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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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mußt den Kummer Jahre lang an Deine Brust drücken; aber dankbar werde ich
noch von jener Welt herüber blicken, wenn Dn unfern Kindern erhalten bleibest.
Erziehe sie in der Furcht des Herrn und mache brave und edle Menschen ans
ihnen. Wenn ich auch nicht über ihnen wachen kann, so mögen sie doch eine
Mutter haben, eine Mutter, die sie lehrt, das Andenken ihres unglücklichen
Vaters zu ehren. Könnte ick nur meine Hände segnend ans ihre Häupter legen,
könnte ich nur noch einmal Dein Auge sehen! -- Vielleicht aber ist es besser,
daß mir und Dir dieses letzte Begegnen erspart wird. -- Gottes Wille möge
geschehen! Leopold, der gute, edle Leopold, den mein böses Geschick nicht tref¬
fen wird, hat mir versprochen, wie ein Vater für Dich und Deine Kinder be¬
sorgt zu sein: er wird sein Versprechen lösen. In weltlichen Dingen habe ich
Dir nichts mitzutheilen. Dn wirst in dieser Beziehung wenigsteus keine Sorgen
haben; denn Dein Vermögen kann man nicht antasten. Doch eine Bitte habe
ich noch. Ich bitte Dich, die Verpflichtungen, die ich gegen Andere habe, zu
erfüllen, damit mein Name ehrlich dastehe. Die Schuld an Fritz und Viktor
kennst Du; dem General Damjanich schulde ich 1-40(1 si. C. M.; zahle diese
Schuld an seine künftige Wittwe, denn auch er stirbt morgen früh den Märtyrer¬
tod. Dann dem Major Albrecht ebenfalls 400 si.; wo er ist, weiß ich nicht,
er wird sich schon selbst melden. M. D. . . . schuldet mir noch 500 si. Die
Kaution bleibt Dir jedenfalls ungeschmälert; sie ist Dein Eigenthum. Meinen
Brüdern und meinen Angehörige" gebe ich meinen besten Segen. Ich bete für
ihr Glück. Mein Viktor? er ahnt vielleicht gar nicht, daß mein Leben in Ge¬
fahr ist; ihn wird der Schlag hart treffen; doch Gott, der die Wunden schlägt,
reicht uus auch Balsam und heilt sie wieder. Ja, meine Lisa, ich hoffe es, daß
auch Du einst, wenn auch schmerzlich, aber doch ergeben und voll Demuth, Dei¬
nem Schicksale ins Auge siehst; ich bete für Dich und meine Kinder, und man
sagt, die Gebete und der Segen eines Sterbenden hätten besondere Kraft. Dein
Herz wird bluten, ich weiß es, aber' das Bewußtsein Deiner Pflichten für die
Kinder wird Deinen Schmerz lindern, und mit der Zeit wirst Du ja an unserm
Hermann, der mir so ähnlich sieht, mein Ebenbild haben. -- Den Kleinen ist
der Schmerz noch erspart, und das ist gut. Sie werden ihren Vater nur durch
Deinen Mund keimen lernen, und wer könnte besser wie Du ihnen sagen, daß
ihr Vater, wenn auch menschliche Gesetze ihn verdammten, doch im Herzen ein
redlicher Mann war, der für seine Ueberzeugung starb. Die Zeit ist mir kurz
bemessen, die ich noch aus dieser Erde wandle; auch muß ich den Brief bald ab¬
geben; und doch wird mirs schwer, mich von diesem Blatte zu trennen; es sind
ja die letzten Worte, die ich Dir schreibe. Gott segne Dich und beschütze mein
theures Weib! Er verleihe Dir Stärke und Kraft, und mir schenke er seinen
ewigen Frieden! Meine theure, theure Lisa, meine Kinder lebt wohl! Bald
werde ich ausgerungen haben. Noch einmal Dank für Deine treue Liebe, für


mußt den Kummer Jahre lang an Deine Brust drücken; aber dankbar werde ich
noch von jener Welt herüber blicken, wenn Dn unfern Kindern erhalten bleibest.
