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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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alten Japhet, der auf dem Balcon Wache hält und bei der Flucht vergessen wurde.
In der Verlegenheit weiß dieser kein anderes Mittel, als zu erklären, er sei der
Vermählte Giralda's, und diese kann ihn nicht widerlegen, denn sie kennt noch
immer nicht den, welchem sie angetraut ist, obgleich sie weiß, daß eS Ginas nicht
sein kann. Diese Mißverständnisse verwirren sich noch einen ganzen Act hindurch;
Don Japhet ist nämlich schon vermählt, mit einem andern jungen Frauenzimmer,
aus welches der König gleichfalls ein Auge geworfen hat: er wird also, der Bigamie
angeklagt. Endlich löst sich Alles auf die graziöseste Weise von der Welt, und
als echter Gemahl stellt sich der junge und edle Don Manuel heraus, der Günstling
des königlichen Paares, und die neue Psyche hat nicht Noth, die fehlende
Lampe zu betrauern. -- Die Musik gehört zu Adam'ö besten Leistungen.
Die Oper hat einen glänzenden Erfolg gehabt. -- Ein neues Stück von Emile
Souvestre: vn enkarit et"z ?aris, Zr-rue on cinq ano8 et KM tablsaux,
gehört in die Classe der Proletarierdramen. Claude Morin ist ein redlicher Ar¬
beiter, der sich nur die Schwäche hat zu Schulden kommen lassen, verführt durch
die schlimmen Nachschlage eines gewissen bösen Paimperlvt, dem Grafen d'Arnetal
Diamanten zu stehlen, weil besagter Graf seinem Vater Geld schuldig geblieben
ist. Aber sein Gewissen wird gerührt, als er entdeckt, daß unter den geraubten
Diamanten sich anch ein kleines silbernes Kreuz befindet, welches der Gräfin
d'Arnetal gehört. Dieses Kreuz hat Claude's Mutier einst einer vornehmen
Wohlthäterin geschenkt, die sie im Alter gepflegt hat. -- Claude gibt also die
Diamanten zurück, und verpflichtet sich außerdem zum Dienst der Gräfin, wel¬
cher ihr böser Mann, um sie ihres unermeßlichen Vermögens zu berauben, tau¬
send höllische Fallstricke stellt. Zuletzt führt er den Grasen, unter dem Vorwand
einer Spazierfahrt, an das Meeresufer und erklärt ihm dort, daß einer von
ihnen sterben müsse. Der Graf schießt ein verräterisches Pistol ans ihn ab, aber
noch gibt es eine Vorsehung im Himmel und einen Maschinisten am Ambigu!
Die Tugend wird belohnt, das Laster bestraft, der Graf versinkt in den Fluthen. --
Ein seltsames musikalisches Kunststück ist in dem großen Amphitheater der medicini-
schen Ächule aufgeführt: eine S^in^bonis elrorals ärawatiMe in die Acten, welchen
die biblische Episode der Ruth behandelt; Text von Eugöne Villemin, Musik von
Antony Elwart. Das Eigenthümliche dieser Komposition besteht nämlich darin,
daß keine Instrumente dabei verwandt sind, sondern daß ein Chor von 25V Män¬
nern und Knaben neben der Solosängerin die Stelle des Orchesters vertritt.
Diese aus musikalischer Blasirtheit hervorgerufene Unnatur wird noch dadurch
gesteigert, daß jene menschliche Stimmen mehrfach zur sogenannten musikalischen
Malerei mißbraucht werden. So wird einmal ein Sturm musikalisch ausgeführt,
wie man es sonst durch die Jnstrumentation zu thun pflegt. -- Die französische
Musik droht in noch größere Verzerrungen auszuarten, als die Poesie. -- Die
größte musikalische Neuigkeit ist aber Shakespeare's Sturm, von Scribe zu einer


alten Japhet, der auf dem Balcon Wache hält und bei der Flucht vergessen wurde.
In der Verlegenheit weiß dieser kein anderes Mittel, als zu erklären, er sei der
Vermählte Giralda's, und diese kann ihn nicht widerlegen, denn sie kennt noch
immer nicht den, welchem sie angetraut ist, obgleich sie weiß, daß eS Ginas nicht
sein kann. Diese Mißverständnisse verwirren sich noch einen ganzen Act hindurch;
Don Japhet ist nämlich schon vermählt, mit einem andern jungen Frauenzimmer,
aus welches der König gleichfalls ein Auge geworfen hat: er wird also, der Bigamie
angeklagt. Endlich löst sich Alles auf die graziöseste Weise von der Welt, und
als echter Gemahl stellt sich der junge und edle Don Manuel heraus, der Günstling
des königlichen Paares, und die neue Psyche hat nicht Noth, die fehlende
Lampe zu betrauern. — Die Musik gehört zu Adam'ö besten Leistungen.
Die Oper hat einen glänzenden Erfolg gehabt. — Ein neues Stück von Emile
Souvestre: vn enkarit et«z ?aris, Zr-rue on cinq ano8 et KM tablsaux,
gehört in die Classe der Proletarierdramen. Claude Morin ist ein redlicher Ar¬
beiter, der sich nur die Schwäche hat zu Schulden kommen lassen, verführt durch
die schlimmen Nachschlage eines gewissen bösen Paimperlvt, dem Grafen d'Arnetal
Diamanten zu stehlen, weil besagter Graf seinem Vater Geld schuldig geblieben
ist. Aber sein Gewissen wird gerührt, als er entdeckt, daß unter den geraubten
Diamanten sich anch ein kleines silbernes Kreuz befindet, welches der Gräfin
d'Arnetal gehört. Dieses Kreuz hat Claude's Mutier einst einer vornehmen
Wohlthäterin geschenkt, die sie im Alter gepflegt hat. — Claude gibt also die
Diamanten zurück, und verpflichtet sich außerdem zum Dienst der Gräfin, wel¬
cher ihr böser Mann, um sie ihres unermeßlichen Vermögens zu berauben, tau¬
send höllische Fallstricke stellt. Zuletzt führt er den Grasen, unter dem Vorwand
einer Spazierfahrt, an das Meeresufer und erklärt ihm dort, daß einer von
ihnen sterben müsse. Der Graf schießt ein verräterisches Pistol ans ihn ab, aber
noch gibt es eine Vorsehung im Himmel und einen Maschinisten am Ambigu!
Die Tugend wird belohnt, das Laster bestraft, der Graf versinkt in den Fluthen. —
Ein seltsames musikalisches Kunststück ist in dem großen Amphitheater der medicini-
schen Ächule aufgeführt: eine S^in^bonis elrorals ärawatiMe in die Acten, welchen
die biblische Episode der Ruth behandelt; Text von Eugöne Villemin, Musik von
Antony Elwart. Das Eigenthümliche dieser Komposition besteht nämlich darin,
daß keine Instrumente dabei verwandt sind, sondern daß ein Chor von 25V Män¬
nern und Knaben neben der Solosängerin die Stelle des Orchesters vertritt.
Diese aus musikalischer Blasirtheit hervorgerufene Unnatur wird noch dadurch
gesteigert, daß jene menschliche Stimmen mehrfach zur sogenannten musikalischen
Malerei mißbraucht werden. So wird einmal ein Sturm musikalisch ausgeführt,
wie man es sonst durch die Jnstrumentation zu thun pflegt. — Die französische
Musik droht in noch größere Verzerrungen auszuarten, als die Poesie. — Die
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/349>, abgerufen am 01.09.2024.