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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.

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kröne anbietet, der aber von Gcfühlsconflicten, von der Rücksicht gegen andere
Fürsten, der Neigung zum Frieden n. tgi. -- nach so verschiedenen Seiten be¬
wegt wird, daß er den günstigen Moment vorübergehen läßt -- ich fing schon an,
mich darüber zu wundern, daß die Berliner Hofbühne das Wagniß solcher An¬
züglichkeiten übernehme; aber ich wurde durch die Fortsetzung bald enttäuscht, die
Anspielung war nirgend anders gewesen, als in meinem eigenen Gemüth, das
sich der leidigen Politik nicht entschlagen konnte.

Davon abgesehen, haben wir ein Hohenstaufenstück wie andere der Art. Der
Inhalt ist folgender. Der Held ist Otto von Braunschweig, Sohn Heinrichs des
Löwen, Gegenkaiser Philipps und Friedrichs II.

Erster Act. Otto'S Vasallen, sowie die Norddeutschen Fürsten und die
Abgeordneten der Kirche, äußern ihre Unzufriedenheit darüber, daß Otto sich
noch immer nicht entschließen kann, die ihm angebotene Krone anzunehmen. Theils
halten ihn moralische Bedenken zurück, theils die Liebe zu einer jungen schönen
Italienerin, die er mit sich führt, Cäcilie von Albano. Vergebens suchen sie ihn
diesem Gesühlsconflicte zu entreißen. Er will auch in politischen Dingen ledig¬
lich seinem Herzen folgen -- ein Vorhaben, in welchem er von einer romantischen
Person in seiner Umgebung, einem Harfner, wesentlich bestärkt wird -- und be¬
schließt endlich, da dieses Herz nicht deutlich genug zu sprechen scheint, die Ent-
scheidung seiner Geliebten zu überlassen.

Diese hat den jungen Fürsten einst auf ihrem Landgut aufgenommen, als
alle Deutschen von den Italienern umgebracht wurden, und ihm das Leben ge¬
rettet. Es hat sich dann ein Liebesverhältniß zwischen ihnen gebildet, und sie ist
mit ihm aus dein väterlichen Hause entfloh". Der Vater, wie wir später erfah¬
ren, hat ihr geflucht, und ist dann gestorben. Sic glaubt also ungemessene An¬
sprüche auf Otto's Liebe und Dankbarkeit zu haben. -- Es ist ihr aus Italien
eine junge Römerin gefolgt, Namens Lara, theils um die "Vertraute" der fran¬
zösischen Comödie zu spielen, und ihrer Gebieterin Gelegenheit zu geben, sich über
ihre Empfindungen und Entschlüsse auszusprechen, theils um ihre Ueberspanntheit
durch bösen, wenn auch gutgemeinten Rath zu steigern. -- Cäcilie ist ehrgeizig,
und insofern wäre ihr die Krone ganz erwünscht; aber sie ist auch eifersüchtig, und
mochte ihres Geliebten Neigung auch nicht einmal mit diesem kostbaren Spielzeug
theilen. Sie hat ihn bis dahin zurückgehalten, um den Thron zu werben. Zu¬
letzt aber saßt sie die Frage von einem höhern Standpunkt. Erst soll er sich in
dem Kampf um die Krone als Held bewähren, und dann der Krone zu Gunsten
seiner Liebe entsagen. Als er sie also fragt, ob er König werden soll oder nicht,
ruft sie ihm ein stolzes Vorwärts! zu, und er zieht aus, nachdem er vorher das
Gelübde abgelegt, in ihren Armen zu sterben.

Zweiter Act. Otto liegt mit seinem Heere vor Aachen. Die Einnahme
dieser Stadt soll über das Schicksal des Reichs entscheiden. -- Cäcilie ist ihm


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kröne anbietet, der aber von Gcfühlsconflicten, von der Rücksicht gegen andere
Fürsten, der Neigung zum Frieden n. tgi. — nach so verschiedenen Seiten be¬
wegt wird, daß er den günstigen Moment vorübergehen läßt — ich fing schon an,
mich darüber zu wundern, daß die Berliner Hofbühne das Wagniß solcher An¬
züglichkeiten übernehme; aber ich wurde durch die Fortsetzung bald enttäuscht, die
Anspielung war nirgend anders gewesen, als in meinem eigenen Gemüth, das
sich der leidigen Politik nicht entschlagen konnte.

Davon abgesehen, haben wir ein Hohenstaufenstück wie andere der Art. Der
Inhalt ist folgender. Der Held ist Otto von Braunschweig, Sohn Heinrichs des
Löwen, Gegenkaiser Philipps und Friedrichs II.

Erster Act. Otto'S Vasallen, sowie die Norddeutschen Fürsten und die
Abgeordneten der Kirche, äußern ihre Unzufriedenheit darüber, daß Otto sich
noch immer nicht entschließen kann, die ihm angebotene Krone anzunehmen. Theils
halten ihn moralische Bedenken zurück, theils die Liebe zu einer jungen schönen
Italienerin, die er mit sich führt, Cäcilie von Albano. Vergebens suchen sie ihn
diesem Gesühlsconflicte zu entreißen. Er will auch in politischen Dingen ledig¬
lich seinem Herzen folgen — ein Vorhaben, in welchem er von einer romantischen
Person in seiner Umgebung, einem Harfner, wesentlich bestärkt wird — und be¬
schließt endlich, da dieses Herz nicht deutlich genug zu sprechen scheint, die Ent-
scheidung seiner Geliebten zu überlassen.

Diese hat den jungen Fürsten einst auf ihrem Landgut aufgenommen, als
alle Deutschen von den Italienern umgebracht wurden, und ihm das Leben ge¬
rettet. Es hat sich dann ein Liebesverhältniß zwischen ihnen gebildet, und sie ist
mit ihm aus dein väterlichen Hause entfloh». Der Vater, wie wir später erfah¬
ren, hat ihr geflucht, und ist dann gestorben. Sic glaubt also ungemessene An¬
sprüche auf Otto's Liebe und Dankbarkeit zu haben. — Es ist ihr aus Italien
eine junge Römerin gefolgt, Namens Lara, theils um die „Vertraute" der fran¬
zösischen Comödie zu spielen, und ihrer Gebieterin Gelegenheit zu geben, sich über
ihre Empfindungen und Entschlüsse auszusprechen, theils um ihre Ueberspanntheit
durch bösen, wenn auch gutgemeinten Rath zu steigern. — Cäcilie ist ehrgeizig,
und insofern wäre ihr die Krone ganz erwünscht; aber sie ist auch eifersüchtig, und
mochte ihres Geliebten Neigung auch nicht einmal mit diesem kostbaren Spielzeug
theilen. Sie hat ihn bis dahin zurückgehalten, um den Thron zu werben. Zu¬
letzt aber saßt sie die Frage von einem höhern Standpunkt. Erst soll er sich in
dem Kampf um die Krone als Held bewähren, und dann der Krone zu Gunsten
seiner Liebe entsagen. Als er sie also fragt, ob er König werden soll oder nicht,
ruft sie ihm ein stolzes Vorwärts! zu, und er zieht aus, nachdem er vorher das
Gelübde abgelegt, in ihren Armen zu sterben.

Zweiter Act. Otto liegt mit seinem Heere vor Aachen. Die Einnahme
dieser Stadt soll über das Schicksal des Reichs entscheiden. — Cäcilie ist ihm


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_85583/131>, abgerufen am 01.09.2024.