Erziehe sie in der Furcht des Herrn und mache brave und edle Menschen ans
ihnen. Wenn ich auch nicht über ihnen wachen kann, so mögen sie doch eine
Mutter haben, eine Mutter, die sie lehrt, das Andenken ihres unglücklichen
Vaters zu ehren. Könnte ick nur meine Hände segnend ans ihre Häupter legen,
könnte ich nur noch einmal Dein Auge sehen! — Vielleicht aber ist es besser,
daß mir und Dir dieses letzte Begegnen erspart wird. — Gottes Wille möge
geschehen! Leopold, der gute, edle Leopold, den mein böses Geschick nicht tref¬
fen wird, hat mir versprochen, wie ein Vater für Dich und Deine Kinder be¬
sorgt zu sein: er wird sein Versprechen lösen. In weltlichen Dingen habe ich
Dir nichts mitzutheilen. Dn wirst in dieser Beziehung wenigsteus keine Sorgen
haben; denn Dein Vermögen kann man nicht antasten. Doch eine Bitte habe
ich noch. Ich bitte Dich, die Verpflichtungen, die ich gegen Andere habe, zu
erfüllen, damit mein Name ehrlich dastehe. Die Schuld an Fritz und Viktor
kennst Du; dem General Damjanich schulde ich 1-40(1 si. C. M.; zahle diese
Schuld an seine künftige Wittwe, denn auch er stirbt morgen früh den Märtyrer¬
tod. Dann dem Major Albrecht ebenfalls 400 si.; wo er ist, weiß ich nicht,
er wird sich schon selbst melden. M. D. . . . schuldet mir noch 500 si. Die
Kaution bleibt Dir jedenfalls ungeschmälert; sie ist Dein Eigenthum. Meinen
Brüdern und meinen Angehörige» gebe ich meinen besten Segen. Ich bete für
ihr Glück. Mein Viktor? er ahnt vielleicht gar nicht, daß mein Leben in Ge¬
fahr ist; ihn wird der Schlag hart treffen; doch Gott, der die Wunden schlägt,
reicht uus auch Balsam und heilt sie wieder. Ja, meine Lisa, ich hoffe es, daß
auch Du einst, wenn auch schmerzlich, aber doch ergeben und voll Demuth, Dei¬
nem Schicksale ins Auge siehst; ich bete für Dich und meine Kinder, und man
sagt, die Gebete und der Segen eines Sterbenden hätten besondere Kraft. Dein
Herz wird bluten, ich weiß es, aber' das Bewußtsein Deiner Pflichten für die
Kinder wird Deinen Schmerz lindern, und mit der Zeit wirst Du ja an unserm
Hermann, der mir so ähnlich sieht, mein Ebenbild haben. — Den Kleinen ist
der Schmerz noch erspart, und das ist gut. Sie werden ihren Vater nur durch
Deinen Mund keimen lernen, und wer könnte besser wie Du ihnen sagen, daß
ihr Vater, wenn auch menschliche Gesetze ihn verdammten, doch im Herzen ein
redlicher Mann war, der für seine Ueberzeugung starb. Die Zeit ist mir kurz
bemessen, die ich noch aus dieser Erde wandle; auch muß ich den Brief bald ab¬
geben; und doch wird mirs schwer, mich von diesem Blatte zu trennen; es sind
ja die letzten Worte, die ich Dir schreibe. Gott segne Dich und beschütze mein
theures Weib! Er verleihe Dir Stärke und Kraft, und mir schenke er seinen
ewigen Frieden! Meine theure, theure Lisa, meine Kinder lebt wohl! Bald
werde ich ausgerungen haben. Noch einmal Dank für Deine treue Liebe, für


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/79>, abgerufen am 27.07.2024.