänemark, das ja bereits einen Gesandten in Frankfurt habe, sich
deshalb seiner Verpflichtung uach an deu Bund wenden werde: Preußen
werde aber die Beschlüsse einer Frankfurter Koalition, welche sich ohne jeden
rechtlichen Grund als Bundesversammlung gerire, als nicht berechtigt an¬
sehen, und eine etwaige Intervention in Holstein als easus dvlli und deu
Anfang eines europäischen Krieges betrachten; es schlage wiederholt freie Kon¬
ferenzen aller deutscheu Staaten etwa in Hamburg vor. — Wohl steht die preu¬
ßische Regierung in dieser Antwort fest ans ihrem Wort und Recht, aber die
Verwicklungen der Staaten sind unterdeß weiter gegangen. — Von Warschau und
der Stimmung des Czaren hängt jetzt die nächste Wendung ab, welche die deutsche
Sache nehmen wird, und gespannt warten die Regierungen, finster und mi߬
trauisch die Völker auf die Sprache des Nachbars. So weit ist es gekommen.

Möge Preußen unter allen Umständen seine Ehre wahren!




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/240>, abgerufen am 26.07.2024.