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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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dann geradezu nach Wien gehen." Görgeh dachte hierauf etwas nach und ant¬
wortete: nein, das würde unpolitisch sein.

(Fortsetzung folgt.) -




Kleine Correspondenz und Notizen.



Alexander Dumas hat eine neue literarische Speculation unternommen; er
hat die Memoiren Talma's herausgegeben, "öorits p"r lui-nemo, recueillis et mis vn
orclre par I"s p-ipiors "1o sa samilllz." Das Buch ist augenscheinlich -- wenigstens
zum großen Theil -- eine Windbeutelei. Der Stil unseres Romancier, und seine celtische
Erfindungsgabe, wo er sich nicht auf Wiederholung bekannter Anekdoten beschränkt, leuchtet
zu sehr hervor, als daß man sich über den Ursprung dieser angeblichen Memoiren täuschen
sollte. Ob einzelne Notizen von Talma's Hand denselben zu Grunde liegen, ist mit
Bestimmtheit weder zu bejahen noch zu verneinen. --

Von Lamartine erscheint im Feuilleton des Konstitutionell ein neuer Roman:
tivnvviövz, dessen Einleitung wieder so viel süßliche Selbstgefälligkeit verräth, wie sie
nur in irgend einer der frühern Schriften dieses eitlen Dichters gesucht werden kann. --

Karl Gutzkow hat einen neunbändigcn Roman geschrieben: der Ritter vom
Geist, der vom 1. Juli ab im Beiblatt der Deutschen Allgemeinen Zeitung zu erscheinen
bestimmt ist. --

Meyerbeer's Prophet als Kunstwerk hat in Dr. E. N. Lindner (Berlin,
Gärtner) einen Kritiker gesunden, der das ernstliche Bestreben hat wissenschaftlich zu sein.
Das Resultat dieser Kritik ist: "das Werk ist als Kunstwerk in jeder Beziehung, verfehlt,
giebt aber den besten Beweis, daß der Componist, wenn er will, vorzugsweise befähigt
ist, die musicalisch-dramatische Form neu zu gestalten und zwar nicht nur annäherungs¬
weise anbahnend, sondern in wahrer Vollendung. --

Begum Snmro (Wien, Lechner) heißt ein neues Trauerspiel von C. Paul
(Dr. Faust Prachtlcr), welches eine Episode der englischen Kriege in Indien im drittelt
Viertel des vorigen Jahrhunderts behandelt, und bei allen Schwächen eine gewisse Er¬
findungsgabe verräth. --

Souvenirs ä'un vovgze äans la ? si l-irie, lo el. !a Lump,
ponägiit, les gnnves 1844, 1846 ot 1846, par U. Uno, pielre missionairo et"
I" vongrvgslion cle Le. I^aiiaro. -- Zwei französische Priester, Huc und Gabel, haben
die ziemlich unbekannten Gegenden der Tartarei und Thibet in christlichen Zwecken durch¬
reist. Sie haben vorher in einem längern Aufenthalt in China die Sprache, Sitten
und Gebräuche des Landes studirt und sind dann in Begleitung eines bekehrten Lama
unter die Tartaren gegangen, mit zwei Kameelen, im Lamacostüm, das ihnen überall
Eingang beim Volk verschaffte. Sie haben ihr Zelt gleich den Nomaden in der Wild-
niß aufgeschlagen und nach dem Vorbild der alten Jesuiten das Christenthum, das sie


dann geradezu nach Wien gehen." Görgeh dachte hierauf etwas nach und ant¬
wortete: nein, das würde unpolitisch sein.

(Fortsetzung folgt.) -




Kleine Correspondenz und Notizen.



Alexander Dumas hat eine neue literarische Speculation unternommen; er
hat die Memoiren Talma's herausgegeben, „öorits p»r lui-nemo, recueillis et mis vn
orclre par I«s p-ipiors «1o sa samilllz." Das Buch ist augenscheinlich — wenigstens
zum großen Theil — eine Windbeutelei. Der Stil unseres Romancier, und seine celtische
Erfindungsgabe, wo er sich nicht auf Wiederholung bekannter Anekdoten beschränkt, leuchtet
zu sehr hervor, als daß man sich über den Ursprung dieser angeblichen Memoiren täuschen
sollte. Ob einzelne Notizen von Talma's Hand denselben zu Grunde liegen, ist mit
Bestimmtheit weder zu bejahen noch zu verneinen. —

Von Lamartine erscheint im Feuilleton des Konstitutionell ein neuer Roman:
tivnvviövz, dessen Einleitung wieder so viel süßliche Selbstgefälligkeit verräth, wie sie
nur in irgend einer der frühern Schriften dieses eitlen Dichters gesucht werden kann. —

Karl Gutzkow hat einen neunbändigcn Roman geschrieben: der Ritter vom
Geist, der vom 1. Juli ab im Beiblatt der Deutschen Allgemeinen Zeitung zu erscheinen
bestimmt ist. —

