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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.

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auf ihren Rastplätzen im Walde besuchten und die Häuptlinge bisweilen Stunden
lang in ihren Zimmern behielten. Daß man darunter einen andern Grund als
deu bloßen Wohlgefallen an der widerlichen Menschensorte zu vermuthen berechtigt
ist, darf wohl kaum bestritten werdeu. Allem es muß zweifelhaft erscheinen, daß
wirkliche Zigeuner Geschick, Geisteskraft und Bildung genug besitzen, sich in
politischen Operationen verwenden zu lassen.

Zudem aber sind die echten Zigeuner von den falschen nicht leicht zu unter¬
scheiden. Die falschen sind nichts als gewöhnliche Spione, die in Zigeunergestalt
durch's Land geschickt werden und deren Anzahl wohl zu manchen Zeiten ziemlich
stark sein mag.




Die Centralisation.

Der Verfall Frankreichs von M. Raudot, Mitglied der gesetzgebenden Ver¬
sammlung. Uebersetzt von C. van Daten. 1850. Erfurt, Villaret.

Das vorstehende Büchlein, welches in gewisser Art. obgleich es viel besser
ist, einen Pendant zu Ledru Nollin's "Verfall Englands" bildet, und alle die
Fehler hat, die von einem ans einen bestimmten Zweck hinarbeitenden historischen
Pamphlet unzertrennlich sind, enthält über die Nachtheile der Centralisation "Be¬
merkungen, die so tief in das Wesen der Sache eingehen, daß wir uns nicht
enthalten können, sie im Auszuge mitzutheilen, um ihnen die unsrigen, von dem
entgegengesetzten Gesichtspunkte ausgehenden, entgegen zu stellen.--

"Die Centralisation der Armee, der Marine, der Staats-Finanzen, der
Beziehungen mit den auswärtigen Mächten, kurz die Centralisation der Regierung,
welche die Kräfte des Staates vereinigt und die Größe Frankreichs sichert, kann
unter verständigen Männern nur Anhänger finden, aber die Centralisation aller
Angelegenheiten der Provinzen und Gemeinden, aller Interessen, aller Lebens¬
richtungen, aller Ideen, die Centralisation des ganzen Ruhmes, des ganzen
Lebens eines großen Volkes in seiner Hauptstadt, das ist eine der Hauptursachen
des Verfalles Frankreichs.

Die französische Regierung hatte bis auf die neueste Zeit das Recht, fast alle
öffentlichen Beamten in ganz Frankreich zu ernennen; die Zahl derselben ist un-
geheuer. Da die Negierung selbst im Verwaltungswege alle directen und in-
directen Steuern erhebt, so hat sie die Existenz einer unzähligen Menge vou
Personen in der Hand, und ihr Einfluß erstreckt sich auf eine noch größere Menge
von Amtsbewerbern. Fast alle diese Beamten stehen in unbedingter Abhängigkeit
von der Negierung. Sie können für Vergehen, deren sie sich bei Ausübung
ihres Amtes schuldig macheu, vou Niemanden, sei es Bürger, Gemeinde, Ge-


auf ihren Rastplätzen im Walde besuchten und die Häuptlinge bisweilen Stunden
lang in ihren Zimmern behielten. Daß man darunter einen andern Grund als
deu bloßen Wohlgefallen an der widerlichen Menschensorte zu vermuthen berechtigt
ist, darf wohl kaum bestritten werdeu. Allem es muß zweifelhaft erscheinen, daß
wirkliche Zigeuner Geschick, Geisteskraft und Bildung genug besitzen, sich in
politischen Operationen verwenden zu lassen.

Zudem aber sind die echten Zigeuner von den falschen nicht leicht zu unter¬
scheiden. Die falschen sind nichts als gewöhnliche Spione, die in Zigeunergestalt
durch's Land geschickt werden und deren Anzahl wohl zu manchen Zeiten ziemlich
stark sein mag.




Die Centralisation.

Der Verfall Frankreichs von M. Raudot, Mitglied der gesetzgebenden Ver¬
sammlung. Uebersetzt von C. van Daten. 1850. Erfurt, Villaret.

