Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Sünden des Tempels, betritt nur der fnngireude Pope in seiner Tracht, an den
Hohenpriester des alten Bundes erinnernd; dort geschieht, ungesehen vom Volk,
die Consecration des Brodes und Weines. Denn das Volk braucht nicht Alles
zu sehen. Der Hochaltar ist ein bis zur Deckenwölbung ragender, reichverzierter
Bilderschrein, von welchem man durch zwei Thüren in das Allerheiligste gelangt.
Zu des Altars beiden Seiten stehen unter karmoisinem Baldachin zwei Thron¬
stuhle; einen besteigt der Metropolit von Belgrad, den andern der regierende
Fürst. Des Fürsten Throustuhl ist mit Sammt, Vergoldung und Stickerei ge¬
ziert, über demselben hängt auf einer karmvisinrothen Tapete das prächtig ge¬
stickte serbische Wappen, ein silbernes Krenz mit vier Fenerstählen im rothen Felde,
bedeckt von Fürstcnhnt und Mantel, darüber eine slavische Inschrift in chrillischen
Lettern, deren Sinn ist: "O Herr, mein Eifer für dich ist so groß,
daß er alle meine Lebtage verzehrt." -- Die stolzen, prnnkliebenden
Obrenovicze zeigten sich öfter auf dem Ehreustuhle als der jetzige Fürst, der
bürgerlich schlichte Alexander Karageorgevicz. In dieser Kirche findet seit Milos
die Inthronisation der serbischen Fürsten statt, nach einem Ritual, das noch aus
den Zeiten der Nemanicze stammt und von Milos's erstem Geheimschreiber Davi-
dovicz passend arrangirt worden ist. Der neue Fürst hält vorher unter freiem
Himmel eine Rede von der Tribüne an das versammelte Volk und bekräftigt die
serbische Landesverfassung, die Ustava, nach öffentlicher Vorlesung derselben durch
den StaatSsckretair, mit seinem Schwur und der eigenhändigen Namensunter¬
schrift. Dann geht es im feierlichen Zuge nach der Kirche, wo die Verfassungs-
urkunde auf seidenem Kissen an den Stufen des Altars niedergelegt wird. Der
Belgrader Metropolit oder sonst ein Bischof hält von der Kanzel herab eine
Rede über die Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Verfassung und spricht dem Für¬
sten wie dem Volk gleich eindringlich ins Herz. Der Fürst hört stehend, dann
setzt er sich auf seinen Stuhl, und die Aeltesten des Volks überreichen ihm einen kost¬
bar ciselirten Säbel und auf einer Schüssel Brod und Salz. Der Fürst gürtet
aufstehend den Säbel um seine Lenden, dann bricht er das Brod und ißt ein
Stück davon in Salz getaucht. Ein Bischof kredenzt ihm einen Becher, bis an
den Rand gefüllt mit weißem Wein, diesen leert der Juthronisirte zu Gottes
Ehre und auf des serbischen Volkes Wohl und schwingt ihn dann, gleichsam zur
Nagelprobe, dreimal im Kreise. -- So wird man in Serbien Fürst; daß in der
Cereinome das Essen und Trinken nicht vergessen ist, zeigt von gesundem Sinn
des Erfinders.

Nahe der Kirche befindet sich das Gebäude, welches Fürst Milos Obre-
novicz zu einem Lyceum erbauen ließ. Jetzt wirds zu andern Zwecken verwendet,
weil Fürst Alexander die Lehranstalt nach Belgrad übertragen ließ, wo sie gut
besucht, praktisch eingerichtet und mit tüchtigen Lehrern besetzt wurde, darunter
Stein, Dr. Janos Safarik, Nenadovicz, des berühmten Helden Sohn u. A.


