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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Rauchfleisch in seinen strotzenden Schnappsack; kurz, Jeder trug ein Andenken von
M..... mit, und war es auch nur ein sxiir (Mantel) des Hauswirthes oder das
InmäA (Unterhemd) der Wirthin. Auch in den Hcrrschaftöhäuscru wurden, be¬
sonders bei der Beamten- und Dienerschaft, einige Raubversuche im Großen ge¬
macht; aber die deutschen und italienischen Cavaleristen, die dort wegen der
Stallungen einquartiert waren, und die sich stets dieser Waffenbrüder schämten,
schlugen die Communisten mit dem Säbel in die Flucht. -- Von den Offizieren
eilten viele auf Wagen der Truppe voraus, und indem sie ans den wirthlichen
Wohnungen der Grundherren sich entfernten, wo sie nicht als Feinde, sondern
als geschlagene, aber wackere Soldaten empfangen wurden, riefen sie den lärmen¬
den Gruppen der Gemeinen zu: "rudaM!" (raubet!). --

Zwei Stunden nachdem die Kroaten aus dem Dorfe gegen Koka gezogen
waren, sprengte von der entgegengesetzten Seite ein Zug (20 Mann) Hußarcn
unter Anführung eines jungen Offiziers zum Dorfe herein; und die Einwohner
vergaßen allen Schrecken und Drangsal der vergangenen Nacht und liefen herbei,
um sich um die kleine, von Siegesbewußtsein stolzer gewordene Truppe der stolzen
Hußaren zu schaaren, welche sich vor dem Dorshanse aufgestellt hatte. Da wollte
das gegenseitige Fragen und Antworten über die Croaten, deren Benahmen und
die Richtung, welche sie genommen einerseits, andrerseits über die siegreiche große
Armee, über die gefeierten Feldherren, über die Zeit, wann sie in Pest!) einzu¬
ziehen hoffen u. f. w. kein Ende nehmen. Der Offizier war indessen in das
DorfhanS eingekehrt, um dort vom Richter und Notar Erkundigungen einzuziehen,
und ihnen Aufträge zu ertheilen, und als er wieder aus dem Hause trat, schwang
er sich auf sein schmuckes Pferd und rief in spaßigem Tone: "Haben denn die
Feinde gar keine Marodeurs, Betrunkene oder Kriegesmüde zurückgelassen?
Ich werde das ganze Dorf durchsuchen lassen, und wehe dem, der es wagte,
den Zertrctern des Vaterlandes Schutz zu verleihen!" Bei den letzten Worten
bemühte sich der junge Krieger, seinem bartlosen Gesichte eine grandiose Soldatcn-
micue zu geben, aber es wollte ihm nicht gelingen, und er beendigte seine ful¬
minante Rede mit einem hervorbrechenden Lachen, in welches die ganze Truppe
einfiel, und welches von den herumstehenden Bauern mit einem stürmischen ,Mein!"
aufgenommen wurde. Aber die Einwohner M.....'s mußten sich dennoch nicht
ganz schuldlos gewußt haben, denn sie rannten sich Manches in die Ohren, und
nachdem der Wachtmeister der Truppe zu dem Offizier hinritt und einige Minuten
leise mit ihm gesprochen hatte, machte er seine militärische Reverenz und comman-
dirte: "Osöoh!" (Lose Euch auf!) worauf die Reiter nach allen Richtungen aus-
einander sprengten. Der Offizier ritt einem der Herrschaftsgebäude zu. Was
er dort suchte, wissen wir mit Geuauheit nicht anzugeben. So viel ist gewiß,
daß er die in der Gegend wohnenden adeligen Familien genau kannte, und sich


Rauchfleisch in seinen strotzenden Schnappsack; kurz, Jeder trug ein Andenken von
M..... mit, und war es auch nur ein sxiir (Mantel) des Hauswirthes oder das
InmäA (Unterhemd) der Wirthin. Auch in den Hcrrschaftöhäuscru wurden, be¬
sonders bei der Beamten- und Dienerschaft, einige Raubversuche im Großen ge¬
macht; aber die deutschen und italienischen Cavaleristen, die dort wegen der
Stallungen einquartiert waren, und die sich stets dieser Waffenbrüder schämten,
schlugen die Communisten mit dem Säbel in die Flucht. — Von den Offizieren
eilten viele auf Wagen der Truppe voraus, und indem sie ans den wirthlichen
Wohnungen der Grundherren sich entfernten, wo sie nicht als Feinde, sondern
als geschlagene, aber wackere Soldaten empfangen wurden, riefen sie den lärmen¬
den Gruppen der Gemeinen zu: „rudaM!" (raubet!). —

