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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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defilirten in Gödöllö vor Kossuth. Als meine Division, die polnische Legion und
die Mahnen bei ihm vorüberzogen, zog er den Hut ab und stand baarhanpt und
sich tief beugend die ganze Zeit des Vorübermarsches. Meine Division und die
polnische Legion galten auch wirtlich überall sür die tapfersten Truppen und
hatten alle Ehrenzeichen an ihren Fahnen.

Von hier ging es nach Wachen, welches wir den 10. April, und zwar meine
Division, mit dem Bayonnet nahmen, trotz der tapfern Gegenwehr des östreichischen
Generals JablonvwSti. Hier muß ich eines sonderbaren Ereignisses erwähnen.
Beim Einzuge nach Wachen empfingen uns die östreichischen Tirailleure mit
heftigem Feuer, die polnische Legion wurde an der Brücke dadurch etwas aufge¬
halten, da stürzte der ungarische Major'Feldwary, ein tollkühner Soldat, auf
unsern Fahnenträger DerezynSki und will ihm die Fahne entreißen; dieser stößt
thu entrüstet zurück und erstürmt nun an der Spade der Legion die Brücke. Feld-
wary verbreitete hierauf die Lüge, den Polen hätte der Muth gefehlt. Bei dieser
Gelegenheit machte ich die traurige Erfahrung, daß auch in der Umgebung Gör-
geys, der die Polen selbst nicht liebte, eine Partei war, die uns verleumdete.
Die feindliche Gesinnung Görgeys gegen Dembinöki und die Zeitungsartikel,
welche so viel vom den Polen und ihren Thaten erzählten, erregten und mehrten
den Neid und Haß der Ungarn, welche sich sonst tapfer schlugen, gegen uns Polen.

Unsere rücksichtlosen jungen Polen vergrößerten die Zwietracht; stolz ans
die polnische Tapferkeit sahen sie mit Verachtung auf die magyarischen Offiziere,
denen sie nie die ihrem Range gebührenden Honneurs erwiesen; sie prahlten,
daß sie allein Ungarns Aufstand aufrecht erhalten hätten, klagten über der Ungarn
Gleichgiltigkeit gegen sie und die polnische Sache und ertrugen, verweichlicht in
Arad, nnr mit Widerwillen das viele Ungemach des Kriegs. In dieser traurigen
Lage suchte ich so viel ich konnte zu vermitteln, schlug deshalb keinen meiner
Leute zu Belohnungen vor und war verlegen, wenn meine Ungarn in Gegenwart
magyarischer Generale ihr Kljeu XVysvoKi schrien -- ich machte auf magyarische
Dankbarkeit keinen Anspruch, denn ich hatte nur mein Vaterland vor Augen.

Von Wachen aus ging ich mit Klapka's Corps nach Szarlo zu, wo der Feind
mit 35,000 Mann stand, ich erhielt das Commando des linken Flügels, wir
griffen mit etwa 18,000 Mann an, ehe nur GaSpari zu Hilfe kam. Nach
tapferer Gegenwehr schlugen wir sie aus der Stadt, hinter der sie sich nochmals
aufstellten. Klapka schlug die Oestreicher und verfolgte sie lebhaft, ich erhielt von
Damiauicz den Befehl nicht vorzurücken, und der Obrist Kassoni, dem ich befahl,
die in Unordnung fliehenden Feinde zu verfolgen, ließ mir antworten, die Caval-
lerie wäre dazu zu ermüdet; so entgingen die Oestreichs ihrem völligen Unter¬
gange. Damianicz dankte der polnischen Legion für ihre Tapferkeit, und des
Abends am Bivoualfeuer sagte Görgcy scherzend zu mir: "Herr Wysocki, was werden
wir nun machen?" -- Ich antwortete in demselben Tone: "Komorn mes"chen und


defilirten in Gödöllö vor Kossuth. Als meine Division, die polnische Legion und
die Mahnen bei ihm vorüberzogen, zog er den Hut ab und stand baarhanpt und
sich tief beugend die ganze Zeit des Vorübermarsches. Meine Division und die
polnische Legion galten auch wirtlich überall sür die tapfersten Truppen und
hatten alle Ehrenzeichen an ihren Fahnen.

Von hier ging es nach Wachen, welches wir den 10. April, und zwar meine
Division, mit dem Bayonnet nahmen, trotz der tapfern Gegenwehr des östreichischen
Generals JablonvwSti. Hier muß ich eines sonderbaren Ereignisses erwähnen.
Beim Einzuge nach Wachen empfingen uns die östreichischen Tirailleure mit
heftigem Feuer, die polnische Legion wurde an der Brücke dadurch etwas aufge¬
halten, da stürzte der ungarische Major'Feldwary, ein tollkühner Soldat, auf
unsern Fahnenträger DerezynSki und will ihm die Fahne entreißen; dieser stößt
thu entrüstet zurück und erstürmt nun an der Spade der Legion die Brücke. Feld-
wary verbreitete hierauf die Lüge, den Polen hätte der Muth gefehlt. Bei dieser
Gelegenheit machte ich die traurige Erfahrung, daß auch in der Umgebung Gör-
geys, der die Polen selbst nicht liebte, eine Partei war, die uns verleumdete.
Die feindliche Gesinnung Görgeys gegen Dembinöki und die Zeitungsartikel,
welche so viel vom den Polen und ihren Thaten erzählten, erregten und mehrten
den Neid und Haß der Ungarn, welche sich sonst tapfer schlugen, gegen uns Polen.

Unsere rücksichtlosen jungen Polen vergrößerten die Zwietracht; stolz ans
die polnische Tapferkeit sahen sie mit Verachtung auf die magyarischen Offiziere,
denen sie nie die ihrem Range gebührenden Honneurs erwiesen; sie prahlten,
daß sie allein Ungarns Aufstand aufrecht erhalten hätten, klagten über der Ungarn
Gleichgiltigkeit gegen sie und die polnische Sache und ertrugen, verweichlicht in
Arad, nnr mit Widerwillen das viele Ungemach des Kriegs. In dieser traurigen
Lage suchte ich so viel ich konnte zu vermitteln, schlug deshalb keinen meiner
Leute zu Belohnungen vor und war verlegen, wenn meine Ungarn in Gegenwart
magyarischer Generale ihr Kljeu XVysvoKi schrien — ich machte auf magyarische
Dankbarkeit keinen Anspruch, denn ich hatte nur mein Vaterland vor Augen.

Von Wachen aus ging ich mit Klapka's Corps nach Szarlo zu, wo der Feind
mit 35,000 Mann stand, ich erhielt das Commando des linken Flügels, wir
griffen mit etwa 18,000 Mann an, ehe nur GaSpari zu Hilfe kam. Nach
tapferer Gegenwehr schlugen wir sie aus der Stadt, hinter der sie sich nochmals
aufstellten. Klapka schlug die Oestreicher und verfolgte sie lebhaft, ich erhielt von
Damiauicz den Befehl nicht vorzurücken, und der Obrist Kassoni, dem ich befahl,
die in Unordnung fliehenden Feinde zu verfolgen, ließ mir antworten, die Caval-
lerie wäre dazu zu ermüdet; so entgingen die Oestreichs ihrem völligen Unter¬
gange. Damianicz dankte der polnischen Legion für ihre Tapferkeit, und des
Abends am Bivoualfeuer sagte Görgcy scherzend zu mir: „Herr Wysocki, was werden
wir nun machen?" — Ich antwortete in demselben Tone: „Komorn mes«chen und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/525>, abgerufen am 03.07.2024.