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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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vorgebracht hätte. Nach meiner Rückkehr marschirte ich den 23. Februar mit
dem Damianicz'schen Corps nach Cibal'haza, wo wir längere Zeit unthätig standen.

Indessen fanden die Schlachten bei Kapolna Verpelet und Mezö-Köveöd
statt, in welchen sich Dembinski, mit großem Muth jeder Gefahr sich selbst aus¬
setzend, geschlagen hatte und vielleicht gesiegt haben wurde, wenn Görgey zu
rechter Zeit gekommen wäre. Die magyarischen Generale lohnten ihm mit dem
empfindlichsten Undank, man warf ihm Verrath vor nud umstellte seine Wohnung
mit Wachen. Es kann wohl sein, daß DembinSki die Anführer verletzend be¬
handelte, was ich um so leichter annehmen kann, nachdem ich ihn selbst genauer
kennen gelernt hatte, aber unwürdig war es, ihm Verrath anzudichten.

Erst den 2. März gingen wir über die Theis und griffen deu 5. März
Solnok an. Ich commandirte die 1. Linie. Damianicz gab drei mal Befehl zum
Angriff und eben so oft Gegenbefehl; eine östreichische Batterie brachte schon
Wanken in unsern linken Flügel, es kam alles ans die Einnahme Solnots an, um
auch dem Vecsayschen Corps auf der andern Seite des Flusses den Uebergang
zu eröffnen, und nicht geschlagen zu werden. Ich stürmte daher an der Spitze
eines Bataillons Solnok, und so entschied sich die Schlacht. Der Rittmeister
Poninöki schlug mit 120 Mann Mahnen zwei östreichische Divisionen Reiterei (?)
in die Flucht und nahm 5 Kanonen, hinter ihm kamen erst die ungarischen Hu¬
saren, der tapfere Lieutenant Rzepecki faud hier den Tod. Da bei Soluok keine
günstige Stellung war, gingen wir bis Törck - Seile - Mikleö zurück, und hier
traten unter mein Commando uoch eine Compagnie des Zollowöki und^zwei deö
Nembowski. Das Hanpteommando über beide Nrmeeabtheilnngen erhielt hier
der General Vetter, was uns nichts Gutes brachte. Damiauicz konnte sich mit
Vetter nicht einigen, und trennte sich von ihm. In der größten Unordnung, ohne
Lebensmittel und ohne Feuer in sehr kalter Zeit, zogen wir uns wieder nach
Cibakhaza zurück und verlöre" mehr Leute als durch eine Schlacht. Kossuth
bemühte sich ans alle Weise die Eintracht zu erhalten, Vetter behielt den Ober¬
befehl, wurde jedoch gleich kraut und trat ab, als Görgey mit seinem Corps an¬
kam und nnn den Oberbefehl übernahm.

Im Ganzen war die Lage Ungarns vom 1. Januar bis Ende April ver-
zweiflungsvoll, man kann sagen Kossuth war der Einzige, der nicht den Muth
verlor, und dessen Energie mit der Gefahr wuchs. Die Polen leisteten den Un¬
garn große Dienste in dieser Zeit; obgleich die Zahl nnr klein war--die ganze
Legion nnr 80V Mann Infanterie und Kavallerie, so waren sie doch überall die
ersten beim Angriff, die letzten bei der Retirade, so daß es in allen Zeitblättern
hieß, die polnische Legion betrage 1V bis 20,000 Mann. Von der andern Seite
muß mau gestehen, daß, so tapfer die Polen waren, es ihnen an Ordnungsliebe
und Subordination mangelte. Da die Regierung immer neue Führer und Or¬
ganisatoren mit großen Vollmachten ernannte, wollte jeder regieren, Niemand


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vorgebracht hätte. Nach meiner Rückkehr marschirte ich den 23. Februar mit
dem Damianicz'schen Corps nach Cibal'haza, wo wir längere Zeit unthätig standen.

Indessen fanden die Schlachten bei Kapolna Verpelet und Mezö-Köveöd
statt, in welchen sich Dembinski, mit großem Muth jeder Gefahr sich selbst aus¬
setzend, geschlagen hatte und vielleicht gesiegt haben wurde, wenn Görgey zu
rechter Zeit gekommen wäre. Die magyarischen Generale lohnten ihm mit dem
empfindlichsten Undank, man warf ihm Verrath vor nud umstellte seine Wohnung
mit Wachen. Es kann wohl sein, daß DembinSki die Anführer verletzend be¬
handelte, was ich um so leichter annehmen kann, nachdem ich ihn selbst genauer
kennen gelernt hatte, aber unwürdig war es, ihm Verrath anzudichten.

Erst den 2. März gingen wir über die Theis und griffen deu 5. März
Solnok an. Ich commandirte die 1. Linie. Damianicz gab drei mal Befehl zum
Angriff und eben so oft Gegenbefehl; eine östreichische Batterie brachte schon
Wanken in unsern linken Flügel, es kam alles ans die Einnahme Solnots an, um
auch dem Vecsayschen Corps auf der andern Seite des Flusses den Uebergang
zu eröffnen, und nicht geschlagen zu werden. Ich stürmte daher an der Spitze
eines Bataillons Solnok, und so entschied sich die Schlacht. Der Rittmeister
Poninöki schlug mit 120 Mann Mahnen zwei östreichische Divisionen Reiterei (?)
in die Flucht und nahm 5 Kanonen, hinter ihm kamen erst die ungarischen Hu¬
saren, der tapfere Lieutenant Rzepecki faud hier den Tod. Da bei Soluok keine
günstige Stellung war, gingen wir bis Törck - Seile - Mikleö zurück, und hier
traten unter mein Commando uoch eine Compagnie des Zollowöki und^zwei deö
Nembowski. Das Hanpteommando über beide Nrmeeabtheilnngen erhielt hier
der General Vetter, was uns nichts Gutes brachte. Damiauicz konnte sich mit
Vetter nicht einigen, und trennte sich von ihm. In der größten Unordnung, ohne
Lebensmittel und ohne Feuer in sehr kalter Zeit, zogen wir uns wieder nach
Cibakhaza zurück und verlöre» mehr Leute als durch eine Schlacht. Kossuth
bemühte sich ans alle Weise die Eintracht zu erhalten, Vetter behielt den Ober¬
befehl, wurde jedoch gleich kraut und trat ab, als Görgey mit seinem Corps an¬
kam und nnn den Oberbefehl übernahm.

Im Ganzen war die Lage Ungarns vom 1. Januar bis Ende April ver-
zweiflungsvoll, man kann sagen Kossuth war der Einzige, der nicht den Muth
verlor, und dessen Energie mit der Gefahr wuchs. Die Polen leisteten den Un¬
garn große Dienste in dieser Zeit; obgleich die Zahl nnr klein war—die ganze
Legion nnr 80V Mann Infanterie und Kavallerie, so waren sie doch überall die
ersten beim Angriff, die letzten bei der Retirade, so daß es in allen Zeitblättern
hieß, die polnische Legion betrage 1V bis 20,000 Mann. Von der andern Seite
muß mau gestehen, daß, so tapfer die Polen waren, es ihnen an Ordnungsliebe
und Subordination mangelte. Da die Regierung immer neue Führer und Or¬
ganisatoren mit großen Vollmachten ernannte, wollte jeder regieren, Niemand


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/523>, abgerufen am 22.07.2024.