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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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Die Anstalt ist nützlich/meine Serben renommiren, sie solle nächstens in eine
förmliche Universität umgewandelt werden.

Der Konak des Milos zu Kragujevacz steht noch, ein verfallender, oder Rest
der Prunksucht. Er ist mit Palissaden umgeben und wie ein Nitterschloß befestigt.
Die Einrichtung ist orientalisch prächtig, die Tapeten in den Salons, die
Decken, Teppiche und Ottomanen wenigstens kostbar. An den Wänden Fresken,
wilde Darstellungen aus serbischen Heldenliedern und aus den letzten Kriegen,
sämmtlich von serbischen Künstlern auf des jungem Obrenvvicz Befehl gemalt,
wirr und bunt in der Komposition, roh in der Zeichnung, alterthümlich in der
Technik, denn die serbischen Maler -- das Land besitzt deren viele -- machen
keine Kunstreisen und sehen keine andern Vorbilder, als alte Bilder griechischer
und slavischer Meister, wie sie sich in den serbischen Kirchen und Klöstern ziemlich
zahlreich aus der Zeit der byzantinischen Schule erhalten haben. Seine ganze
Bildung bekommt der serbische Kunstjünger von seinem Meister, der sie wieder
handwerksmäßig in derselben Weise erlernt hat, ohne weiter gewesen zu sein, als
in Semlin und Neusatz, wenn er überhaupt in seinem Leben einmal die weiße
save überschritten hat. Doch erhielt sich nnter den serbischen Malern dnrch Tra¬
dition manch altes, anderwärts längst verschollenes Kunstmittel der Alten. Vir¬
tuos siud sie in Bereitung eines äußerst feurigen Blau und eines seinen Roth,
das sich in Serbien fast jeder Maler nach alten Rezepten selber brant, und beide
Farben kommen an Feuer und Reinheit der Farbenpracht alter Byzantiner ganz
gleich. Es gibt in Serbien noch Maler -- DorsMaler -- die das Geheimniß
der Eukaustik kennen und üben. -- Der alte Milos hat in diesem Konak viel
Geld verthan. Eben kein Freund lukullischer Mahle, brauchte er doch viel für
glänzende Aufzüge, Schaugepränge und Mädchen. Hier, zu Kragujevacz vor
seinem Konak gab er große Feste und veranstaltete häufig seine LieblingSunterhal-
tuug, Feuerwerke, bei denen sein Tyrannenhnmor ein paar Mal Raketen uuter
das Publikum regnen ließ, nur zweimal, denn das serbische Volk duldet
eher das schwerste Joch als kleine herabwürdigende Neckereien. Der alte Herr
hielt seinen Hof am liebsten zu Kragujevacz, weil er da fern war dein großen Zu¬
sammenfluß des mißvergnügten Volks und der mahnenden Warnung treuer
Staatsdiener und Räthe. Hier hauste er auch ganz wie der Padischah von
Stambul, nicht einmal der Harem fehlte, welchen Milos's schlauer Kuppler, Aoram,
immer mit den schönsten Frauen und Mädchen versah. Wenn Milos auf seinem
Konak den Mittagsschlaf hielt, wurden Pandurenwachcn weithin ausgestellt, damit
kein Geräusch den Schläfer störe.

Als ich so ernsthaft vor dem Konak stand, mit dem Rücken an die Trümmer
einer Rotunde gelehnt, die einst eine Moschee gewesen sein soll, trat ein alter
Serbe im suchsverbräinten Pelzrock zu mir, ein Handwerker ans Kragujevacz, ein
verständiges Gesicht, mit grauen Haar und scharfem Blick. Er umkreiste mich


Die Anstalt ist nützlich/meine Serben renommiren, sie solle nächstens in eine
förmliche Universität umgewandelt werden.

Der Konak des Milos zu Kragujevacz steht noch, ein verfallender, oder Rest
der Prunksucht. Er ist mit Palissaden umgeben und wie ein Nitterschloß befestigt.
Die Einrichtung ist orientalisch prächtig, die Tapeten in den Salons, die
Decken, Teppiche und Ottomanen wenigstens kostbar. An den Wänden Fresken,
wilde Darstellungen aus serbischen Heldenliedern und aus den letzten Kriegen,
sämmtlich von serbischen Künstlern auf des jungem Obrenvvicz Befehl gemalt,
wirr und bunt in der Komposition, roh in der Zeichnung, alterthümlich in der
Technik, denn die serbischen Maler — das Land besitzt deren viele — machen
keine Kunstreisen und sehen keine andern Vorbilder, als alte Bilder griechischer
und slavischer Meister, wie sie sich in den serbischen Kirchen und Klöstern ziemlich
zahlreich aus der Zeit der byzantinischen Schule erhalten haben. Seine ganze
Bildung bekommt der serbische Kunstjünger von seinem Meister, der sie wieder
handwerksmäßig in derselben Weise erlernt hat, ohne weiter gewesen zu sein, als
in Semlin und Neusatz, wenn er überhaupt in seinem Leben einmal die weiße
save überschritten hat. Doch erhielt sich nnter den serbischen Malern dnrch Tra¬
dition manch altes, anderwärts längst verschollenes Kunstmittel der Alten. Vir¬
tuos siud sie in Bereitung eines äußerst feurigen Blau und eines seinen Roth,
das sich in Serbien fast jeder Maler nach alten Rezepten selber brant, und beide
Farben kommen an Feuer und Reinheit der Farbenpracht alter Byzantiner ganz
gleich. Es gibt in Serbien noch Maler — DorsMaler — die das Geheimniß
der Eukaustik kennen und üben. — Der alte Milos hat in diesem Konak viel
Geld verthan. Eben kein Freund lukullischer Mahle, brauchte er doch viel für
glänzende Aufzüge, Schaugepränge und Mädchen. Hier, zu Kragujevacz vor
seinem Konak gab er große Feste und veranstaltete häufig seine LieblingSunterhal-
tuug, Feuerwerke, bei denen sein Tyrannenhnmor ein paar Mal Raketen uuter
das Publikum regnen ließ, nur zweimal, denn das serbische Volk duldet
eher das schwerste Joch als kleine herabwürdigende Neckereien. Der alte Herr
hielt seinen Hof am liebsten zu Kragujevacz, weil er da fern war dein großen Zu¬
sammenfluß des mißvergnügten Volks und der mahnenden Warnung treuer
Staatsdiener und Räthe. Hier hauste er auch ganz wie der Padischah von
Stambul, nicht einmal der Harem fehlte, welchen Milos's schlauer Kuppler, Aoram,
immer mit den schönsten Frauen und Mädchen versah. Wenn Milos auf seinem
Konak den Mittagsschlaf hielt, wurden Pandurenwachcn weithin ausgestellt, damit
kein Geräusch den Schläfer störe.

Als ich so ernsthaft vor dem Konak stand, mit dem Rücken an die Trümmer
einer Rotunde gelehnt, die einst eine Moschee gewesen sein soll, trat ein alter
Serbe im suchsverbräinten Pelzrock zu mir, ein Handwerker ans Kragujevacz, ein
verständiges Gesicht, mit grauen Haar und scharfem Blick. Er umkreiste mich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/140>, abgerufen am 27.07.2024.