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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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gelangt, und man war der Ankunft der Kroaten, die hier ihren Durchzug nah¬
men, gewärtig.

An den Häusern, die zu beiden Seiten ans einem hohen Damme stehen,
liefen Frauen, Mädchen und Kinder, mit größern und kleinem Bündeln beladen,
um die schwer erworbene Habe an Leinen, Betten und Kleidungsstücken -- alles
Dinge, welchen ein croatischer Krieger nicht widerstehen kann -- in Sicherheit zu
bringen, während an beiden Ufern des Baches, welcher das Dorf der Länge nach
durchschneidet, kleinere und größere Gruppen von Männern in langen Zsnbü's
(Schafspelze), mit dem Körper vorwärts geneigt und auf einen langen, in die
Erde eingestemmten Stock gestützt standen und sich ni Bauernwitzen über die
närrische Furcht der Weiber belustigten.

"Mara!" (Marie), rief ein rüstiger Bauer von mittlerem Alter einem unter
ihrer Last ächzenden Mädchen zu, "hast Du uicht vergessen, einige alte Leinwand¬
lappen zurückzulassen? Die Unserigen sollen heute besonders mit dem ssuroir^
(Bajonette) gearbeitet haben, und da gibt's gewöhnlich viel MpriKag*); die ar¬
men Croaten werden also viel einzupacken (verbinden) haben." "Was!" rief ein
junger Nothkopf, mit einer plattgedrückten Nase und aufgeworfenen Lippen, "Ihr
hättet lieber den schmalen Feldweg von Koth reinigen sollen, damit die Pferde
der Jesus-Maria-Hußaren") uicht stecken bleiben, und die armen Jungen leichter
davon kommen." "Die werden wohl was Anderes zu thun haben, als zu plün-
dern," meinte ein Dritter mit ernster Miene und einem steif gewichsten Schnurr¬
bart. "Wenn Einem so Paar Hundert Hußaren ans den Fersen sitzt, und man
die Feldmusik (Kanonen) zurückgelassen hat, läßt man selbst den heißen korcMoU,
Kä8l>,*^) stehen, und trachtet lieber, daß man weiter kommt, anstatt sich den
Ranzen mit Weibcrkram zu füllen."

Solche Aeußerungen ließen sich in den Männergrnppen hören; allein die
Frauen sind zwar weniger thätig im Erwerben, aber desto geiziger im Erhalten
des Erworbenen, und die Bürgerinnen von M..... setzten ihre Arbeit fort, und
nach einer Stunde war im ganzen Dorfe kein ganzes Schnupftuch oder Federn¬
kissen zu finden. Die Keller in den Weingärten und die großen Stroh- und
Heuschober hinter dem Dorfe bargen alle mobilen Schätze des Dorfes. Nur in
den Herrschaftsgebäuden mißachtete man diese Vorsicht und verhielt sich ganz
ruhig. --

Um elf Uhr in der Nacht wurden die Einwohner M.....'s durch mehrere





*) "Gebackens Fleisch," eine Lieblingsspeise der Ungarn, hier im Sinne von Hiev- und
Stichwunden genommen.
So wurden spottweise die zwei ESeadronc Banalhnßarcn genannt, die in diesem
Kriege durchaus ihrem Namen nicht entsprachen.
Eine Art Hirsebrei, der von den magyarischen Bäuerinnen besonders schmackhaft
zubereitet wird.

gelangt, und man war der Ankunft der Kroaten, die hier ihren Durchzug nah¬
men, gewärtig.

An den Häusern, die zu beiden Seiten ans einem hohen Damme stehen,
liefen Frauen, Mädchen und Kinder, mit größern und kleinem Bündeln beladen,
um die schwer erworbene Habe an Leinen, Betten und Kleidungsstücken — alles
Dinge, welchen ein croatischer Krieger nicht widerstehen kann — in Sicherheit zu
bringen, während an beiden Ufern des Baches, welcher das Dorf der Länge nach
durchschneidet, kleinere und größere Gruppen von Männern in langen Zsnbü's
(Schafspelze), mit dem Körper vorwärts geneigt und auf einen langen, in die
Erde eingestemmten Stock gestützt standen und sich ni Bauernwitzen über die
närrische Furcht der Weiber belustigten.

„Mara!" (Marie), rief ein rüstiger Bauer von mittlerem Alter einem unter
ihrer Last ächzenden Mädchen zu, „hast Du uicht vergessen, einige alte Leinwand¬
lappen zurückzulassen? Die Unserigen sollen heute besonders mit dem ssuroir^
(Bajonette) gearbeitet haben, und da gibt's gewöhnlich viel MpriKag*); die ar¬
men Croaten werden also viel einzupacken (verbinden) haben." „Was!" rief ein
junger Nothkopf, mit einer plattgedrückten Nase und aufgeworfenen Lippen, „Ihr
hättet lieber den schmalen Feldweg von Koth reinigen sollen, damit die Pferde
der Jesus-Maria-Hußaren") uicht stecken bleiben, und die armen Jungen leichter
davon kommen." „Die werden wohl was Anderes zu thun haben, als zu plün-
dern," meinte ein Dritter mit ernster Miene und einem steif gewichsten Schnurr¬
bart. „Wenn Einem so Paar Hundert Hußaren ans den Fersen sitzt, und man
die Feldmusik (Kanonen) zurückgelassen hat, läßt man selbst den heißen korcMoU,
Kä8l>,*^) stehen, und trachtet lieber, daß man weiter kommt, anstatt sich den
Ranzen mit Weibcrkram zu füllen."

Solche Aeußerungen ließen sich in den Männergrnppen hören; allein die
Frauen sind zwar weniger thätig im Erwerben, aber desto geiziger im Erhalten
des Erworbenen, und die Bürgerinnen von M..... setzten ihre Arbeit fort, und
nach einer Stunde war im ganzen Dorfe kein ganzes Schnupftuch oder Federn¬
kissen zu finden. Die Keller in den Weingärten und die großen Stroh- und
Heuschober hinter dem Dorfe bargen alle mobilen Schätze des Dorfes. Nur in
den Herrschaftsgebäuden mißachtete man diese Vorsicht und verhielt sich ganz
ruhig. —

Um elf Uhr in der Nacht wurden die Einwohner M.....'s durch mehrere





*) „Gebackens Fleisch," eine Lieblingsspeise der Ungarn, hier im Sinne von Hiev- und
Stichwunden genommen.
So wurden spottweise die zwei ESeadronc Banalhnßarcn genannt, die in diesem
Kriege durchaus ihrem Namen nicht entsprachen.
Eine Art Hirsebrei, der von den magyarischen Bäuerinnen besonders schmackhaft
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/462>, abgerufen am 01.09.2024.