Das vorstehende Büchlein, welches in gewisser Art. obgleich es viel besser
ist, einen Pendant zu Ledru Nollin's „Verfall Englands" bildet, und alle die
Fehler hat, die von einem ans einen bestimmten Zweck hinarbeitenden historischen
Pamphlet unzertrennlich sind, enthält über die Nachtheile der Centralisation »Be¬
merkungen, die so tief in das Wesen der Sache eingehen, daß wir uns nicht
enthalten können, sie im Auszuge mitzutheilen, um ihnen die unsrigen, von dem
entgegengesetzten Gesichtspunkte ausgehenden, entgegen zu stellen.—

„Die Centralisation der Armee, der Marine, der Staats-Finanzen, der
Beziehungen mit den auswärtigen Mächten, kurz die Centralisation der Regierung,
welche die Kräfte des Staates vereinigt und die Größe Frankreichs sichert, kann
unter verständigen Männern nur Anhänger finden, aber die Centralisation aller
Angelegenheiten der Provinzen und Gemeinden, aller Interessen, aller Lebens¬
richtungen, aller Ideen, die Centralisation des ganzen Ruhmes, des ganzen
Lebens eines großen Volkes in seiner Hauptstadt, das ist eine der Hauptursachen
des Verfalles Frankreichs.

Die französische Regierung hatte bis auf die neueste Zeit das Recht, fast alle
öffentlichen Beamten in ganz Frankreich zu ernennen; die Zahl derselben ist un-
geheuer. Da die Negierung selbst im Verwaltungswege alle directen und in-
directen Steuern erhebt, so hat sie die Existenz einer unzähligen Menge vou
Personen in der Hand, und ihr Einfluß erstreckt sich auf eine noch größere Menge
von Amtsbewerbern. Fast alle diese Beamten stehen in unbedingter Abhängigkeit
von der Negierung. Sie können für Vergehen, deren sie sich bei Ausübung
ihres Amtes schuldig macheu, vou Niemanden, sei es Bürger, Gemeinde, Ge-


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[0138] auf ihren Rastplätzen im Walde besuchten und die Häuptlinge bisweilen Stunden lang in ihren Zimmern behielten. Daß man darunter einen andern Grund als deu bloßen Wohlgefallen an der widerlichen Menschensorte zu vermuthen berechtigt ist, darf wohl kaum bestritten werdeu. Allem es muß zweifelhaft erscheinen, daß wirkliche Zigeuner Geschick, Geisteskraft und Bildung genug besitzen, sich in politischen Operationen verwenden zu lassen. Zudem aber sind die echten Zigeuner von den falschen nicht leicht zu unter¬ scheiden. Die falschen sind nichts als gewöhnliche Spione, die in Zigeunergestalt durch's Land geschickt werden und deren Anzahl wohl zu manchen Zeiten ziemlich stark sein mag. Die Centralisation. Der Verfall Frankreichs von M. Raudot, Mitglied der gesetzgebenden Ver¬ sammlung. Uebersetzt von C. van Daten. 1850. Erfurt, Villaret. Das vorstehende Büchlein, welches in gewisser Art. obgleich es viel besser ist, einen Pendant zu Ledru Nollin's „Verfall Englands" bildet, und alle die Fehler hat, die von einem ans einen bestimmten Zweck hinarbeitenden historischen Pamphlet unzertrennlich sind, enthält über die Nachtheile der Centralisation »Be¬ merkungen, die so tief in das Wesen der Sache eingehen, daß wir uns nicht enthalten können, sie im Auszuge mitzutheilen, um ihnen die unsrigen, von dem entgegengesetzten Gesichtspunkte ausgehenden, entgegen zu stellen.— „Die Centralisation der Armee, der Marine, der Staats-Finanzen, der Beziehungen mit den auswärtigen Mächten, kurz die Centralisation der Regierung, welche die Kräfte des Staates vereinigt und die Größe Frankreichs sichert, kann unter verständigen Männern nur Anhänger finden, aber die Centralisation aller Angelegenheiten der Provinzen und Gemeinden, aller Interessen, aller Lebens¬ richtungen, aller Ideen, die Centralisation des ganzen Ruhmes, des ganzen Lebens eines großen Volkes in seiner Hauptstadt, das ist eine der Hauptursachen des Verfalles Frankreichs. Die französische Regierung hatte bis auf die neueste Zeit das Recht, fast alle öffentlichen Beamten in ganz Frankreich zu ernennen; die Zahl derselben ist un- geheuer. Da die Negierung selbst im Verwaltungswege alle directen und in- directen Steuern erhebt, so hat sie die Existenz einer unzähligen Menge vou Personen in der Hand, und ihr Einfluß erstreckt sich auf eine noch größere Menge von Amtsbewerbern. Fast alle diese Beamten stehen in unbedingter Abhängigkeit von der Negierung. Sie können für Vergehen, deren sie sich bei Ausübung ihres Amtes schuldig macheu, vou Niemanden, sei es Bürger, Gemeinde, Ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_92288/138>, abgerufen am 02.10.2024.