Zwei Stunden nachdem die Kroaten aus dem Dorfe gegen Koka gezogen
waren, sprengte von der entgegengesetzten Seite ein Zug (20 Mann) Hußarcn
unter Anführung eines jungen Offiziers zum Dorfe herein; und die Einwohner
vergaßen allen Schrecken und Drangsal der vergangenen Nacht und liefen herbei,
um sich um die kleine, von Siegesbewußtsein stolzer gewordene Truppe der stolzen
Hußaren zu schaaren, welche sich vor dem Dorshanse aufgestellt hatte. Da wollte
das gegenseitige Fragen und Antworten über die Croaten, deren Benahmen und
die Richtung, welche sie genommen einerseits, andrerseits über die siegreiche große
Armee, über die gefeierten Feldherren, über die Zeit, wann sie in Pest!) einzu¬
ziehen hoffen u. f. w. kein Ende nehmen. Der Offizier war indessen in das
DorfhanS eingekehrt, um dort vom Richter und Notar Erkundigungen einzuziehen,
und ihnen Aufträge zu ertheilen, und als er wieder aus dem Hause trat, schwang
er sich auf sein schmuckes Pferd und rief in spaßigem Tone: „Haben denn die
Feinde gar keine Marodeurs, Betrunkene oder Kriegesmüde zurückgelassen?
Ich werde das ganze Dorf durchsuchen lassen, und wehe dem, der es wagte,
den Zertrctern des Vaterlandes Schutz zu verleihen!" Bei den letzten Worten
bemühte sich der junge Krieger, seinem bartlosen Gesichte eine grandiose Soldatcn-
micue zu geben, aber es wollte ihm nicht gelingen, und er beendigte seine ful¬
minante Rede mit einem hervorbrechenden Lachen, in welches die ganze Truppe
einfiel, und welches von den herumstehenden Bauern mit einem stürmischen ,Mein!"
aufgenommen wurde. Aber die Einwohner M.....'s mußten sich dennoch nicht
ganz schuldlos gewußt haben, denn sie rannten sich Manches in die Ohren, und
nachdem der Wachtmeister der Truppe zu dem Offizier hinritt und einige Minuten
leise mit ihm gesprochen hatte, machte er seine militärische Reverenz und comman-
dirte: „Osöoh!" (Lose Euch auf!) worauf die Reiter nach allen Richtungen aus-
einander sprengten. Der Offizier ritt einem der Herrschaftsgebäude zu. Was
er dort suchte, wissen wir mit Geuauheit nicht anzugeben. So viel ist gewiß,
daß er die in der Gegend wohnenden adeligen Familien genau kannte, und sich


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[0464] Rauchfleisch in seinen strotzenden Schnappsack; kurz, Jeder trug ein Andenken von M..... mit, und war es auch nur ein sxiir (Mantel) des Hauswirthes oder das InmäA (Unterhemd) der Wirthin. Auch in den Hcrrschaftöhäuscru wurden, be¬ sonders bei der Beamten- und Dienerschaft, einige Raubversuche im Großen ge¬ macht; aber die deutschen und italienischen Cavaleristen, die dort wegen der Stallungen einquartiert waren, und die sich stets dieser Waffenbrüder schämten, schlugen die Communisten mit dem Säbel in die Flucht. — Von den Offizieren eilten viele auf Wagen der Truppe voraus, und indem sie ans den wirthlichen Wohnungen der Grundherren sich entfernten, wo sie nicht als Feinde, sondern als geschlagene, aber wackere Soldaten empfangen wurden, riefen sie den lärmen¬ den Gruppen der Gemeinen zu: „rudaM!" (raubet!). — Zwei Stunden nachdem die Kroaten aus dem Dorfe gegen Koka gezogen waren, sprengte von der entgegengesetzten Seite ein Zug (20 Mann) Hußarcn unter Anführung eines jungen Offiziers zum Dorfe herein; und die Einwohner vergaßen allen Schrecken und Drangsal der vergangenen Nacht und liefen herbei, um sich um die kleine, von Siegesbewußtsein stolzer gewordene Truppe der stolzen Hußaren zu schaaren, welche sich vor dem Dorshanse aufgestellt hatte. Da wollte das gegenseitige Fragen und Antworten über die Croaten, deren Benahmen und die Richtung, welche sie genommen einerseits, andrerseits über die siegreiche große Armee, über die gefeierten Feldherren, über die Zeit, wann sie in Pest!) einzu¬ ziehen hoffen u. f. w. kein Ende nehmen. Der Offizier war indessen in das DorfhanS eingekehrt, um dort vom Richter und Notar Erkundigungen einzuziehen, und ihnen Aufträge zu ertheilen, und als er wieder aus dem Hause trat, schwang er sich auf sein schmuckes Pferd und rief in spaßigem Tone: „Haben denn die Feinde gar keine Marodeurs, Betrunkene oder Kriegesmüde zurückgelassen? Ich werde das ganze Dorf durchsuchen lassen, und wehe dem, der es wagte, den Zertrctern des Vaterlandes Schutz zu verleihen!" Bei den letzten Worten bemühte sich der junge Krieger, seinem bartlosen Gesichte eine grandiose Soldatcn- micue zu geben, aber es wollte ihm nicht gelingen, und er beendigte seine ful¬ minante Rede mit einem hervorbrechenden Lachen, in welches die ganze Truppe einfiel, und welches von den herumstehenden Bauern mit einem stürmischen ,Mein!" aufgenommen wurde. Aber die Einwohner M.....'s mußten sich dennoch nicht ganz schuldlos gewußt haben, denn sie rannten sich Manches in die Ohren, und nachdem der Wachtmeister der Truppe zu dem Offizier hinritt und einige Minuten leise mit ihm gesprochen hatte, machte er seine militärische Reverenz und comman- dirte: „Osöoh!" (Lose Euch auf!) worauf die Reiter nach allen Richtungen aus- einander sprengten. Der Offizier ritt einem der Herrschaftsgebäude zu. Was er dort suchte, wissen wir mit Geuauheit nicht anzugeben. So viel ist gewiß, daß er die in der Gegend wohnenden adeligen Familien genau kannte, und sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/464>, abgerufen am 01.09.2024.