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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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es um seine Meinung und seinen Willen zu fragen, abmachen wolle, ein Unrecht
sei." Man wollte ihm nicht einmal erlauben, den Protest vorzubringen, und als
ihm einer der Leitenden die Erlaubniß verschafft hatte, wurde er doch sogleich
wieder unterbrochen und durch die allgemeine Entrüstung (!) übertäubt.

Ein Protest im Namen des Rechts ward von dem Baron Dirckink-Holmfeld
beim Vorsitzende", Etatsrath Holde, eingegeben, dieser aber hielt es sür passend,
den Protest nicht mitzutheilen.

Folgenden Tages, am Sonntag den 12. März ward eine andere Versamm¬
lung im Hippodrom gehalten, wohl 20öl) Personen waren anwesend; sie alle
unterschrieben eine Adresse an den König um Erweiterung des Wahlrechts; nach
der Audienz beim König sollte die gewählte Deputation eine neue Versammlung
berufen, ein "permanentes Comitv" niedergesetzt werden. Auch hier plädirte
Orla Lehmann für die Eidergreuze.

Eine dritte Partei versuchte sich gleichfalls am 11. März zusammenzufinden.
Unter Etatsrath Bang, Grafen Spvnneck, Etatsrath Francke (Elftere Dänen),
bildete sich im Phönix ein Club mit dem ostensiblen Zweck, einen Anhaltepunkt
sür die erfahrenen Männer zu bilden; im Hintergründe lag die Absicht, die con-
servativen Elemente zu sammeln und die Verbindung zwischen den Dänen und
Deutschen ansteche zu erhalten; eine glänzende Gesellschaft, aber der Lage der
Sache, nach außer Stand irgend eine Einwirkung zu gewinnen.

Bereits am 13. las man an den Straßenecken eiuen Aufruf der Casiuo-
partei an alle patriotischen Dänen: "Dänemarks Existenz stehe auf dem Spiel, es
werde untergehen, wenn jetzt nicht Schleswigs Trennung von Holstein bewirkt
werde; zu dem Zwecke möge man mit Geldbeiträgen mitwirken." Schon wußte
man, daß in einigen Tagen große Versammlungen sein, auch viel Landvolk dazu
hereinkommen werde. Die Nachrichten von Wien und Berlin vollendeten die
Stimmung für alles Aeußerste.

Am 18. März, drei Tage vor der Katastrophe, empfing der König den kurz
vorher aus Holstein gekommenen Obergcrichtsrath Ekhard von Glückstadt in einer
Audienz, unmittelbar nach Orla Lehmann. Der König fragte: wie es in den
Herzogtümern aussehe? die Autwort war: ruhig, wenn aber durch eine Volks-
demoustration oder durch eine Maßregel der Regierung ein Schritt geschehe, um
Schleswig in Dänemark zu incorporircn, so werde die Folge ein allgemeiner
Allsstand sein. Auf die weitere Frage, was in solchem Falle wohl die Truppen
und die Beamten thun würden? antwortete Ekhard, daß sie nach seinem Dafür¬
halten sich mit wenigen Ausnahmen der Sache der Herzogthümer anschließen
würden; darauf der König: "mir sa'le dergleichen anch nicht ein; wenn Sie nach
den Herzogthümem kommen, so autorisire ich Sie in meinem Namen
zu erklären, daß ich von meinem Rescript vom 28. Januar nicht abgehen
werde, ich werde keinen Beschluß fassen, ehe die erfahrenen Männer hier sind.


es um seine Meinung und seinen Willen zu fragen, abmachen wolle, ein Unrecht
sei." Man wollte ihm nicht einmal erlauben, den Protest vorzubringen, und als
ihm einer der Leitenden die Erlaubniß verschafft hatte, wurde er doch sogleich
wieder unterbrochen und durch die allgemeine Entrüstung (!) übertäubt.

Ein Protest im Namen des Rechts ward von dem Baron Dirckink-Holmfeld
beim Vorsitzende», Etatsrath Holde, eingegeben, dieser aber hielt es sür passend,
den Protest nicht mitzutheilen.

Folgenden Tages, am Sonntag den 12. März ward eine andere Versamm¬
lung im Hippodrom gehalten, wohl 20öl) Personen waren anwesend; sie alle
unterschrieben eine Adresse an den König um Erweiterung des Wahlrechts; nach
der Audienz beim König sollte die gewählte Deputation eine neue Versammlung
berufen, ein „permanentes Comitv" niedergesetzt werden. Auch hier plädirte
Orla Lehmann für die Eidergreuze.

Eine dritte Partei versuchte sich gleichfalls am 11. März zusammenzufinden.
Unter Etatsrath Bang, Grafen Spvnneck, Etatsrath Francke (Elftere Dänen),
bildete sich im Phönix ein Club mit dem ostensiblen Zweck, einen Anhaltepunkt
sür die erfahrenen Männer zu bilden; im Hintergründe lag die Absicht, die con-
servativen Elemente zu sammeln und die Verbindung zwischen den Dänen und
Deutschen ansteche zu erhalten; eine glänzende Gesellschaft, aber der Lage der
Sache, nach außer Stand irgend eine Einwirkung zu gewinnen.

Bereits am 13. las man an den Straßenecken eiuen Aufruf der Casiuo-
partei an alle patriotischen Dänen: „Dänemarks Existenz stehe auf dem Spiel, es
werde untergehen, wenn jetzt nicht Schleswigs Trennung von Holstein bewirkt
werde; zu dem Zwecke möge man mit Geldbeiträgen mitwirken." Schon wußte
man, daß in einigen Tagen große Versammlungen sein, auch viel Landvolk dazu
hereinkommen werde. Die Nachrichten von Wien und Berlin vollendeten die
Stimmung für alles Aeußerste.

Am 18. März, drei Tage vor der Katastrophe, empfing der König den kurz
vorher aus Holstein gekommenen Obergcrichtsrath Ekhard von Glückstadt in einer
Audienz, unmittelbar nach Orla Lehmann. Der König fragte: wie es in den
Herzogtümern aussehe? die Autwort war: ruhig, wenn aber durch eine Volks-
demoustration oder durch eine Maßregel der Regierung ein Schritt geschehe, um
Schleswig in Dänemark zu incorporircn, so werde die Folge ein allgemeiner
Allsstand sein. Auf die weitere Frage, was in solchem Falle wohl die Truppen
und die Beamten thun würden? antwortete Ekhard, daß sie nach seinem Dafür¬
halten sich mit wenigen Ausnahmen der Sache der Herzogthümer anschließen
würden; darauf der König: „mir sa'le dergleichen anch nicht ein; wenn Sie nach
den Herzogthümem kommen, so autorisire ich Sie in meinem Namen
zu erklären, daß ich von meinem Rescript vom 28. Januar nicht abgehen
werde, ich werde keinen Beschluß fassen, ehe die erfahrenen Männer hier sind.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/62>, abgerufen am 01.09.2024.