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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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nach einem fremden, hier lebenden Mädchen erkundigte, welches man im Dorfe
allgemein das "Goldfräulein" nannte.

Nach einer Viertelstunde sahen wir die Hußarentrnppe wieder vor dem Dorf¬
hause vereinigt; aber nicht mehr in jener sorglosen Nachlässigkeit, der sich der
Cavalerist nach einem laugen Ritt so gerne hingiebt, mit dem Arme ans den
Sattelknopf gestützt, den Hals und die Mähne seines geliebten Thieres streichelnd,
oder gar neben demselben stehend und das verworrene Riemenzeug in Ordnung
bringend; sondern sie standen jetzt in Reihe und Glied, ein ziemlich großes Carre
bildend, mit dem blanken, noch, von Feindesblnt gefärbten Krummsäbel in der
Hand, mit einem Ernste und stolzen Pflichtgefühl, welche dem Hnßarcn in einem
höhern Maße als jedem andern Krieger eigen find. Im Carr6 standen 32 ent¬
waffnete Kroaten, darunter ein Offizier; die Gewehre der Mannschaft wurden
von einem Haufen Bauernjungen getragen, die, sie in affectiver militärischer At¬
titüde im Anne haltend, sich hinter den Hußaren aufgestellt hatten. Ein Trom¬
peter wurde um den Kommandanten entsendet, und dieser erschien in Begleitung
von mehrern adeligen Junkern und Damen, um über die Gefangenen zu ver¬
fügen. -- Diese waren großentheils das Opfer ihrer Naubsucht geworden. Als
sie nämlich ihre Wirthsleute drängten, ihnen den Versteck ihrer Habe anzugeben,
gaben diese vor, sie in einer Kammer oder im Stalle verborgen zu haben, und
nachdem die Ranbsüchtigen in diese eingetreten waren, schlugen sie die Thüre hin¬
ter ihnen zu, schoben den starken Holzriegel vor dieselbe, und machten sie so zu
ihren Gefangenen. -- Auch der Offizier wurde auf diese Weise in's Netz gelockt
und zwar von einem Mädchen, dem er keine bunten Tücher oder gestickte Mieder,
aber das reine Gold der Ehre und das prunklose Geschmeide der Unschuld rau¬
ben wollte. -- Der Hußarenvffizicr, als er diesen erblickte, brach in ein lautes
Lachen ans. "Ha! ha! ha!" rief er. "Bist Du auch hier, du wackerer Geselle?"
"Dieser Vogel," sagte er zu seinen Begleitern gewendet, "war schon einmal unser
Gefangener, und ging auf sein militärisches Ehrenwort (hier warf er einen ver¬
achtenden Blick auf den Gefangenen) frei herum in Großwardein. Dort machte
er erst Schulden auf seine von uns zu beziehende Gage, dann ging er davon
und ließ sieh jetzt wieder von einem Mädchen einfangen." "Reißt ihm die mili¬
tärischen Abzeichen von seinem Rock, und laßt ihn laufen! Es ist besser, wenn
wir solche Offiziere in den Reihen unserer Feinde als in unsern Gefängnissen
haben."

Hiermit wurde der OWer aus dem Dorfe und die Mannschaft in das un¬
garische Hauptquartier abgeführt.

Indessen hatte sich die Armee des Baums von ihrem ersten Schrecken erholt,
und da vom Armeeobercvmmandanten ein Hilsscorps zur Verstärkung geschickt wurde,
und die Ungarn, welche sich nach dem theuer erfochtenen Siege auch zu sammeln
hatten, sie nicht weiter verfolgten, so wurde beschlossen, in dieser letzten Position vor


Grenzvoten. III. 1850. 58

nach einem fremden, hier lebenden Mädchen erkundigte, welches man im Dorfe
allgemein das „Goldfräulein" nannte.

Nach einer Viertelstunde sahen wir die Hußarentrnppe wieder vor dem Dorf¬
hause vereinigt; aber nicht mehr in jener sorglosen Nachlässigkeit, der sich der
Cavalerist nach einem laugen Ritt so gerne hingiebt, mit dem Arme ans den
Sattelknopf gestützt, den Hals und die Mähne seines geliebten Thieres streichelnd,
oder gar neben demselben stehend und das verworrene Riemenzeug in Ordnung
bringend; sondern sie standen jetzt in Reihe und Glied, ein ziemlich großes Carre
bildend, mit dem blanken, noch, von Feindesblnt gefärbten Krummsäbel in der
Hand, mit einem Ernste und stolzen Pflichtgefühl, welche dem Hnßarcn in einem
höhern Maße als jedem andern Krieger eigen find. Im Carr6 standen 32 ent¬
waffnete Kroaten, darunter ein Offizier; die Gewehre der Mannschaft wurden
von einem Haufen Bauernjungen getragen, die, sie in affectiver militärischer At¬
titüde im Anne haltend, sich hinter den Hußaren aufgestellt hatten. Ein Trom¬
peter wurde um den Kommandanten entsendet, und dieser erschien in Begleitung
von mehrern adeligen Junkern und Damen, um über die Gefangenen zu ver¬
fügen. — Diese waren großentheils das Opfer ihrer Naubsucht geworden. Als
sie nämlich ihre Wirthsleute drängten, ihnen den Versteck ihrer Habe anzugeben,
gaben diese vor, sie in einer Kammer oder im Stalle verborgen zu haben, und
nachdem die Ranbsüchtigen in diese eingetreten waren, schlugen sie die Thüre hin¬
ter ihnen zu, schoben den starken Holzriegel vor dieselbe, und machten sie so zu
ihren Gefangenen. — Auch der Offizier wurde auf diese Weise in's Netz gelockt
und zwar von einem Mädchen, dem er keine bunten Tücher oder gestickte Mieder,
aber das reine Gold der Ehre und das prunklose Geschmeide der Unschuld rau¬
ben wollte. — Der Hußarenvffizicr, als er diesen erblickte, brach in ein lautes
Lachen ans. „Ha! ha! ha!" rief er. „Bist Du auch hier, du wackerer Geselle?"
„Dieser Vogel," sagte er zu seinen Begleitern gewendet, „war schon einmal unser
Gefangener, und ging auf sein militärisches Ehrenwort (hier warf er einen ver¬
achtenden Blick auf den Gefangenen) frei herum in Großwardein. Dort machte
er erst Schulden auf seine von uns zu beziehende Gage, dann ging er davon
und ließ sieh jetzt wieder von einem Mädchen einfangen." „Reißt ihm die mili¬
tärischen Abzeichen von seinem Rock, und laßt ihn laufen! Es ist besser, wenn
wir solche Offiziere in den Reihen unserer Feinde als in unsern Gefängnissen
haben."

