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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Büchsenschüsse aus dem Schlafe geweckt. Dies die gewöhnliche Manier der
Croaten, den Leuten ihren theuern Besuch anzukündigen. Nach einigen Mi¬
nuten war das ganze Dorf auf den Beinen. Die croatische Truppe, welche von
der Hauptarmee abgeschnitten war, entkam glücklich ihren nach dem schweren Ta¬
gewerk so sehr der Ruhe bedürftigen Verfolgern und quartierten sich in unserm
Dorfe ein. -- Die Offiziere nahmen die Gastfreundschaft der reichen Grundherren
in Anspruch, die Gemeinen stürmten in die Wohnungen der Bauern. Nachdem
Gewehre und Rüstzeug abgelegt waren, wurde Speise und Trank verlangt. Die
Grundherren besorgten eine gutbesetzte Tafel für die Offiziere, und ließen der
Mannschaft ihren ganzen, mehr als genügenden Vorrath an Brod, Speck und
Branntwein verabfolgen. Die erstern zeigten ein sehr freundliches Gesicht -- und
das Pflegen die österreichischen Offiziere nach einem verlornen Treffen stets zu
thun -- letztere füllten ihre Gurgeln mit dem Geist des Lebens und ihre
Schnappsäcke mit dein Fett des Landes und der Schweine, und gingen tobend
und lärmend uach ihren Quartieren, um dort neuerdings zu requiriren. -- Nach¬
dem aller vorhandene Vorrath -- nicht aufgezehrt, sondern -- eingesackt war,
ging es zur Ruhe. Um die Verwundeten und Kranken kümmerte sich, wie ge¬
wöhnlich, außer den Aerzten und einigen dazu beorderten Offizieren, Niemand.

Doch nicht lange genossen die geschlagenen Krieger die ihnen so nöthige Er¬
holung. Gegen drei Uhr des Morgens erschien ein Courier von Sr. Excellenz
dem Ban, der sich mit dem Gros seiner Armee nach Koka gezogen hatte, und
von dort aus Boten nach allen Winden aussendete, um seiue zersprengten Haufen
an sich zu ziehen. Sogleich wurde Reveil geschlagen und die Mannschaft machte
sich marschfertig, wozu bei den Kroaten auch das gehört: Alles, was trag- und
treibbar ist, mitzunehmen. Die arme" Einwohner, die den größten Theil ihrer
Habe versteckt hatten, mußten an Insulten, Kolbenstoßen und Säbelhieben dafür
büßen. Die leeren Truhen und abgetragenen Bettstätten, die sie überall fanden,
überzeugten die Räuber von der Vorsichtigkeit der M.^...er Frauen, und manche
mußte die Rettung ihres Brautkleides mit der brutalen Umarmung eines dieser
Halbmenschen bezahlen. Jndeß gingen die geübten Nequisitorcn auch in M.....
nicht leer aus. Der Eine fand im Hofe einige Hühner, Gänse oder Ferkel und
warf sie in einen Sack gebunden auf die für Kranke und Gepäck bestimmten Wa¬
gen; der Andere band sich ein Füllen oder gar ein Kalb an die Leitern des re-
quirirten Gespanns;^) der Dritte steckte eine halbe Seite Speck oder einige Stück



Dies ist keine poetische Uebertreibung, und Jeder, der in diesen Tagen in Pesth
lebte, konnte sehen, wie die Waffenbrüder T>cstrcichS außer Silber, Gold und Kleidungs-
stücken solche lebendige Mobilia zun, Verkauf anboten. In der Hauptstadt wollten aber selbst
die ärmsten Handelsjuden diese gestohlene Habe nicht an sich bringen, und die Räuber waren
bei ihrem bald darauf erfolgten Abzug gens'thigt, Vieles zurückzulassen, waL die städtische
Behörde sammeln und den rechtmäßige" Vcsitzem zurückstellen lies).

Büchsenschüsse aus dem Schlafe geweckt. Dies die gewöhnliche Manier der
Croaten, den Leuten ihren theuern Besuch anzukündigen. Nach einigen Mi¬
nuten war das ganze Dorf auf den Beinen. Die croatische Truppe, welche von
der Hauptarmee abgeschnitten war, entkam glücklich ihren nach dem schweren Ta¬
gewerk so sehr der Ruhe bedürftigen Verfolgern und quartierten sich in unserm
Dorfe ein. — Die Offiziere nahmen die Gastfreundschaft der reichen Grundherren
in Anspruch, die Gemeinen stürmten in die Wohnungen der Bauern. Nachdem
Gewehre und Rüstzeug abgelegt waren, wurde Speise und Trank verlangt. Die
Grundherren besorgten eine gutbesetzte Tafel für die Offiziere, und ließen der
Mannschaft ihren ganzen, mehr als genügenden Vorrath an Brod, Speck und
Branntwein verabfolgen. Die erstern zeigten ein sehr freundliches Gesicht — und
das Pflegen die österreichischen Offiziere nach einem verlornen Treffen stets zu
thun — letztere füllten ihre Gurgeln mit dem Geist des Lebens und ihre
Schnappsäcke mit dein Fett des Landes und der Schweine, und gingen tobend
und lärmend uach ihren Quartieren, um dort neuerdings zu requiriren. — Nach¬
dem aller vorhandene Vorrath — nicht aufgezehrt, sondern — eingesackt war,
ging es zur Ruhe. Um die Verwundeten und Kranken kümmerte sich, wie ge¬
wöhnlich, außer den Aerzten und einigen dazu beorderten Offizieren, Niemand.

