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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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sellschaft oder öffentliches Ministerium, ohne Ermächtigung von Seiten des Staats¬
rathes gerichtlich verfolgt werden, und der Staatsrath selbst war bis auf die
neuesten Zeiten in völliger Abhängigkeit von der Negierung. Die Richter bei
den Gerichtshöfen allein sind unabsetzbar, und sogar auf diese übt, Dank sei es
den höhern oder niedern Stufen in der Bezahlung der Richter, die Regierung
fast allgemein einen großen Einfluß durch die Hoffnung auf die Bewilligung eiuer
bessern Stelle aus.

Die Gemeinderäthe können nicht den geringsten Beschluß fassen, die Ver-
waltungsbeamten der Gemeinden nicht die geringste Arbeit ausführen ohne die
vorgängige Ermächtigung des Münsters oder Präfecten, sie haben nicht einmal
das Recke, die vorzüglichsten vou der Gemeinde bezahlten Agenten und Beamten
zu wählen, nud it:n einen namhaften Theil der Gemeindegüter, ihrer Waldungen,
haben die Maires uicht einmal das Recht sich zu kümmern, da eiuer ganz Frank¬
reich umfassenden Behörde ihre Verwaltung allein zufällt. Die Angelegenheiten
der Departements, die mit 'dem Gelde eines jeden Departements ausgeführten
Arbeiten, werden durch die Präfecten allein besorgt; die Departementsräthe haben
nnr einmal im Jahre ihre Meinung zu sagen, und die Präfecten sind unbedingt
abhängig vom Minister. Ein einziger Hof, der in Paris seinen Sitz hat, stellt
die Rechnungen aller Einnahmen und Ausgaben, uicht nur des Staates, soudern
auch der Departements und Gemeinden fest. Die Streitigkeiten in der Ver¬
waltung von ganz Frankreich gehören vor den in Paris residirenden Staatsrath.
Man kann nicht ein Hüttenwerk, nicht einen Schlagbaum anlegen, nicht ein Berg¬
werk ausbeuten, oder eine Schlachthaus-Ordnung machen, nicht den Verkauf und
die Vertheilnng des Brunnen- und Flußwassers, oder die Baurichtuugsliuien
regeln, nicht Sümpfe austrocknen, nicht anonyme Gesellschaften, Assecuranzen und
Leibrenten unternehmen, nicht öffentlichen Anstalten eine Schenkung machen, ohne
daß der Staatsrath seine Meinung, die Regierung ihre Entscheidung darüber
ausspreche.

um diese Centralisation möglich zu macheu, haben alle Beamten nach beson ¬
dern Zweigen eingetheilt werdeu müssen, in denen jeder eine einzige Arbeit und
nie eine andere thut. Man ist sein ganzes Leben lang Mitglied einer Verwal¬
tungsbehörde, z. B. der directen Steuern, der Post, der Registratur, der indi-
recten Steuern, der Forsten, Grenzzölle, des Tabaksverkaufs. Jeder, in seinen
engen Kreis eingepfercht, tritt nicht ans demselben heraus; das Princip der
Theiluug der Arbeit ist auf die Ausbeutung Frankreichs im Großen angewendet,
und dieses Princip bringt sein gewohntes Ergebniß hervor, jeder wird eines der
Getriebe dieser Maschine.

Diese Beamten, welche fast immer sehr jung angefangen haben, das zu
thun, was sie immer thun werdeu, siud Leute, welche die Meuscheu und Dinge
nnr ans einem einzigen Gesichtspunkte ausehen, deren Ideen endlich die Gestalt


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sellschaft oder öffentliches Ministerium, ohne Ermächtigung von Seiten des Staats¬
rathes gerichtlich verfolgt werden, und der Staatsrath selbst war bis auf die
neuesten Zeiten in völliger Abhängigkeit von der Negierung. Die Richter bei
den Gerichtshöfen allein sind unabsetzbar, und sogar auf diese übt, Dank sei es
den höhern oder niedern Stufen in der Bezahlung der Richter, die Regierung
fast allgemein einen großen Einfluß durch die Hoffnung auf die Bewilligung eiuer
bessern Stelle aus.

Die Gemeinderäthe können nicht den geringsten Beschluß fassen, die Ver-
waltungsbeamten der Gemeinden nicht die geringste Arbeit ausführen ohne die
vorgängige Ermächtigung des Münsters oder Präfecten, sie haben nicht einmal
das Recke, die vorzüglichsten vou der Gemeinde bezahlten Agenten und Beamten
zu wählen, nud it:n einen namhaften Theil der Gemeindegüter, ihrer Waldungen,
haben die Maires uicht einmal das Recht sich zu kümmern, da eiuer ganz Frank¬
reich umfassenden Behörde ihre Verwaltung allein zufällt. Die Angelegenheiten
der Departements, die mit 'dem Gelde eines jeden Departements ausgeführten
Arbeiten, werden durch die Präfecten allein besorgt; die Departementsräthe haben
nnr einmal im Jahre ihre Meinung zu sagen, und die Präfecten sind unbedingt
abhängig vom Minister. Ein einziger Hof, der in Paris seinen Sitz hat, stellt
die Rechnungen aller Einnahmen und Ausgaben, uicht nur des Staates, soudern
auch der Departements und Gemeinden fest. Die Streitigkeiten in der Ver¬
waltung von ganz Frankreich gehören vor den in Paris residirenden Staatsrath.
Man kann nicht ein Hüttenwerk, nicht einen Schlagbaum anlegen, nicht ein Berg¬
werk ausbeuten, oder eine Schlachthaus-Ordnung machen, nicht den Verkauf und
die Vertheilnng des Brunnen- und Flußwassers, oder die Baurichtuugsliuien
regeln, nicht Sümpfe austrocknen, nicht anonyme Gesellschaften, Assecuranzen und
Leibrenten unternehmen, nicht öffentlichen Anstalten eine Schenkung machen, ohne
daß der Staatsrath seine Meinung, die Regierung ihre Entscheidung darüber
ausspreche.

