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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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Die Annäherung an die römische Kirche bestand nun in der Hauptsache darin,
daß die griechischen Gemeinden den Papst und die Lehre von: Fegefeuer und von
der Gewalt der Messen anerkannten, im übrigen behielten sie die Satzungen der
griechischen Kirche bei, z. B. die Priesterehe, den Gebrauch der Laudes- und
griechischen Sprache bei dem Gottesdienst, das Abendmahl in beiderlei Gestalt und
die griechische Form der Fasten.

Hauptsache war die Anerkennung des Papstes, und dies genügte der pol¬
nischen Regierung völlig; das ist es aber gerade, was die gegemvärtige russische
Regierung gegen die uuirte Kirche aufregt, und da die Regierung diese Conces¬
sionen als aufgedrungene betrachtet, so glaubt sie, ihr dieselben unnachsichtlich wieder
abbringen zu dürfen.

Aus Grund solcher Annahme mußte natürlich die uuirte Kirche im russischen
Reiche ungleich rohere Augriffe zu ertragen haben, als die römisch-katholische in
Polen und die protestantische in deu Ostseeprovinzen. In Lithauen hatte man
die Operationen schon in den zwanziger Jahren begonnen, jedoch mit einiger Vor¬
sicht wegen der Stimmung des Königreich Polens, welches jeden auf das nahe¬
verwandte Lithauen ausgeübten Druck mitfühlte. Nachdem aber die polnische
Revolution von 1830 und 1831 unterdrückt und die staatliche Organisation in
den aufftäudischeu Ländern wieder hergestellt war, begann man die Unternehmungen
gegen die uuirte Kirche auf's neue. Doch verfuhr mau gegen die uuirten Ge¬
meinden wenigstens in größern Städten nicht ohne Verzicht auf Vorwendung
irgend eiues Scheins vou Recht. Bei sehr isolirten Landgemeinden glaubte man
anch auf diesen Schein verzichten zu dürfen.

Es war drei Jahre vor dem bekannten Kampfe der Negierung gegen die
unirten Bischöfe im Königreich Polen, als im südlichen Lithauen an die Popen
der uuirtcu Landkirche in Lithauen bereits zweimal Aufforderungen erlassen worden
waren, schriftlich den Irrthümern zu entsagen, welche im Verlaufe früherer Jahr¬
hunderte durch die polnische Regierung in den Gottesdienst ihrer Gemeinden ein¬
gedrängt worden seien. Die erste dieser Aufforderungen war ohne Erfolg geblieben.
Die zweite, welche einige Monate später stattfand, war schon so drohender und
ernster Art, daß mehrere Popen sich dein Willen des Guberniums nicht zu wider¬
setzen wagten. Sie erklärten sich bereit, für ihre Person in die orthodoxe Kirche
zurückzukehren, wenn man ihnen die Gnade erweisen wolle, sie zu versetzen. An¬
dere suchten durch Vorschläge zu einer Nückannähernng an die orthodoxe Kirche
der Gefahr zu entgehen. Noch andere aber erklärten unverhohlen, daß auch die
geringste Veränderung ihrer Glaubenssätze vor ihrem Gewissen nicht bestehen könne.
Am entschiedenste!: bewiesen sich zwei Popen von sehr alleinstehenden unirten Ge¬
meinden am Dniepr, deren Namen wir durch die Buchstaben O. und B. verbergen
wollen. Beide, nahe mit einander verwandt und in stetem persönlichen Verkehr,
ermuthigter sich gegenseitig zum Widerstande und suchten ihren Einfluß zu erhöhen,


Die Annäherung an die römische Kirche bestand nun in der Hauptsache darin,
daß die griechischen Gemeinden den Papst und die Lehre von: Fegefeuer und von
der Gewalt der Messen anerkannten, im übrigen behielten sie die Satzungen der
griechischen Kirche bei, z. B. die Priesterehe, den Gebrauch der Laudes- und
griechischen Sprache bei dem Gottesdienst, das Abendmahl in beiderlei Gestalt und
die griechische Form der Fasten.

Hauptsache war die Anerkennung des Papstes, und dies genügte der pol¬
nischen Regierung völlig; das ist es aber gerade, was die gegemvärtige russische
Regierung gegen die uuirte Kirche aufregt, und da die Regierung diese Conces¬
sionen als aufgedrungene betrachtet, so glaubt sie, ihr dieselben unnachsichtlich wieder
abbringen zu dürfen.

Aus Grund solcher Annahme mußte natürlich die uuirte Kirche im russischen
Reiche ungleich rohere Augriffe zu ertragen haben, als die römisch-katholische in
Polen und die protestantische in deu Ostseeprovinzen. In Lithauen hatte man
die Operationen schon in den zwanziger Jahren begonnen, jedoch mit einiger Vor¬
sicht wegen der Stimmung des Königreich Polens, welches jeden auf das nahe¬
verwandte Lithauen ausgeübten Druck mitfühlte. Nachdem aber die polnische
Revolution von 1830 und 1831 unterdrückt und die staatliche Organisation in
den aufftäudischeu Ländern wieder hergestellt war, begann man die Unternehmungen
gegen die uuirte Kirche auf's neue. Doch verfuhr mau gegen die uuirten Ge¬
meinden wenigstens in größern Städten nicht ohne Verzicht auf Vorwendung
irgend eiues Scheins vou Recht. Bei sehr isolirten Landgemeinden glaubte man
anch auf diesen Schein verzichten zu dürfen.