17*

Sünden des Tempels, betritt nur der fnngireude Pope in seiner Tracht, an den
Hohenpriester des alten Bundes erinnernd; dort geschieht, ungesehen vom Volk,
die Consecration des Brodes und Weines. Denn das Volk braucht nicht Alles
zu sehen. Der Hochaltar ist ein bis zur Deckenwölbung ragender, reichverzierter
Bilderschrein, von welchem man durch zwei Thüren in das Allerheiligste gelangt.
Zu des Altars beiden Seiten stehen unter karmoisinem Baldachin zwei Thron¬
stuhle; einen besteigt der Metropolit von Belgrad, den andern der regierende
Fürst. Des Fürsten Throustuhl ist mit Sammt, Vergoldung und Stickerei ge¬
ziert, über demselben hängt auf einer karmvisinrothen Tapete das prächtig ge¬
stickte serbische Wappen, ein silbernes Krenz mit vier Fenerstählen im rothen Felde,
bedeckt von Fürstcnhnt und Mantel, darüber eine slavische Inschrift in chrillischen
Lettern, deren Sinn ist: „O Herr, mein Eifer für dich ist so groß,
daß er alle meine Lebtage verzehrt." — Die stolzen, prnnkliebenden
Obrenovicze zeigten sich öfter auf dem Ehreustuhle als der jetzige Fürst, der
bürgerlich schlichte Alexander Karageorgevicz. In dieser Kirche findet seit Milos
die Inthronisation der serbischen Fürsten statt, nach einem Ritual, das noch aus
den Zeiten der Nemanicze stammt und von Milos's erstem Geheimschreiber Davi-
dovicz passend arrangirt worden ist. Der neue Fürst hält vorher unter freiem
Himmel eine Rede von der Tribüne an das versammelte Volk und bekräftigt die
serbische Landesverfassung, die Ustava, nach öffentlicher Vorlesung derselben durch
den StaatSsckretair, mit seinem Schwur und der eigenhändigen Namensunter¬
schrift. Dann geht es im feierlichen Zuge nach der Kirche, wo die Verfassungs-
urkunde auf seidenem Kissen an den Stufen des Altars niedergelegt wird. Der
Belgrader Metropolit oder sonst ein Bischof hält von der Kanzel herab eine
Rede über die Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Verfassung und spricht dem Für¬
sten wie dem Volk gleich eindringlich ins Herz. Der Fürst hört stehend, dann
setzt er sich auf seinen Stuhl, und die Aeltesten des Volks überreichen ihm einen kost¬
bar ciselirten Säbel und auf einer Schüssel Brod und Salz. Der Fürst gürtet
aufstehend den Säbel um seine Lenden, dann bricht er das Brod und ißt ein
Stück davon in Salz getaucht. Ein Bischof kredenzt ihm einen Becher, bis an
den Rand gefüllt mit weißem Wein, diesen leert der Juthronisirte zu Gottes
Ehre und auf des serbischen Volkes Wohl und schwingt ihn dann, gleichsam zur
Nagelprobe, dreimal im Kreise. — So wird man in Serbien Fürst; daß in der
Cereinome das Essen und Trinken nicht vergessen ist, zeigt von gesundem Sinn
des Erfinders.

Nahe der Kirche befindet sich das Gebäude, welches Fürst Milos Obre-
novicz zu einem Lyceum erbauen ließ. Jetzt wirds zu andern Zwecken verwendet,
weil Fürst Alexander die Lehranstalt nach Belgrad übertragen ließ, wo sie gut
besucht, praktisch eingerichtet und mit tüchtigen Lehrern besetzt wurde, darunter
Stein, Dr. Janos Safarik, Nenadovicz, des berühmten Helden Sohn u. A.


