Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, II. Semester. I. Band.der, dramatischen Darstellung in Warschau, obschon man damals noch in dem er¬ Das ist jetzt anders geworden. Gleich nach der Unterwerfung Polens im Endlich erschien die Erlaubniß, das polnische Theater wieder zu eröffne"! ja die der, dramatischen Darstellung in Warschau, obschon man damals noch in dem er¬ Das ist jetzt anders geworden. Gleich nach der Unterwerfung Polens im Endlich erschien die Erlaubniß, das polnische Theater wieder zu eröffne»! ja die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0109" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/85692"/> <p xml:id="ID_382" prev="#ID_381"> der, dramatischen Darstellung in Warschau, obschon man damals noch in dem er¬<lb/> bärmlichen kleinen Hause am krasinskische» Platze spielte, auch in deutschen, fran¬<lb/> zösischen und englischen Artikel» besprochen.</p><lb/> <p xml:id="ID_383"> Das ist jetzt anders geworden. Gleich nach der Unterwerfung Polens im<lb/> Jahr wurden die Theater, stabile und ambulante, geschlossen. Ein politi¬<lb/> scher Akt schien alle zugleich vernichten zu sollen, und der Plan, nur dann ihr<lb/> Fortbestehen zu gestatte», wenn sie mit russischen Schauspielern besetzt würden,<lb/> war allerdings gefaßt worden. Allem, nachdem die russische Negierung von<lb/> ihre»? ersten Zorn zurückkam, fand sie, daß das unmöglich war. Das Ofstzier-<lb/> corps der Besatzung Polens, wie groß diese auch war, konnte russische<lb/> Theater doch nimmermehr erhalte», und wo wollte man die russische» dramatischen<lb/> Künstler hernehme»? Aber wenigstens in Warschau wollte sie mit Gewalt ein<lb/> russisches Theater einrichten, hatte sie doch bereits eine russische Zeitung stiften<lb/> lasse». Ihre Gewalt hatte Großes gethan, ungeheure Festuilge» erbaut und<lb/> manches Größere niedergerissen, aber ein russisches Theater brachte sie uicht zu<lb/> Stande, ja selbst die Zeitung, welche Geldsummen man ihr auch geopfert hatte,<lb/> starb ohne ein ordentliches Leben gewonnen zu haben.</p><lb/> <p xml:id="ID_384" next="#ID_385"> Endlich erschien die Erlaubniß, das polnische Theater wieder zu eröffne»! ja die<lb/> Laune, welche zuvor gegen dasselbe aufgewallt war, wendete sich jetzt demselben zu,<lb/> natürlich uicht ohne Nebenabsichten. Das dürftige kleine Theater am krasinskischen<lb/> Platze, das einzige der Stadt Warschau außer dem sehr entlegenen Amphitheater<lb/> und dem kleinen Hvfthearer deö Königs Stanislaus August, wurde aufgegeben<lb/> und eine Summe vou vier Millionen Gulden zur Erbauung von zwei großen<lb/> prächtigen Theatern bestimmt. Die Leitung des Baues, so wie die Direktion der<lb/> Kunst wurde nach russischem System einem General, Herrn v. Rautenstrauch, einem<lb/> mehr als siebzigjährige», an Körper und Geist absterbenden Manne übertragen. Die<lb/> Bühnen erwuchsen prächtig, auf das Großartigste und Glänzendste ausgeführt, beide<lb/> in einem und demselben Hause. Es befindet sich dem Rathhaus gegenüber und<lb/> nimmt die eine ganze Langseite des Hauptmarktes el», hat el»e Länge von zwei-<lb/> huudcrtuudsechzig Schritten. Das Parterregebälk ist von einer Reihe ungeheuer<lb/> dummer, viereckiger Master getragen, wie sie nur selten die Baukunst außerhalb<lb/> Nußland aufgerichtet hat. Ueber diese» Pilaster» stehe», das Gebälk des<lb/> ersten Stockwerks tragend, korinthische, schön gearbeitete Säulen. Ans dem Dach<lb/> erheben sich noch drei verjüngende Stockwerke. Das Gebäude hat eine Höhe von<lb/> ungefähr 160 Fuß und ist das Kolossalste, was Warschau an Bauwerken aufzu¬<lb/> weisen hat. Da man die Schauspieler militärisch, nach russische»! Styl zu behan¬<lb/> deln beabsichtigte, so hat man es zugleich kaserueiimäßig eingerichtet, so, daß gegen<lb/> fimfhuudert Meuschen in demselben wohnen, die größtentheils dem Theater auge¬<lb/> hören. Die beiden Bühnen sind von einem deutschen Baumeister unter der nicht<lb/> selten zum Nachtheil sich einmischenden Inspection des Generals gebaut worden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0109]
der, dramatischen Darstellung in Warschau, obschon man damals noch in dem er¬
bärmlichen kleinen Hause am krasinskische» Platze spielte, auch in deutschen, fran¬
zösischen und englischen Artikel» besprochen.