Es war drei Jahre vor dem bekannten Kampfe der Negierung gegen die
unirten Bischöfe im Königreich Polen, als im südlichen Lithauen an die Popen
der uuirtcu Landkirche in Lithauen bereits zweimal Aufforderungen erlassen worden
waren, schriftlich den Irrthümern zu entsagen, welche im Verlaufe früherer Jahr¬
hunderte durch die polnische Regierung in den Gottesdienst ihrer Gemeinden ein¬
gedrängt worden seien. Die erste dieser Aufforderungen war ohne Erfolg geblieben.
Die zweite, welche einige Monate später stattfand, war schon so drohender und
ernster Art, daß mehrere Popen sich dein Willen des Guberniums nicht zu wider¬
setzen wagten. Sie erklärten sich bereit, für ihre Person in die orthodoxe Kirche
zurückzukehren, wenn man ihnen die Gnade erweisen wolle, sie zu versetzen. An¬
dere suchten durch Vorschläge zu einer Nückannähernng an die orthodoxe Kirche
der Gefahr zu entgehen. Noch andere aber erklärten unverhohlen, daß auch die
geringste Veränderung ihrer Glaubenssätze vor ihrem Gewissen nicht bestehen könne.
Am entschiedenste!: bewiesen sich zwei Popen von sehr alleinstehenden unirten Ge¬
meinden am Dniepr, deren Namen wir durch die Buchstaben O. und B. verbergen
wollen. Beide, nahe mit einander verwandt und in stetem persönlichen Verkehr,
ermuthigter sich gegenseitig zum Widerstande und suchten ihren Einfluß zu erhöhen,


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[0174] Die Annäherung an die römische Kirche bestand nun in der Hauptsache darin, daß die griechischen Gemeinden den Papst und die Lehre von: Fegefeuer und von der Gewalt der Messen anerkannten, im übrigen behielten sie die Satzungen der griechischen Kirche bei, z. B. die Priesterehe, den Gebrauch der Laudes- und griechischen Sprache bei dem Gottesdienst, das Abendmahl in beiderlei Gestalt und die griechische Form der Fasten. Hauptsache war die Anerkennung des Papstes, und dies genügte der pol¬ nischen Regierung völlig; das ist es aber gerade, was die gegemvärtige russische Regierung gegen die uuirte Kirche aufregt, und da die Regierung diese Conces¬ sionen als aufgedrungene betrachtet, so glaubt sie, ihr dieselben unnachsichtlich wieder abbringen zu dürfen. Aus Grund solcher Annahme mußte natürlich die uuirte Kirche im russischen Reiche ungleich rohere Augriffe zu ertragen haben, als die römisch-katholische in Polen und die protestantische in deu Ostseeprovinzen. In Lithauen hatte man die Operationen schon in den zwanziger Jahren begonnen, jedoch mit einiger Vor¬ sicht wegen der Stimmung des Königreich Polens, welches jeden auf das nahe¬ verwandte Lithauen ausgeübten Druck mitfühlte. Nachdem aber die polnische Revolution von 1830 und 1831 unterdrückt und die staatliche Organisation in den aufftäudischeu Ländern wieder hergestellt war, begann man die Unternehmungen gegen die uuirte Kirche auf's neue. Doch verfuhr mau gegen die uuirten Ge¬ meinden wenigstens in größern Städten nicht ohne Verzicht auf Vorwendung irgend eiues Scheins vou Recht. Bei sehr isolirten Landgemeinden glaubte man anch auf diesen Schein verzichten zu dürfen. Es war drei Jahre vor dem bekannten Kampfe der Negierung gegen die unirten Bischöfe im Königreich Polen, als im südlichen Lithauen an die Popen der uuirtcu Landkirche in Lithauen bereits zweimal Aufforderungen erlassen worden waren, schriftlich den Irrthümern zu entsagen, welche im Verlaufe früherer Jahr¬ hunderte durch die polnische Regierung in den Gottesdienst ihrer Gemeinden ein¬ gedrängt worden seien. Die erste dieser Aufforderungen war ohne Erfolg geblieben. Die zweite, welche einige Monate später stattfand, war schon so drohender und ernster Art, daß mehrere Popen sich dein Willen des Guberniums nicht zu wider¬ setzen wagten. Sie erklärten sich bereit, für ihre Person in die orthodoxe Kirche zurückzukehren, wenn man ihnen die Gnade erweisen wolle, sie zu versetzen. An¬ dere suchten durch Vorschläge zu einer Nückannähernng an die orthodoxe Kirche der Gefahr zu entgehen. Noch andere aber erklärten unverhohlen, daß auch die geringste Veränderung ihrer Glaubenssätze vor ihrem Gewissen nicht bestehen könne. Am entschiedenste!: bewiesen sich zwei Popen von sehr alleinstehenden unirten Ge¬ meinden am Dniepr, deren Namen wir durch die Buchstaben O. und B. verbergen wollen. Beide, nahe mit einander verwandt und in stetem persönlichen Verkehr, ermuthigter sich gegenseitig zum Widerstande und suchten ihren Einfluß zu erhöhen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/174>, abgerufen am 22.07.2024.