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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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meine Erlebnisse sich abspielten, so bitte ich an Geduld, wenn ich hier die beiden
Städte kurz protraitirc. An einer Berglehne liegt die Stadt Miava, im Thal
läuft der Bach mit gleichem Namen. Es ist eine öde, sterile, unheimliche Ge¬
gend, die finstern Wälder sind noch der beste Schmuck der breitgivfligcn Anhöhen;
eine lehmige Bodendecke überzieht die Landschaft, überall durch fahles Gelb die
Angen ermüdend, von zahlreichen Schluchten und Wasserrissen durchzogen. Durch
die Stadt führt eine lebhafte Handelsstraße, über Stara Tnra nach Mähren,
welche am Tage durch Lastwagen und starken Verkehr belebt wird; bei Nacht
schleicht der bewaffnete Schmuggler mit seinem Pack abwärts von ihr dnrch die
Thalschluchten. Sehr übel berüchtigt sind die Männer dieser Stadt. In den
Sommermonaten zwar zieht der größte Theil der Bevölkerung nach den frucht¬
baren Ebenen hinab, um dein Magyaren die Erndte einzuholen und sich das Win¬
terbrod zu erarbeiten, und auch in der übrigen Zeit des Jahres ist der Miavecz
nicht müßig, er handelt mit Frucht, Vieh und Knopern, (Eichelhülsen, dem be¬
kannten Gerbcmittel) die er in den südlichen Gegenden sammelt und nach Mähren
und Schlesien sährt; er webt das dicke weiße Halinatnch und das Beutelzeug,
welches fast in allen Mühlen Ungarns begehrt wird, oder er sährt fremde Frach¬
ten auf der Gebirgsstraße. Aber außerdem ist er ein gefährlicher Schmuggler, der
Taback aus Ungarn und Manufakturen ans Oestreich spedirt und von seinen
Waffen unbarmherzig Gebrauch macht, die Zollbeamten höhnt und ihnen Schlach¬
ten liefert, und wenn das Alles schlecht rentirt, so ist er ein grausamer Räuber,
der auf nächtlichen Einbruch, wie auf offenen Straßenrand ausgeht, in der ganzen
Gegend gefürchtet, mit der Gerechtigkeit in ewiger Fehde, sehr roh, sehr unwissend,
und trotz all dieser Erwerbzweige doch uicht wohlhabend.

Nur wenige Stunden von diesem wüsten Platz liegt Brezova. Auch hier ist
die Gegend nicht schön, aber der Schlag Leute, welcher darin wohnt, hat dnrch
eine gesunde Tüchtigkeit seiner Stadt in ganz Ungarn einen Ruf gegeben, welcher
fast das Gegentheil von dein Nenommve ist, in welchem ihre häßliche Nachbarin
Miava steht. Brezova mit 6000 kräftigen, arbeitsamen und meist wohlhabenden
Einwohnern, ist die Stadt der Lohgerber. Hier ist Jeder zugleich Bauer und
Handwerker. Der junge Brezovaner kehrt am Abend mit dein Pfluge heim, bestellt
das Vieh, und geht nach eingenommener Mahlzeit in die Werkstätte seines Vaters,
um diesem in der Lohgrube oder am Krispelbret zu helfen. Der Brezovaner
verarbeitet die geringen Rinds- und Pferdeleder zu leichten Sohlen und Oberleder
für die botu, Banernstiefeln, und d"o8l"irn eine Art Sandalen, von welchen
der arme slovakische Edelmann den Namen bueskorc^ nomos, Sandalenedcl-
mann, erhalten hat: anch gerbt er Schaf- und Lammfelle zu Futterleder, das fast
im ganzen Lande die Runde macht. Da aber das rohe Leder nur im Süden in
größeren Massen zu senden ist, und auch das Fabrikat in den benachbarten Comi-
taten, nicht genng Konsumenten findet, so ist der Fabrikant genöthigt, einen großen


