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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Alles, was Du mir gethan. Gott, Gott! ich kann nicht mehr. Lebe wohl,
mein Leben, mein Alles! --


Dein bis in den Tod treuer Karl Leiningen.


Kleine Correspondenz und Notizen.
Ein Ministerdebut in Prag.

Vor wenigen Tagen hat der Justizminister Schmerling Prag besucht, um das
Oberlandesgericht und die Staatsprokuratur feierlich zu installiren, indem mit dem 1. Juli
die neuen Gerichsbehörden, das öffentliche Strafverfahren mit Schwurgerichten, in das
Leben treten sollen; ob neben diesem Leben auch der Ausnahmszustand in Prag fort¬
leben wird, ist ungewiß, obwohl gar nicht unwahrscheinlich, denn die Ausnahmszustände
haben in Oestreich ein noch zäheres Leben, als Frosche in den Donausümpfcn.

Im Grunde war die ganze Jnstallationscercmonie durchaus überflüssig, da auch
ohne dieselbe am 1. Juli alles seinen Gang hätte gehen können: ein vernünftiger Grund
für die Vornahme jenes pomphaften Aktes konnte also höchstens darin zu^finden sein,
daß der Minister durch sein öffentliches Auftreten sich und das von ihm geschaffene In¬
stitut populär zu machen wünschte.

War dies der Zweck des Ministers, so hat er ihn leider verfehlt, er hat ihn ver¬
fehlt aus purem Ungeschick. Eben weil unsere Herren in ihren provisorisch autokratischen
Kabinetcn vergessen, daß sie des Volkes wegen da sind; weil sie sich nicht mit Ver¬
tretern der Volkswahl, sondern mit leidigen Vertrauensmännern ihrer Wahl umgeben,
so verstoßen sie leicht gegen die Empfindungen des Volkes. Minister Schmerling hatte"
durch das rüstige Vorschreiten der Arbeiten in seiner Branche in Böhmen in der That
eine Art von Beliebtheit erworben, und die viel angefeindeten Slaven Prags sind kei¬
neswegs so oppositionell, um Minister Schmerling deshalb anzufeinden, weil er Reichs-
ministcr gewesen, oder weil er in jenen Septembertagen bedeutende Energie gegen die
rothe Demokratie entwickelte.

Da aber hat Schmerling durch einen kleinen unüberlegten Passus seiner Jnstal-
lationsrede eine unfreundliche, ja eine erbitterte Stimmung gegen sich heraufbeschworen.

Gefüllt war der große Saal in der Hofburg, an zwei Tausend Personen waren
anwesend, alles, was Beamter heißt, war erschienen, um die stattliche goldverbrämte
Uniform zur Schau zu tragen und durch den Goldpruuk einen angenehmen Kontrast
mit unserer Gold- und Silbernoth zu bilden. Ich fürchte, das unverhältnißmäßig hohe
Goldagio läßt sich mit aus dem übermäßigen Bedarfe von Goldborten und goldenen
Degenkuppeln der Beamten erklären, da jeder, auch der niedrigste, mit nur 40V Papier¬
gulden jährlich Besoldete, zur Goldkuppel verurtheilt ist. Warum hat man den Richter-
stand -- wenn nun einmal Kostüm nöthig war -- nicht wenigstens in die ehrwürdige


Alles, was Du mir gethan. Gott, Gott! ich kann nicht mehr. Lebe wohl,
mein Leben, mein Alles! —


Dein bis in den Tod treuer Karl Leiningen.


Kleine Correspondenz und Notizen.
Ein Ministerdebut in Prag.

Vor wenigen Tagen hat der Justizminister Schmerling Prag besucht, um das
Oberlandesgericht und die Staatsprokuratur feierlich zu installiren, indem mit dem 1. Juli
die neuen Gerichsbehörden, das öffentliche Strafverfahren mit Schwurgerichten, in das
Leben treten sollen; ob neben diesem Leben auch der Ausnahmszustand in Prag fort¬
leben wird, ist ungewiß, obwohl gar nicht unwahrscheinlich, denn die Ausnahmszustände
haben in Oestreich ein noch zäheres Leben, als Frosche in den Donausümpfcn.

Im Grunde war die ganze Jnstallationscercmonie durchaus überflüssig, da auch
ohne dieselbe am 1. Juli alles seinen Gang hätte gehen können: ein vernünftiger Grund
für die Vornahme jenes pomphaften Aktes konnte also höchstens darin zu^finden sein,
daß der Minister durch sein öffentliches Auftreten sich und das von ihm geschaffene In¬
stitut populär zu machen wünschte.

War dies der Zweck des Ministers, so hat er ihn leider verfehlt, er hat ihn ver¬
fehlt aus purem Ungeschick. Eben weil unsere Herren in ihren provisorisch autokratischen
Kabinetcn vergessen, daß sie des Volkes wegen da sind; weil sie sich nicht mit Ver¬
tretern der Volkswahl, sondern mit leidigen Vertrauensmännern ihrer Wahl umgeben,
so verstoßen sie leicht gegen die Empfindungen des Volkes. Minister Schmerling hatte«
durch das rüstige Vorschreiten der Arbeiten in seiner Branche in Böhmen in der That
eine Art von Beliebtheit erworben, und die viel angefeindeten Slaven Prags sind kei¬
neswegs so oppositionell, um Minister Schmerling deshalb anzufeinden, weil er Reichs-
ministcr gewesen, oder weil er in jenen Septembertagen bedeutende Energie gegen die
rothe Demokratie entwickelte.

Da aber hat Schmerling durch einen kleinen unüberlegten Passus seiner Jnstal-
lationsrede eine unfreundliche, ja eine erbitterte Stimmung gegen sich heraufbeschworen.

Gefüllt war der große Saal in der Hofburg, an zwei Tausend Personen waren
anwesend, alles, was Beamter heißt, war erschienen, um die stattliche goldverbrämte
Uniform zur Schau zu tragen und durch den Goldpruuk einen angenehmen Kontrast
mit unserer Gold- und Silbernoth zu bilden. Ich fürchte, das unverhältnißmäßig hohe
Goldagio läßt sich mit aus dem übermäßigen Bedarfe von Goldborten und goldenen
Degenkuppeln der Beamten erklären, da jeder, auch der niedrigste, mit nur 40V Papier¬
gulden jährlich Besoldete, zur Goldkuppel verurtheilt ist. Warum hat man den Richter-
stand — wenn nun einmal Kostüm nöthig war — nicht wenigstens in die ehrwürdige


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/80>, abgerufen am 27.07.2024.