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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Ich erwarte von ihrer Einsicht nud Vaterlandsliebe, daß sie nur Vorschläge machen
werden, um die Differenzen zu beseitigen. Ich werde auf keinen Fall
vorher einen Beschluß fassen. Sagen Sie nur, mau könne sprechen und
schreiben, so viel mau wolle; handeln aber solle man nicht, sonst würde ich blank
ziehen" (bei diesen Worten den Degen halb ans der Scheide ziehend und wieder
zurückstoßend) "ich riethe stille zu sein, weil mein Wunsch sei, daß die erfahrenen
Männer ehrlich und offen die Wahrheit sagen sollen."

So sprach der König an demselben Tage, da sich in den Herzogthümern
die Nendsbnrger Versammlung auch ihrerseits dafür entschied, loyal bei der
Sendung der erfahrenen Männer nach Kopenhagen zu beharren: "das ist unsrer
Seits versprochen und muß gehalten werden."

Die Nachrichten von der Nendsbnrger Versammlung kamen am Montag den
30. früh nach Kopenhagen, zugleich die Nachricht, daß am 22. die schleswig-
holsteinische Deputation eintreffen werde. Die Kunde verbreitete sich schnell, mit
immer wachsenden Uebertreibungen. Bereits um 1t Uhr war der Parolebefehl
da, daß eine Defenfionscommission, bestehend aus dem Obristlieutenaut Hause",
Commandenrcapitän Zahrtmann u. s. w. zu bilden, daß die kleine Festung Friedrichsort
bei Kiel sofort vollständig zu armireu sei und zwei Compagnien des -4. Bataillons
dahin abgehen sollten; -- als rechnete man schon nicht mehr ans die in den
Herzogthümern stehenden Truppen.

Für die Volksmeinung war mit jenen Nachrichten die Sache völlig abgemacht;
wie auch mochten sich die Provinzen unterstehen, eine Deputation zu senden.

Die Entscheidung sollte vor der Ankunft der Deputation er¬
folgt sein.

Die zum Mittwoch verabredete Casiuoversammlung wurde noch am Montage
auf denselben Abend angesetzt. Orla Lehmann lud dazu in gewohnter Weise ein:
"Das Vaterland ist in Gefahr! Die Herzogthümer sind in Aufruhr! Jeder wahre
Vaterlandsfreund wird aufgefordert, sich am Abend im Casino einzufinden."

Man mußte, da Holde präsidiren sollte, auf den Schluß eiuer Berathung der
Bürgcrrepräsentation in derselbe" Angelegenheit warten.

Endlich erschien Holde, wurde mit lautesten Jubel empfangen, berichtete,
daß die städtische Versammlung den Beschluß gefaßt habe, den König um Ent¬
lassung der Minister zu bitten.

Dann trat Orla Lehmann ans, schilderte die unerhörte Gefahr, in der mau
sich befände, bezog sich auf die in der Residenz verbreiteten Nachrichten, daß sich
in Rendsburg eine provisorische Regierung gebildet, daß man die Hanptcasse
genommen habe, daß das Bataillon Baudissin übergegangen sei, im Kampfe
innerhalb der Festung ein Hauptmann erschossen sei u. s. w.

Ihm entgegen trat, obwohl Schleswig-Hölsteiner, Francke, der den Phönix¬
club so eben inmitten völliger Rathlosigkeit und Auflösung verlassen hatte, mit


Ich erwarte von ihrer Einsicht nud Vaterlandsliebe, daß sie nur Vorschläge machen
werden, um die Differenzen zu beseitigen. Ich werde auf keinen Fall
vorher einen Beschluß fassen. Sagen Sie nur, mau könne sprechen und
schreiben, so viel mau wolle; handeln aber solle man nicht, sonst würde ich blank
ziehen" (bei diesen Worten den Degen halb ans der Scheide ziehend und wieder
zurückstoßend) „ich riethe stille zu sein, weil mein Wunsch sei, daß die erfahrenen
Männer ehrlich und offen die Wahrheit sagen sollen."

So sprach der König an demselben Tage, da sich in den Herzogthümern
die Nendsbnrger Versammlung auch ihrerseits dafür entschied, loyal bei der
Sendung der erfahrenen Männer nach Kopenhagen zu beharren: „das ist unsrer
Seits versprochen und muß gehalten werden."

Die Nachrichten von der Nendsbnrger Versammlung kamen am Montag den
30. früh nach Kopenhagen, zugleich die Nachricht, daß am 22. die schleswig-
holsteinische Deputation eintreffen werde. Die Kunde verbreitete sich schnell, mit
immer wachsenden Uebertreibungen. Bereits um 1t Uhr war der Parolebefehl
da, daß eine Defenfionscommission, bestehend aus dem Obristlieutenaut Hause»,
Commandenrcapitän Zahrtmann u. s. w. zu bilden, daß die kleine Festung Friedrichsort
bei Kiel sofort vollständig zu armireu sei und zwei Compagnien des -4. Bataillons
dahin abgehen sollten; — als rechnete man schon nicht mehr ans die in den
Herzogthümern stehenden Truppen.

Für die Volksmeinung war mit jenen Nachrichten die Sache völlig abgemacht;
wie auch mochten sich die Provinzen unterstehen, eine Deputation zu senden.

Die Entscheidung sollte vor der Ankunft der Deputation er¬
folgt sein.

Die zum Mittwoch verabredete Casiuoversammlung wurde noch am Montage
auf denselben Abend angesetzt. Orla Lehmann lud dazu in gewohnter Weise ein:
„Das Vaterland ist in Gefahr! Die Herzogthümer sind in Aufruhr! Jeder wahre
Vaterlandsfreund wird aufgefordert, sich am Abend im Casino einzufinden."

Man mußte, da Holde präsidiren sollte, auf den Schluß eiuer Berathung der
Bürgcrrepräsentation in derselbe» Angelegenheit warten.

Endlich erschien Holde, wurde mit lautesten Jubel empfangen, berichtete,
daß die städtische Versammlung den Beschluß gefaßt habe, den König um Ent¬
lassung der Minister zu bitten.

Dann trat Orla Lehmann ans, schilderte die unerhörte Gefahr, in der mau
sich befände, bezog sich auf die in der Residenz verbreiteten Nachrichten, daß sich
in Rendsburg eine provisorische Regierung gebildet, daß man die Hanptcasse
genommen habe, daß das Bataillon Baudissin übergegangen sei, im Kampfe
innerhalb der Festung ein Hauptmann erschossen sei u. s. w.

Ihm entgegen trat, obwohl Schleswig-Hölsteiner, Francke, der den Phönix¬
club so eben inmitten völliger Rathlosigkeit und Auflösung verlassen hatte, mit


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/63>, abgerufen am 01.09.2024.