meine Erlebnisse sich abspielten, so bitte ich an Geduld, wenn ich hier die beiden
Städte kurz protraitirc. An einer Berglehne liegt die Stadt Miava, im Thal
läuft der Bach mit gleichem Namen. Es ist eine öde, sterile, unheimliche Ge¬
gend, die finstern Wälder sind noch der beste Schmuck der breitgivfligcn Anhöhen;
eine lehmige Bodendecke überzieht die Landschaft, überall durch fahles Gelb die
Angen ermüdend, von zahlreichen Schluchten und Wasserrissen durchzogen. Durch
die Stadt führt eine lebhafte Handelsstraße, über Stara Tnra nach Mähren,
welche am Tage durch Lastwagen und starken Verkehr belebt wird; bei Nacht
schleicht der bewaffnete Schmuggler mit seinem Pack abwärts von ihr dnrch die
Thalschluchten. Sehr übel berüchtigt sind die Männer dieser Stadt. In den
Sommermonaten zwar zieht der größte Theil der Bevölkerung nach den frucht¬
baren Ebenen hinab, um dein Magyaren die Erndte einzuholen und sich das Win¬
terbrod zu erarbeiten, und auch in der übrigen Zeit des Jahres ist der Miavecz
nicht müßig, er handelt mit Frucht, Vieh und Knopern, (Eichelhülsen, dem be¬
kannten Gerbcmittel) die er in den südlichen Gegenden sammelt und nach Mähren
und Schlesien sährt; er webt das dicke weiße Halinatnch und das Beutelzeug,
welches fast in allen Mühlen Ungarns begehrt wird, oder er sährt fremde Frach¬
ten auf der Gebirgsstraße. Aber außerdem ist er ein gefährlicher Schmuggler, der
Taback aus Ungarn und Manufakturen ans Oestreich spedirt und von seinen
Waffen unbarmherzig Gebrauch macht, die Zollbeamten höhnt und ihnen Schlach¬
ten liefert, und wenn das Alles schlecht rentirt, so ist er ein grausamer Räuber,
der auf nächtlichen Einbruch, wie auf offenen Straßenrand ausgeht, in der ganzen
Gegend gefürchtet, mit der Gerechtigkeit in ewiger Fehde, sehr roh, sehr unwissend,
und trotz all dieser Erwerbzweige doch uicht wohlhabend.

Nur wenige Stunden von diesem wüsten Platz liegt Brezova. Auch hier ist
die Gegend nicht schön, aber der Schlag Leute, welcher darin wohnt, hat dnrch
eine gesunde Tüchtigkeit seiner Stadt in ganz Ungarn einen Ruf gegeben, welcher
fast das Gegentheil von dein Nenommve ist, in welchem ihre häßliche Nachbarin
Miava steht. Brezova mit 6000 kräftigen, arbeitsamen und meist wohlhabenden
Einwohnern, ist die Stadt der Lohgerber. Hier ist Jeder zugleich Bauer und
Handwerker. Der junge Brezovaner kehrt am Abend mit dein Pfluge heim, bestellt
das Vieh, und geht nach eingenommener Mahlzeit in die Werkstätte seines Vaters,
um diesem in der Lohgrube oder am Krispelbret zu helfen. Der Brezovaner
verarbeitet die geringen Rinds- und Pferdeleder zu leichten Sohlen und Oberleder
für die botu, Banernstiefeln, und d»o8l«irn eine Art Sandalen, von welchen
der arme slovakische Edelmann den Namen bueskorc^ nomos, Sandalenedcl-
mann, erhalten hat: anch gerbt er Schaf- und Lammfelle zu Futterleder, das fast
im ganzen Lande die Runde macht. Da aber das rohe Leder nur im Süden in
größeren Massen zu senden ist, und auch das Fabrikat in den benachbarten Comi-
taten, nicht genng Konsumenten findet, so ist der Fabrikant genöthigt, einen großen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/69>, abgerufen am 22.07.2024.