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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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wahren. In schmutzigen, zerfetzten, in 4 Stücken zerrissenen Zettelchen, die kaum
zu erkennen und unendlich leicht nachzuahmen sind, besteht dies Papiergeld, was man
gegen Selber nur mit 18 -- 20 Procent Verlust umwechseln kann; zu welchem
Wucher dies Anlaß giebt, welche Menge von Verwirrungen und Betrügereien
hierdurch entstehen, kann man sich leicht denken. Wo ein "Zwanziger" sich verein¬
zelt blicken läßt, da wird förmlich Jagd darauf gemacht, um ihn einzufangen und
sorgfältig aufzubewahren, um sodann größere Summen davon mit Vortheil an die
Geldmäkter umzuwechseln. Besonders das Militair und gar die Officiere, die in
Silbergeld ausbezahlt werden, gewinnen eine nicht unbeträchtliche Summe, indem
sie sich Papiergeld dafür einzutauschen wissen. All dies Silbergeld, was mau
zusammenbringt, geht aber schnell nach Baiern und Würtemberg, theils um das
gekaufte Getreide damit zu bezahlen, da die dortigen Händler gar keine östreichi-
schen Banknoten mehr nehmen, wie es früher der Fall war, theils aber auch
als Handelswaare. In ganz Süddentschland findet man östreichisches Silbergeld
in außerordentlicher Menge, nirgend östreichische Banknoten , die vor dem Jahre
48 in München so beliebt waren, daß man bisweilen 1 -- IV- Procent Agio
dafür zahlen mußte. Die Summe, um welche ganz Oestreich und somit auch
Tyrol, durch diese Entwerthung seines Papiergeldes im Auslande, wodurch das¬
selbe wieder zurückgedrängt, statt dessen aber östreichisches Silbergeld dafür
ausgeführt würde, ärmer geworden ist, muß ungeheuer sein. Wie immer aber bei
solchen Gelegenheiten, sind es die unteren Stände, die am Meisten dabei leiden,
während die höheren stets mit verhältnißmäßig viel geringerern Opfern davon
kommen. Dem armen Tyroler Bauern oder Gasthofsbesitzer aus dem Dorfe rech¬
net der östreichische Officier, der bei ihm wohnt, die Banknoten zu vollem
Werthe an, während dieser sie an den bairischen Korn- oder Kälberhändler nur
mit 18 -- 20 Procent Verlust wieder absetzen kann. Einzelne Bankiers und Geld¬
wechsler in den höheren Ständen gewinnen oft bedeutende Summen bei diesen
verschiedenen Wcchseloperationeu, die tagtäglich jetzt hier nothwendig sind, der
Kern der arbeitenden und erwerbenden Bevölkerung geht allmälig dabei zu Grunde.
Gerade das Papierunwesen hat dazu- gedient, daß mancher Sparpfennig, den der
Bauer meist für schlimme Zeiten zurücklegte, hervorgeholt, ja selbst schon veraus¬
gabt ist.

Das schlimmste aber ist die Einquartierung! Besonders an den Grenzen ge¬
gen Baiern und dem Bodensee ist diese ganz außerordentlich, denn an 60,000
Mann sind auf dem engen Raum von wenigen Meilen zusammengedrängt. Ein
unbedeutender Marktflecken, ja ein Dorf hat oft 2 -- 3 bis 400 Mann beständige
Einquartierung, so daß ein einzelnes Bauerhans mit 6 -- 8 -- 10 Mann und
dazu vielleicht -s -- 5 Pferden belegt ist. Die besten Zimmer, Kammern, Boden,
Ställe in Haus und Hof, muß der Bauer und Bürger seinen militärischen Gästen
und deren Pferden geben und sich selbst mit seiner Familie, Dienstboten und Vieh


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wahren. In schmutzigen, zerfetzten, in 4 Stücken zerrissenen Zettelchen, die kaum
zu erkennen und unendlich leicht nachzuahmen sind, besteht dies Papiergeld, was man
gegen Selber nur mit 18 — 20 Procent Verlust umwechseln kann; zu welchem
Wucher dies Anlaß giebt, welche Menge von Verwirrungen und Betrügereien
hierdurch entstehen, kann man sich leicht denken. Wo ein „Zwanziger" sich verein¬
zelt blicken läßt, da wird förmlich Jagd darauf gemacht, um ihn einzufangen und
sorgfältig aufzubewahren, um sodann größere Summen davon mit Vortheil an die
Geldmäkter umzuwechseln. Besonders das Militair und gar die Officiere, die in
Silbergeld ausbezahlt werden, gewinnen eine nicht unbeträchtliche Summe, indem
sie sich Papiergeld dafür einzutauschen wissen. All dies Silbergeld, was mau
zusammenbringt, geht aber schnell nach Baiern und Würtemberg, theils um das
gekaufte Getreide damit zu bezahlen, da die dortigen Händler gar keine östreichi-
schen Banknoten mehr nehmen, wie es früher der Fall war, theils aber auch
als Handelswaare. In ganz Süddentschland findet man östreichisches Silbergeld
in außerordentlicher Menge, nirgend östreichische Banknoten , die vor dem Jahre
48 in München so beliebt waren, daß man bisweilen 1 — IV- Procent Agio
dafür zahlen mußte. Die Summe, um welche ganz Oestreich und somit auch
Tyrol, durch diese Entwerthung seines Papiergeldes im Auslande, wodurch das¬
selbe wieder zurückgedrängt, statt dessen aber östreichisches Silbergeld dafür
ausgeführt würde, ärmer geworden ist, muß ungeheuer sein. Wie immer aber bei
solchen Gelegenheiten, sind es die unteren Stände, die am Meisten dabei leiden,
während die höheren stets mit verhältnißmäßig viel geringerern Opfern davon
kommen. Dem armen Tyroler Bauern oder Gasthofsbesitzer aus dem Dorfe rech¬
net der östreichische Officier, der bei ihm wohnt, die Banknoten zu vollem
Werthe an, während dieser sie an den bairischen Korn- oder Kälberhändler nur
mit 18 — 20 Procent Verlust wieder absetzen kann. Einzelne Bankiers und Geld¬
wechsler in den höheren Ständen gewinnen oft bedeutende Summen bei diesen
verschiedenen Wcchseloperationeu, die tagtäglich jetzt hier nothwendig sind, der
Kern der arbeitenden und erwerbenden Bevölkerung geht allmälig dabei zu Grunde.
Gerade das Papierunwesen hat dazu- gedient, daß mancher Sparpfennig, den der
Bauer meist für schlimme Zeiten zurücklegte, hervorgeholt, ja selbst schon veraus¬
gabt ist.

Das schlimmste aber ist die Einquartierung! Besonders an den Grenzen ge¬
gen Baiern und dem Bodensee ist diese ganz außerordentlich, denn an 60,000
Mann sind auf dem engen Raum von wenigen Meilen zusammengedrängt. Ein
unbedeutender Marktflecken, ja ein Dorf hat oft 2 — 3 bis 400 Mann beständige
Einquartierung, so daß ein einzelnes Bauerhans mit 6 — 8 — 10 Mann und
dazu vielleicht -s — 5 Pferden belegt ist. Die besten Zimmer, Kammern, Boden,
Ställe in Haus und Hof, muß der Bauer und Bürger seinen militärischen Gästen
und deren Pferden geben und sich selbst mit seiner Familie, Dienstboten und Vieh


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/195>, abgerufen am 27.07.2024.