Meyerbeer's Prophet als Kunstwerk hat in Dr. E. N. Lindner (Berlin,
Gärtner) einen Kritiker gesunden, der das ernstliche Bestreben hat wissenschaftlich zu sein.
Das Resultat dieser Kritik ist: „das Werk ist als Kunstwerk in jeder Beziehung, verfehlt,
giebt aber den besten Beweis, daß der Componist, wenn er will, vorzugsweise befähigt
ist, die musicalisch-dramatische Form neu zu gestalten und zwar nicht nur annäherungs¬
weise anbahnend, sondern in wahrer Vollendung. —

Begum Snmro (Wien, Lechner) heißt ein neues Trauerspiel von C. Paul
(Dr. Faust Prachtlcr), welches eine Episode der englischen Kriege in Indien im drittelt
Viertel des vorigen Jahrhunderts behandelt, und bei allen Schwächen eine gewisse Er¬
findungsgabe verräth. —

Souvenirs ä'un vovgze äans la ? si l-irie, lo el. !a Lump,
ponägiit, les gnnves 1844, 1846 ot 1846, par U. Uno, pielre missionairo et»
I» vongrvgslion cle Le. I^aiiaro. — Zwei französische Priester, Huc und Gabel, haben
die ziemlich unbekannten Gegenden der Tartarei und Thibet in christlichen Zwecken durch¬
reist. Sie haben vorher in einem längern Aufenthalt in China die Sprache, Sitten
und Gebräuche des Landes studirt und sind dann in Begleitung eines bekehrten Lama
unter die Tartaren gegangen, mit zwei Kameelen, im Lamacostüm, das ihnen überall
Eingang beim Volk verschaffte. Sie haben ihr Zelt gleich den Nomaden in der Wild-
niß aufgeschlagen und nach dem Vorbild der alten Jesuiten das Christenthum, das sie


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[0526] dann geradezu nach Wien gehen." Görgeh dachte hierauf etwas nach und ant¬ wortete: nein, das würde unpolitisch sein. (Fortsetzung folgt.) - Kleine Correspondenz und Notizen. Alexander Dumas hat eine neue literarische Speculation unternommen; er hat die Memoiren Talma's herausgegeben, „öorits p»r lui-nemo, recueillis et mis vn orclre par I«s p-ipiors «1o sa samilllz." Das Buch ist augenscheinlich — wenigstens zum großen Theil — eine Windbeutelei. Der Stil unseres Romancier, und seine celtische Erfindungsgabe, wo er sich nicht auf Wiederholung bekannter Anekdoten beschränkt, leuchtet zu sehr hervor, als daß man sich über den Ursprung dieser angeblichen Memoiren täuschen sollte. Ob einzelne Notizen von Talma's Hand denselben zu Grunde liegen, ist mit Bestimmtheit weder zu bejahen noch zu verneinen. — Von Lamartine erscheint im Feuilleton des Konstitutionell ein neuer Roman: tivnvviövz, dessen Einleitung wieder so viel süßliche Selbstgefälligkeit verräth, wie sie nur in irgend einer der frühern Schriften dieses eitlen Dichters gesucht werden kann. — Karl Gutzkow hat einen neunbändigcn Roman geschrieben: der Ritter vom Geist, der vom 1. Juli ab im Beiblatt der Deutschen Allgemeinen Zeitung zu erscheinen bestimmt ist. — Meyerbeer's Prophet als Kunstwerk hat in Dr. E. N. Lindner (Berlin, Gärtner) einen Kritiker gesunden, der das ernstliche Bestreben hat wissenschaftlich zu sein. Das Resultat dieser Kritik ist: „das Werk ist als Kunstwerk in jeder Beziehung, verfehlt, giebt aber den besten Beweis, daß der Componist, wenn er will, vorzugsweise befähigt ist, die musicalisch-dramatische Form neu zu gestalten und zwar nicht nur annäherungs¬ weise anbahnend, sondern in wahrer Vollendung. — Begum Snmro (Wien, Lechner) heißt ein neues Trauerspiel von C. Paul (Dr. Faust Prachtlcr), welches eine Episode der englischen Kriege in Indien im drittelt Viertel des vorigen Jahrhunderts behandelt, und bei allen Schwächen eine gewisse Er¬ findungsgabe verräth. — Souvenirs ä'un vovgze äans la ? si l-irie, lo el. !a Lump, ponägiit, les gnnves 1844, 1846 ot 1846, par U. Uno, pielre missionairo et» I» vongrvgslion cle Le. I^aiiaro. — Zwei französische Priester, Huc und Gabel, haben die ziemlich unbekannten Gegenden der Tartarei und Thibet in christlichen Zwecken durch¬ reist. Sie haben vorher in einem längern Aufenthalt in China die Sprache, Sitten und Gebräuche des Landes studirt und sind dann in Begleitung eines bekehrten Lama unter die Tartaren gegangen, mit zwei Kameelen, im Lamacostüm, das ihnen überall Eingang beim Volk verschaffte. Sie haben ihr Zelt gleich den Nomaden in der Wild- niß aufgeschlagen und nach dem Vorbild der alten Jesuiten das Christenthum, das sie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/526>, abgerufen am 03.07.2024.