um diese Centralisation möglich zu macheu, haben alle Beamten nach beson ¬
dern Zweigen eingetheilt werdeu müssen, in denen jeder eine einzige Arbeit und
nie eine andere thut. Man ist sein ganzes Leben lang Mitglied einer Verwal¬
tungsbehörde, z. B. der directen Steuern, der Post, der Registratur, der indi-
recten Steuern, der Forsten, Grenzzölle, des Tabaksverkaufs. Jeder, in seinen
engen Kreis eingepfercht, tritt nicht ans demselben heraus; das Princip der
Theiluug der Arbeit ist auf die Ausbeutung Frankreichs im Großen angewendet,
und dieses Princip bringt sein gewohntes Ergebniß hervor, jeder wird eines der
Getriebe dieser Maschine.

Diese Beamten, welche fast immer sehr jung angefangen haben, das zu
thun, was sie immer thun werdeu, siud Leute, welche die Meuscheu und Dinge
nnr ans einem einzigen Gesichtspunkte ausehen, deren Ideen endlich die Gestalt


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[0139] sellschaft oder öffentliches Ministerium, ohne Ermächtigung von Seiten des Staats¬ rathes gerichtlich verfolgt werden, und der Staatsrath selbst war bis auf die neuesten Zeiten in völliger Abhängigkeit von der Negierung. Die Richter bei den Gerichtshöfen allein sind unabsetzbar, und sogar auf diese übt, Dank sei es den höhern oder niedern Stufen in der Bezahlung der Richter, die Regierung fast allgemein einen großen Einfluß durch die Hoffnung auf die Bewilligung eiuer bessern Stelle aus. Die Gemeinderäthe können nicht den geringsten Beschluß fassen, die Ver- waltungsbeamten der Gemeinden nicht die geringste Arbeit ausführen ohne die vorgängige Ermächtigung des Münsters oder Präfecten, sie haben nicht einmal das Recke, die vorzüglichsten vou der Gemeinde bezahlten Agenten und Beamten zu wählen, nud it:n einen namhaften Theil der Gemeindegüter, ihrer Waldungen, haben die Maires uicht einmal das Recht sich zu kümmern, da eiuer ganz Frank¬ reich umfassenden Behörde ihre Verwaltung allein zufällt. Die Angelegenheiten der Departements, die mit 'dem Gelde eines jeden Departements ausgeführten Arbeiten, werden durch die Präfecten allein besorgt; die Departementsräthe haben nnr einmal im Jahre ihre Meinung zu sagen, und die Präfecten sind unbedingt abhängig vom Minister. Ein einziger Hof, der in Paris seinen Sitz hat, stellt die Rechnungen aller Einnahmen und Ausgaben, uicht nur des Staates, soudern auch der Departements und Gemeinden fest. Die Streitigkeiten in der Ver¬ waltung von ganz Frankreich gehören vor den in Paris residirenden Staatsrath. Man kann nicht ein Hüttenwerk, nicht einen Schlagbaum anlegen, nicht ein Berg¬ werk ausbeuten, oder eine Schlachthaus-Ordnung machen, nicht den Verkauf und die Vertheilnng des Brunnen- und Flußwassers, oder die Baurichtuugsliuien regeln, nicht Sümpfe austrocknen, nicht anonyme Gesellschaften, Assecuranzen und Leibrenten unternehmen, nicht öffentlichen Anstalten eine Schenkung machen, ohne daß der Staatsrath seine Meinung, die Regierung ihre Entscheidung darüber ausspreche. um diese Centralisation möglich zu macheu, haben alle Beamten nach beson ¬ dern Zweigen eingetheilt werdeu müssen, in denen jeder eine einzige Arbeit und nie eine andere thut. Man ist sein ganzes Leben lang Mitglied einer Verwal¬ tungsbehörde, z. B. der directen Steuern, der Post, der Registratur, der indi- recten Steuern, der Forsten, Grenzzölle, des Tabaksverkaufs. Jeder, in seinen engen Kreis eingepfercht, tritt nicht ans demselben heraus; das Princip der Theiluug der Arbeit ist auf die Ausbeutung Frankreichs im Großen angewendet, und dieses Princip bringt sein gewohntes Ergebniß hervor, jeder wird eines der Getriebe dieser Maschine. Diese Beamten, welche fast immer sehr jung angefangen haben, das zu thun, was sie immer thun werdeu, siud Leute, welche die Meuscheu und Dinge nnr ans einem einzigen Gesichtspunkte ausehen, deren Ideen endlich die Gestalt 82*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/139>, abgerufen am 25.08.2024.