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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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und ihren beharrlichen Mahnungen allein verdankt Beethoven seine Anerkennung
in Deutschland. Später ging sie aus Rochlitz' Händen in die. G. W. Fink's
über, der sie auf den conservativen Standpunkt überführte, wohin sie sich schon
seit mehren Jahren neigte. Fink mochte und durfte diesen Standpunkt nicht ver¬
lassen, welchen zu behaupten der Verlagshandlung sehr am Herzen lag. Jede
Mnsikzeitung, welche sich in den Händen von Musikalienvcrlegern befindet, muß
nothwendigerweise diesem Schicksale erliegen. So lauge eine solche Handlung mit
jungem, frischem Gerste arbeitet und emporzukommen strebt, wird sie mit Eifer
junge Talente unterstützen. Dieses Streben wird dann aufhören, sobald die
Handlung sich genügend consolidirt und so viel materielle Kräfte gesammelt hat,
daß sie keine Concurrenz auf dem Markte mehr scheuen darf. Die Allgemeine
Zeitung schleppte von jenen Zeiten ihr Dasein bis zum Jahre 1847, wo sie unter
der Redaction Lobe's selig entschlief. Die Neue Zeitschrift begann vou ihrem
ersten Entstehen an eine Polemik gegen ihre ältere Schwester, die ihr gar zu
zahm und tolerant gegenüber dem verderbten Kunstleben erschien. Die Kritik
dieses Blattes umging das Zugeständniß des Geistreichen, Genialen, so wie den
Kampf gegen das Mittelmäßige, Talentlose mit gleicher Vorsicht. Ueberall fühlte
man das Schwankende, Unwahre, Unzuverlässige in der Kritik der Allgemeinen
Zeitung, und darum nahm man mit Freuden das junge, frische Organ auf, das,
von gebildeten Künstlern geleitet, Wahrheit und Unparteilichkeit zu geben versprach.
Und wirklich hat die Zeitschrift in den ersten Jahren ihres Bestehens viel Ersprie߬
liches geleistet, und Schumann selbst wurde durch die Beschäftigung mit derselben
weiter gefördert und im Innern geklärt. Es ist deutlich wahrzunehmen, wie er
sich immer mehr und mehr aus den romantischen Nebeln herausfindet. Jede neue
Komposition zeigt ungeheure Fortschritte, und ehe er uoch sein 25steh Werk heraus-
gegeben, konnte man schon mit Gewißheit voraussagen, daß er nnter die besten
Meister deutscher Tonkunst zu zählen sein würde.

Die meisten seiner Compositionen ans dieser ersten Periode sind sür Pianoforte
geschrieben, und es scheint fast, als ob Schumann anfangs den damals glänzenden
Weg des Virtnosenthums habe beschreiten wollen, wozu ihm vielleicht das Leben
in dem Hanse Friedrich Wiek's die nächste Veranlassung gab. Schumann
konnte sich aber auf diesem Wege nicht gefallen: er war zu ernst, um der großen
Masse auch nnr die kleinste Concession in Ausübung der Kunst zu machen. Seine
damaligen Kompositionen, ans deren romantischer Schwülstigkeit nur verständige
und wohlwollende Kunstgenossen den wahren Inhalt herauszufinden vermochten,
würden dem Publicum nnr Anlaß zur Verwunderung und zur Abwehr gegeben
haben.

Wenn anch diese ersten Tondichtnngen im Laufe der Jahre nicht an Werth
zugenommen, so sind sie doch im Allgemeinen dem Dilettanten jetzt verständlicher
geworden, und wer Schumann und seinen Bildungsgang genau erkennen will,


und ihren beharrlichen Mahnungen allein verdankt Beethoven seine Anerkennung
in Deutschland. Später ging sie aus Rochlitz' Händen in die. G. W. Fink's
über, der sie auf den conservativen Standpunkt überführte, wohin sie sich schon
seit mehren Jahren neigte. Fink mochte und durfte diesen Standpunkt nicht ver¬
lassen, welchen zu behaupten der Verlagshandlung sehr am Herzen lag. Jede
Mnsikzeitung, welche sich in den Händen von Musikalienvcrlegern befindet, muß
nothwendigerweise diesem Schicksale erliegen. So lauge eine solche Handlung mit
jungem, frischem Gerste arbeitet und emporzukommen strebt, wird sie mit Eifer
junge Talente unterstützen. Dieses Streben wird dann aufhören, sobald die
Handlung sich genügend consolidirt und so viel materielle Kräfte gesammelt hat,
daß sie keine Concurrenz auf dem Markte mehr scheuen darf. Die Allgemeine
Zeitung schleppte von jenen Zeiten ihr Dasein bis zum Jahre 1847, wo sie unter
der Redaction Lobe's selig entschlief. Die Neue Zeitschrift begann vou ihrem
ersten Entstehen an eine Polemik gegen ihre ältere Schwester, die ihr gar zu
zahm und tolerant gegenüber dem verderbten Kunstleben erschien. Die Kritik
dieses Blattes umging das Zugeständniß des Geistreichen, Genialen, so wie den
Kampf gegen das Mittelmäßige, Talentlose mit gleicher Vorsicht. Ueberall fühlte
man das Schwankende, Unwahre, Unzuverlässige in der Kritik der Allgemeinen
Zeitung, und darum nahm man mit Freuden das junge, frische Organ auf, das,
von gebildeten Künstlern geleitet, Wahrheit und Unparteilichkeit zu geben versprach.
Und wirklich hat die Zeitschrift in den ersten Jahren ihres Bestehens viel Ersprie߬
liches geleistet, und Schumann selbst wurde durch die Beschäftigung mit derselben
weiter gefördert und im Innern geklärt. Es ist deutlich wahrzunehmen, wie er
sich immer mehr und mehr aus den romantischen Nebeln herausfindet. Jede neue
Komposition zeigt ungeheure Fortschritte, und ehe er uoch sein 25steh Werk heraus-
gegeben, konnte man schon mit Gewißheit voraussagen, daß er nnter die besten
Meister deutscher Tonkunst zu zählen sein würde.

Die meisten seiner Compositionen ans dieser ersten Periode sind sür Pianoforte
geschrieben, und es scheint fast, als ob Schumann anfangs den damals glänzenden
Weg des Virtnosenthums habe beschreiten wollen, wozu ihm vielleicht das Leben
in dem Hanse Friedrich Wiek's die nächste Veranlassung gab. Schumann
konnte sich aber auf diesem Wege nicht gefallen: er war zu ernst, um der großen
Masse auch nnr die kleinste Concession in Ausübung der Kunst zu machen. Seine
damaligen Kompositionen, ans deren romantischer Schwülstigkeit nur verständige
und wohlwollende Kunstgenossen den wahren Inhalt herauszufinden vermochten,
würden dem Publicum nnr Anlaß zur Verwunderung und zur Abwehr gegeben
haben.

Wenn anch diese ersten Tondichtnngen im Laufe der Jahre nicht an Werth
zugenommen, so sind sie doch im Allgemeinen dem Dilettanten jetzt verständlicher
geworden, und wer Schumann und seinen Bildungsgang genau erkennen will,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/500>, abgerufen am 01.09.2024.