Doch nicht lange genossen die geschlagenen Krieger die ihnen so nöthige Er¬
holung. Gegen drei Uhr des Morgens erschien ein Courier von Sr. Excellenz
dem Ban, der sich mit dem Gros seiner Armee nach Koka gezogen hatte, und
von dort aus Boten nach allen Winden aussendete, um seiue zersprengten Haufen
an sich zu ziehen. Sogleich wurde Reveil geschlagen und die Mannschaft machte
sich marschfertig, wozu bei den Kroaten auch das gehört: Alles, was trag- und
treibbar ist, mitzunehmen. Die arme» Einwohner, die den größten Theil ihrer
Habe versteckt hatten, mußten an Insulten, Kolbenstoßen und Säbelhieben dafür
büßen. Die leeren Truhen und abgetragenen Bettstätten, die sie überall fanden,
überzeugten die Räuber von der Vorsichtigkeit der M.^...er Frauen, und manche
mußte die Rettung ihres Brautkleides mit der brutalen Umarmung eines dieser
Halbmenschen bezahlen. Jndeß gingen die geübten Nequisitorcn auch in M.....
nicht leer aus. Der Eine fand im Hofe einige Hühner, Gänse oder Ferkel und
warf sie in einen Sack gebunden auf die für Kranke und Gepäck bestimmten Wa¬
gen; der Andere band sich ein Füllen oder gar ein Kalb an die Leitern des re-
quirirten Gespanns;^) der Dritte steckte eine halbe Seite Speck oder einige Stück



Dies ist keine poetische Uebertreibung, und Jeder, der in diesen Tagen in Pesth
lebte, konnte sehen, wie die Waffenbrüder T>cstrcichS außer Silber, Gold und Kleidungs-
stücken solche lebendige Mobilia zun, Verkauf anboten. In der Hauptstadt wollten aber selbst
die ärmsten Handelsjuden diese gestohlene Habe nicht an sich bringen, und die Räuber waren
bei ihrem bald darauf erfolgten Abzug gens'thigt, Vieles zurückzulassen, waL die städtische
Behörde sammeln und den rechtmäßige» Vcsitzem zurückstellen lies).
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[0463] Büchsenschüsse aus dem Schlafe geweckt. Dies die gewöhnliche Manier der Croaten, den Leuten ihren theuern Besuch anzukündigen. Nach einigen Mi¬ nuten war das ganze Dorf auf den Beinen. Die croatische Truppe, welche von der Hauptarmee abgeschnitten war, entkam glücklich ihren nach dem schweren Ta¬ gewerk so sehr der Ruhe bedürftigen Verfolgern und quartierten sich in unserm Dorfe ein. — Die Offiziere nahmen die Gastfreundschaft der reichen Grundherren in Anspruch, die Gemeinen stürmten in die Wohnungen der Bauern. Nachdem Gewehre und Rüstzeug abgelegt waren, wurde Speise und Trank verlangt. Die Grundherren besorgten eine gutbesetzte Tafel für die Offiziere, und ließen der Mannschaft ihren ganzen, mehr als genügenden Vorrath an Brod, Speck und Branntwein verabfolgen. Die erstern zeigten ein sehr freundliches Gesicht — und das Pflegen die österreichischen Offiziere nach einem verlornen Treffen stets zu thun — letztere füllten ihre Gurgeln mit dem Geist des Lebens und ihre Schnappsäcke mit dein Fett des Landes und der Schweine, und gingen tobend und lärmend uach ihren Quartieren, um dort neuerdings zu requiriren. — Nach¬ dem aller vorhandene Vorrath — nicht aufgezehrt, sondern — eingesackt war, ging es zur Ruhe. Um die Verwundeten und Kranken kümmerte sich, wie ge¬ wöhnlich, außer den Aerzten und einigen dazu beorderten Offizieren, Niemand. Doch nicht lange genossen die geschlagenen Krieger die ihnen so nöthige Er¬ holung. Gegen drei Uhr des Morgens erschien ein Courier von Sr. Excellenz dem Ban, der sich mit dem Gros seiner Armee nach Koka gezogen hatte, und von dort aus Boten nach allen Winden aussendete, um seiue zersprengten Haufen an sich zu ziehen. Sogleich wurde Reveil geschlagen und die Mannschaft machte sich marschfertig, wozu bei den Kroaten auch das gehört: Alles, was trag- und treibbar ist, mitzunehmen. Die arme» Einwohner, die den größten Theil ihrer Habe versteckt hatten, mußten an Insulten, Kolbenstoßen und Säbelhieben dafür büßen. Die leeren Truhen und abgetragenen Bettstätten, die sie überall fanden, überzeugten die Räuber von der Vorsichtigkeit der M.^...er Frauen, und manche mußte die Rettung ihres Brautkleides mit der brutalen Umarmung eines dieser Halbmenschen bezahlen. Jndeß gingen die geübten Nequisitorcn auch in M..... nicht leer aus. Der Eine fand im Hofe einige Hühner, Gänse oder Ferkel und warf sie in einen Sack gebunden auf die für Kranke und Gepäck bestimmten Wa¬ gen; der Andere band sich ein Füllen oder gar ein Kalb an die Leitern des re- quirirten Gespanns;^) der Dritte steckte eine halbe Seite Speck oder einige Stück Dies ist keine poetische Uebertreibung, und Jeder, der in diesen Tagen in Pesth lebte, konnte sehen, wie die Waffenbrüder T>cstrcichS außer Silber, Gold und Kleidungs- stücken solche lebendige Mobilia zun, Verkauf anboten. In der Hauptstadt wollten aber selbst die ärmsten Handelsjuden diese gestohlene Habe nicht an sich bringen, und die Räuber waren bei ihrem bald darauf erfolgten Abzug gens'thigt, Vieles zurückzulassen, waL die städtische Behörde sammeln und den rechtmäßige» Vcsitzem zurückstellen lies).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/463>, abgerufen am 01.09.2024.