Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. II. Band.brenner und andere Waldbewohner, die stets mit den Zigeunern Freundschaft Ungern verlassen sie die Waldwege in der Nähe großer Städte. Dagegen Aber die Verbrechen der Zigeuner sind oft viel bedeuteuder. Wo sie eine Es ist kaum zu begreifen,' daß die rassische Regierung diesen Nomaden seit Grenzboten. IV. 1850. 82
brenner und andere Waldbewohner, die stets mit den Zigeunern Freundschaft Ungern verlassen sie die Waldwege in der Nähe großer Städte. Dagegen Aber die Verbrechen der Zigeuner sind oft viel bedeuteuder. Wo sie eine Es ist kaum zu begreifen,' daß die rassische Regierung diesen Nomaden seit Grenzboten. IV. 1850. 82
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brenner und andere Waldbewohner, die stets mit den Zigeunern Freundschaft
halten, um ein Geringes verkauft.
Ungern verlassen sie die Waldwege in der Nähe großer Städte. Dagegen
sprechen sie gern in waldumgebenen Dörfern ein, in denen kein Edelmann wohnt.
Hier treiben die Frauen ihre Wahrsagerei und die Männer ihre scheinbare Thier-
arzueikuust. Schwangern Frauen wissen sich auch die Zigeunerinnen als Geburts¬
helferinnen durch sympathetische vorauswirteude Mittel werth zu mache«, so wie
denn auch die Zigeuner sich noch in mancher andern Gestalt darzustellen und
werth zu zeigen wissen. Ihre fremde Sprache, die trotz der ziemlich starken Ver¬
mischung mit polnischen Klängen und Wendungen den Bauern ganz unverständlich
ist, leistet thuen bei ihren Gaunereien bedeutende Hilfe, indem sie denselben
beengenden zauberhaften Eindruck macht, wie das Latein in der Kirche, dessen
Mysterium deu Bauer stets mit dem Schauer eiuer unbegreiflichen und darum
desto unwiderstehlichem Glaubensgewalt erfüllt.
Aber die Verbrechen der Zigeuner sind oft viel bedeuteuder. Wo sie eine
Entdeckung nicht zu fürchten haben, und eine Beute — und bestände sie nur in
wenigen Groschen — macheu können, siud sie sogar zu Mordthaten und Naub-
anfällen bereit. Jedoch wagen sie sich damit nie an Personen, die in der Ge¬
gend heimisch sind. Auf der Gruudherrschaft eines Grafen Wodpicki habe ich
mehrere Male inmitten einer Zigeunerhorde Tage lang ohne die mindeste Gefahr
verweilt. Im Gegentheil, die wilden Leute hatten mehr Furcht vor mir, als ich
vor ihnen. Einsam reisende Fremdlinge möchten freilich in dieser Gesellschaft
nicht so sicher sein. Vier durch Zigeuner verübte Mordthaten sind mir währeud
meines Aufenthalts in Polen bekannt geworden, und jede hatte eine weibliche
Person betroffen. Bloße Mnbereien an Reisenden kommen noch viel häufiger
vor. Die Verbrecher sind fast nie zu erwischen und die Aemter weigern sich
zum Theil geradezu, uur einen Versuch zur Verfolgung anzustellen. So wurde
ein Freund von mir, Namens Herzberg, unsern der kleinen Stadt Grvjec, seines
Reitpferdes und seiner ganzen Habe bis auf Stumpf und Hemde beraubt. Nach¬
dem ein Gastwirth der Stadt ihn mit .Kleidern versehen, eilte er in das Polizei¬
amt und verlangte die Verfolgung der Diebe. Allein man wies ihn mit den
Worten zurück: „Wer soll deun Zigeuner einfangen? Gott weiß, wo die jetzt
sind. Und erreichte mau auch die Baude, so werdeu sich doch sicherlich die
uicht darin befiudeu, welche die That verübt haben."
Es ist kaum zu begreifen,' daß die rassische Regierung diesen Nomaden seit
1831 wieder freien Eintritt und Spielraum in Polen gewährt, wo ohnehin schon
die Masse des Gesindels so groß ist. Vou vielen Seiten wird geglaubt, daß die
Zigeuner, wie auch vielfach die Juden, vou deu Behörden als politische Mittel
gebraucht werdeu. Und gewiß ist, daß einige Gnbernatoren, z. B. der vorletzte
in Kleine und Herr v. S. in Kalisch, viel mit Zigennerhorden verkehrten, sie
Grenzboten. IV. 1850. 82
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