Das ist jetzt anders geworden. Gleich nach der Unterwerfung Polens im
Jahr wurden die Theater, stabile und ambulante, geschlossen. Ein politi¬
scher Akt schien alle zugleich vernichten zu sollen, und der Plan, nur dann ihr
Fortbestehen zu gestatte», wenn sie mit russischen Schauspielern besetzt würden,
war allerdings gefaßt worden. Allem, nachdem die russische Negierung von
ihre»? ersten Zorn zurückkam, fand sie, daß das unmöglich war. Das Ofstzier-
corps der Besatzung Polens, wie groß diese auch war, konnte russische
Theater doch nimmermehr erhalte», und wo wollte man die russische» dramatischen
Künstler hernehme»? Aber wenigstens in Warschau wollte sie mit Gewalt ein
russisches Theater einrichten, hatte sie doch bereits eine russische Zeitung stiften
lasse». Ihre Gewalt hatte Großes gethan, ungeheure Festuilge» erbaut und
manches Größere niedergerissen, aber ein russisches Theater brachte sie uicht zu
Stande, ja selbst die Zeitung, welche Geldsummen man ihr auch geopfert hatte,
starb ohne ein ordentliches Leben gewonnen zu haben.
Endlich erschien die Erlaubniß, das polnische Theater wieder zu eröffne»! ja die
Laune, welche zuvor gegen dasselbe aufgewallt war, wendete sich jetzt demselben zu,
natürlich uicht ohne Nebenabsichten. Das dürftige kleine Theater am krasinskischen
Platze, das einzige der Stadt Warschau außer dem sehr entlegenen Amphitheater
und dem kleinen Hvfthearer deö Königs Stanislaus August, wurde aufgegeben
und eine Summe vou vier Millionen Gulden zur Erbauung von zwei großen
prächtigen Theatern bestimmt. Die Leitung des Baues, so wie die Direktion der
Kunst wurde nach russischem System einem General, Herrn v. Rautenstrauch, einem
mehr als siebzigjährige», an Körper und Geist absterbenden Manne übertragen. Die
Bühnen erwuchsen prächtig, auf das Großartigste und Glänzendste ausgeführt, beide
in einem und demselben Hause. Es befindet sich dem Rathhaus gegenüber und
nimmt die eine ganze Langseite des Hauptmarktes el», hat el»e Länge von zwei-
huudcrtuudsechzig Schritten. Das Parterregebälk ist von einer Reihe ungeheuer
dummer, viereckiger Master getragen, wie sie nur selten die Baukunst außerhalb
Nußland aufgerichtet hat. Ueber diese» Pilaster» stehe», das Gebälk des
ersten Stockwerks tragend, korinthische, schön gearbeitete Säulen. Ans dem Dach
erheben sich noch drei verjüngende Stockwerke. Das Gebäude hat eine Höhe von
ungefähr 160 Fuß und ist das Kolossalste, was Warschau an Bauwerken aufzu¬
weisen hat. Da man die Schauspieler militärisch, nach russische»! Styl zu behan¬
deln beabsichtigte, so hat man es zugleich kaserueiimäßig eingerichtet, so, daß gegen
fimfhuudert Meuschen in demselben wohnen, die größtentheils dem Theater auge¬
hören. Die beiden Bühnen sind von einem deutschen Baumeister unter der nicht
selten zum Nachtheil sich einmischenden Inspection des Generals gebaut worden.
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