17*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0139" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85722"/>
            <p xml:id="ID_489" prev="#ID_488"> Sünden des Tempels, betritt nur der fnngireude Pope in seiner Tracht, an den<lb/>
Hohenpriester des alten Bundes erinnernd; dort geschieht, ungesehen vom Volk,<lb/>
die Consecration des Brodes und Weines. Denn das Volk braucht nicht Alles<lb/>
zu sehen. Der Hochaltar ist ein bis zur Deckenwölbung ragender, reichverzierter<lb/>
Bilderschrein, von welchem man durch zwei Thüren in das Allerheiligste gelangt.<lb/>
Zu des Altars beiden Seiten stehen unter karmoisinem Baldachin zwei Thron¬<lb/>
stuhle; einen besteigt der Metropolit von Belgrad, den andern der regierende<lb/>
Fürst. Des Fürsten Throustuhl ist mit Sammt, Vergoldung und Stickerei ge¬<lb/>
ziert, über demselben hängt auf einer karmvisinrothen Tapete das prächtig ge¬<lb/>
stickte serbische Wappen, ein silbernes Krenz mit vier Fenerstählen im rothen Felde,<lb/>
bedeckt von Fürstcnhnt und Mantel, darüber eine slavische Inschrift in chrillischen<lb/>
Lettern, deren Sinn ist: &#x201E;O Herr, mein Eifer für dich ist so groß,<lb/>
daß er alle meine Lebtage verzehrt." &#x2014; Die stolzen, prnnkliebenden<lb/>
Obrenovicze zeigten sich öfter auf dem Ehreustuhle als der jetzige Fürst, der<lb/>
bürgerlich schlichte Alexander Karageorgevicz. In dieser Kirche findet seit Milos<lb/>
die Inthronisation der serbischen Fürsten statt, nach einem Ritual, das noch aus<lb/>
den Zeiten der Nemanicze stammt und von Milos's erstem Geheimschreiber Davi-<lb/>
dovicz passend arrangirt worden ist. Der neue Fürst hält vorher unter freiem<lb/>
Himmel eine Rede von der Tribüne an das versammelte Volk und bekräftigt die<lb/>
serbische Landesverfassung, die Ustava, nach öffentlicher Vorlesung derselben durch<lb/>
den StaatSsckretair, mit seinem Schwur und der eigenhändigen Namensunter¬<lb/>
schrift. Dann geht es im feierlichen Zuge nach der Kirche, wo die Verfassungs-<lb/>
urkunde auf seidenem Kissen an den Stufen des Altars niedergelegt wird. Der<lb/>
Belgrader Metropolit oder sonst ein Bischof hält von der Kanzel herab eine<lb/>
Rede über die Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Verfassung und spricht dem Für¬<lb/>
sten wie dem Volk gleich eindringlich ins Herz. Der Fürst hört stehend, dann<lb/>
setzt er sich auf seinen Stuhl, und die Aeltesten des Volks überreichen ihm einen kost¬<lb/>
bar ciselirten Säbel und auf einer Schüssel Brod und Salz. Der Fürst gürtet<lb/>
aufstehend den Säbel um seine Lenden, dann bricht er das Brod und ißt ein<lb/>
Stück davon in Salz getaucht. Ein Bischof kredenzt ihm einen Becher, bis an<lb/>
den Rand gefüllt mit weißem Wein, diesen leert der Juthronisirte zu Gottes<lb/>
Ehre und auf des serbischen Volkes Wohl und schwingt ihn dann, gleichsam zur<lb/>
Nagelprobe, dreimal im Kreise. &#x2014; So wird man in Serbien Fürst; daß in der<lb/>
Cereinome das Essen und Trinken nicht vergessen ist, zeigt von gesundem Sinn<lb/>
des Erfinders.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_490" next="#ID_491"> Nahe der Kirche befindet sich das Gebäude, welches Fürst Milos Obre-<lb/>
novicz zu einem Lyceum erbauen ließ. Jetzt wirds zu andern Zwecken verwendet,<lb/>
weil Fürst Alexander die Lehranstalt nach Belgrad übertragen ließ, wo sie gut<lb/>
besucht, praktisch eingerichtet und mit tüchtigen Lehrern besetzt wurde, darunter<lb/>