Hiermit wurde der OWer aus dem Dorfe und die Mannschaft in das un¬
garische Hauptquartier abgeführt.

Indessen hatte sich die Armee des Baums von ihrem ersten Schrecken erholt,
und da vom Armeeobercvmmandanten ein Hilsscorps zur Verstärkung geschickt wurde,
und die Ungarn, welche sich nach dem theuer erfochtenen Siege auch zu sammeln
hatten, sie nicht weiter verfolgten, so wurde beschlossen, in dieser letzten Position vor


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[0465] nach einem fremden, hier lebenden Mädchen erkundigte, welches man im Dorfe allgemein das „Goldfräulein" nannte. Nach einer Viertelstunde sahen wir die Hußarentrnppe wieder vor dem Dorf¬ hause vereinigt; aber nicht mehr in jener sorglosen Nachlässigkeit, der sich der Cavalerist nach einem laugen Ritt so gerne hingiebt, mit dem Arme ans den Sattelknopf gestützt, den Hals und die Mähne seines geliebten Thieres streichelnd, oder gar neben demselben stehend und das verworrene Riemenzeug in Ordnung bringend; sondern sie standen jetzt in Reihe und Glied, ein ziemlich großes Carre bildend, mit dem blanken, noch, von Feindesblnt gefärbten Krummsäbel in der Hand, mit einem Ernste und stolzen Pflichtgefühl, welche dem Hnßarcn in einem höhern Maße als jedem andern Krieger eigen find. Im Carr6 standen 32 ent¬ waffnete Kroaten, darunter ein Offizier; die Gewehre der Mannschaft wurden von einem Haufen Bauernjungen getragen, die, sie in affectiver militärischer At¬ titüde im Anne haltend, sich hinter den Hußaren aufgestellt hatten. Ein Trom¬ peter wurde um den Kommandanten entsendet, und dieser erschien in Begleitung von mehrern adeligen Junkern und Damen, um über die Gefangenen zu ver¬ fügen. — Diese waren großentheils das Opfer ihrer Naubsucht geworden. Als sie nämlich ihre Wirthsleute drängten, ihnen den Versteck ihrer Habe anzugeben, gaben diese vor, sie in einer Kammer oder im Stalle verborgen zu haben, und nachdem die Ranbsüchtigen in diese eingetreten waren, schlugen sie die Thüre hin¬ ter ihnen zu, schoben den starken Holzriegel vor dieselbe, und machten sie so zu ihren Gefangenen. — Auch der Offizier wurde auf diese Weise in's Netz gelockt und zwar von einem Mädchen, dem er keine bunten Tücher oder gestickte Mieder, aber das reine Gold der Ehre und das prunklose Geschmeide der Unschuld rau¬ ben wollte. — Der Hußarenvffizicr, als er diesen erblickte, brach in ein lautes Lachen ans. „Ha! ha! ha!" rief er. „Bist Du auch hier, du wackerer Geselle?" „Dieser Vogel," sagte er zu seinen Begleitern gewendet, „war schon einmal unser Gefangener, und ging auf sein militärisches Ehrenwort (hier warf er einen ver¬ achtenden Blick auf den Gefangenen) frei herum in Großwardein. Dort machte er erst Schulden auf seine von uns zu beziehende Gage, dann ging er davon und ließ sieh jetzt wieder von einem Mädchen einfangen." „Reißt ihm die mili¬ tärischen Abzeichen von seinem Rock, und laßt ihn laufen! Es ist besser, wenn wir solche Offiziere in den Reihen unserer Feinde als in unsern Gefängnissen haben." Hiermit wurde der OWer aus dem Dorfe und die Mannschaft in das un¬ garische Hauptquartier abgeführt. Indessen hatte sich die Armee des Baums von ihrem ersten Schrecken erholt, und da vom Armeeobercvmmandanten ein Hilsscorps zur Verstärkung geschickt wurde, und die Ungarn, welche sich nach dem theuer erfochtenen Siege auch zu sammeln hatten, sie nicht weiter verfolgten, so wurde beschlossen, in dieser letzten Position vor Grenzvoten. III. 1850. 58

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/465>, abgerufen am 01.09.2024.