Stein, Dr. Janos Safarik, Nenadovicz, des berühmten Helden Sohn u. A.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 17*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0139] Sünden des Tempels, betritt nur der fnngireude Pope in seiner Tracht, an den Hohenpriester des alten Bundes erinnernd; dort geschieht, ungesehen vom Volk, die Consecration des Brodes und Weines. Denn das Volk braucht nicht Alles zu sehen. Der Hochaltar ist ein bis zur Deckenwölbung ragender, reichverzierter Bilderschrein, von welchem man durch zwei Thüren in das Allerheiligste gelangt. Zu des Altars beiden Seiten stehen unter karmoisinem Baldachin zwei Thron¬ stuhle; einen besteigt der Metropolit von Belgrad, den andern der regierende Fürst. Des Fürsten Throustuhl ist mit Sammt, Vergoldung und Stickerei ge¬ ziert, über demselben hängt auf einer karmvisinrothen Tapete das prächtig ge¬ stickte serbische Wappen, ein silbernes Krenz mit vier Fenerstählen im rothen Felde, bedeckt von Fürstcnhnt und Mantel, darüber eine slavische Inschrift in chrillischen Lettern, deren Sinn ist: „O Herr, mein Eifer für dich ist so groß, daß er alle meine Lebtage verzehrt." — Die stolzen, prnnkliebenden Obrenovicze zeigten sich öfter auf dem Ehreustuhle als der jetzige Fürst, der bürgerlich schlichte Alexander Karageorgevicz. In dieser Kirche findet seit Milos die Inthronisation der serbischen Fürsten statt, nach einem Ritual, das noch aus den Zeiten der Nemanicze stammt und von Milos's erstem Geheimschreiber Davi- dovicz passend arrangirt worden ist. Der neue Fürst hält vorher unter freiem Himmel eine Rede von der Tribüne an das versammelte Volk und bekräftigt die serbische Landesverfassung, die Ustava, nach öffentlicher Vorlesung derselben durch den StaatSsckretair, mit seinem Schwur und der eigenhändigen Namensunter¬ schrift. Dann geht es im feierlichen Zuge nach der Kirche, wo die Verfassungs- urkunde auf seidenem Kissen an den Stufen des Altars niedergelegt wird. Der Belgrader Metropolit oder sonst ein Bischof hält von der Kanzel herab eine Rede über die Heiligkeit und Unverletzlichkeit der Verfassung und spricht dem Für¬ sten wie dem Volk gleich eindringlich ins Herz. Der Fürst hört stehend, dann setzt er sich auf seinen Stuhl, und die Aeltesten des Volks überreichen ihm einen kost¬ bar ciselirten Säbel und auf einer Schüssel Brod und Salz. Der Fürst gürtet aufstehend den Säbel um seine Lenden, dann bricht er das Brod und ißt ein Stück davon in Salz getaucht. Ein Bischof kredenzt ihm einen Becher, bis an den Rand gefüllt mit weißem Wein, diesen leert der Juthronisirte zu Gottes Ehre und auf des serbischen Volkes Wohl und schwingt ihn dann, gleichsam zur Nagelprobe, dreimal im Kreise. — So wird man in Serbien Fürst; daß in der Cereinome das Essen und Trinken nicht vergessen ist, zeigt von gesundem Sinn des Erfinders. Nahe der Kirche befindet sich das Gebäude, welches Fürst Milos Obre- novicz zu einem Lyceum erbauen ließ. Jetzt wirds zu andern Zwecken verwendet, weil Fürst Alexander die Lehranstalt nach Belgrad übertragen ließ, wo sie gut besucht, praktisch eingerichtet und mit tüchtigen Lehrern besetzt wurde, darunter Stein, Dr. Janos Safarik, Nenadovicz, des berühmten Helden Sohn u. A. 17*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/139
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/139>, abgerufen am 27.07.2024.