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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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ten. Das Hauptmotiv meines Antrags, was ich jedoch verschwieg, war, das;
ich gegen die Serben, unsere slavischen Brüder, nicht kämpfen wollte, einen
Kampf, in welchem Vertilgung ganzer Stämme das gegenseitige Ziel war. Meine
Meinung siegte. Einige Tage hierauf liest mich Damianicz rufen und erklärte
mir, daß er mit seinem Corps nach Szvlnvk marschire, und ich zum Anführer
aller Truppen bei Arad und im Banat ernannt sei. Mit Festigkeit erklärte ich,
diese Ernennung nicht annehmen zu können; als Pole müßte ich auf meinem Vor¬
schlag bestehen, mit meinem Bataillon zu seinem Corps zu gehören und Arad zu
verlassen, widrigenfalls würde ich die Entlassung nehmen und die polnische Legion
auflösen. Nach dieser Erklärung berathschlagte Damianicz mit dem Regiernngs-
evmmissair und genehmigte meinen Antrag. Ich erhielt noch zu meinem Bataillon
eine ungarische Brigade, und marschirte mit dem Hauptcorps nach Szentcö, wo
wir einige Tage unthätig standen. Damianicz gab mir den Befehl, nach De-
breczyn zu gehen und die Regierung zu bewegen, wenigstens das Corps des
Vecsay mit dem seinigen zu verbinden.

Als ich nach Debreczyn kam, sprach ich znerst mit dem Kriegsminister Mes-
zaros, der mir sogleich von vornherein erklärte, Vecsay wolle dein Damianicz und
dieser dem Vecsay sich nicht unterordnen, ich möchte mit deiir Chef des General¬
stabs, dem Obristen Stein, sprechen. Dieser, ein Mann von großen Fähigkeiten,
aber ein scharfer Kritiker, beschrieb mir beide Generale sehr kurz, doch nicht
schmeichelhaft, und verwies mich ans den Erfolg der Operation des zum Ober
general in Oberungarn ernannten. Dembinski, mit dem ich dann unterhandeln
müsse. Kossuth nahm, mich sehr artig ans und dankte mir für meine bisher be¬
wiesene Aufopferung, machte mir anch die gewisse Aussicht, in Kurzem die pol¬
nischen Truppen alle unter meinem Befehl zu vereinigen. Vom General Dem¬
binski sprach er mit dem größten Lobe und rühmte seinen Ruck'zug nach Lit-
thauen. Gegen Bem schien er etwas zu haben, sprach jedoch von ihm mit der
größten Rücksicht. In der That sahen alle Ungarn damals in Dembinöti den
von der Vorsehung Gesandten, um die Uneinigkeit unter den Generalen, von
denen sich keiner dem andern unterordnen wollte, zu beenden. Schon jetzt jedoch
äußerte Kossuth die Besorgnis;, ob Gvrgey sich dein Dembinski unterordnen werde.
Schließlich theilte er mir mit, daß mich Damianicz zum. Obersten vorgeschlagen
hätte, und bat mich um diesen Rang nicht des Ranges wegen, wie er sich aus¬
drückte, souderu, da ich zu einem größern Kommando bestimmt wäre, der Mili-
tairhierarchie wegen, anzunehmen. Eine Offizicrdcputatiou des Ncmbowski'schen
Corps suchte mich hier ans, mir das Commando desselben anbietend, mit der
Bedingung jedoch, daß die Wahl der Offiziere so wie bisher den Gemeinen
verbleibe. Ich erklärte ihnen, daß ich keine Bedingungen eingehen, am wenig¬
sten diese Einrichtungen einführen würde, die nnr Anarchie und Unordnung her-


ten. Das Hauptmotiv meines Antrags, was ich jedoch verschwieg, war, das;
ich gegen die Serben, unsere slavischen Brüder, nicht kämpfen wollte, einen
Kampf, in welchem Vertilgung ganzer Stämme das gegenseitige Ziel war. Meine
Meinung siegte. Einige Tage hierauf liest mich Damianicz rufen und erklärte
mir, daß er mit seinem Corps nach Szvlnvk marschire, und ich zum Anführer
aller Truppen bei Arad und im Banat ernannt sei. Mit Festigkeit erklärte ich,
diese Ernennung nicht annehmen zu können; als Pole müßte ich auf meinem Vor¬
schlag bestehen, mit meinem Bataillon zu seinem Corps zu gehören und Arad zu
verlassen, widrigenfalls würde ich die Entlassung nehmen und die polnische Legion
auflösen. Nach dieser Erklärung berathschlagte Damianicz mit dem Regiernngs-
evmmissair und genehmigte meinen Antrag. Ich erhielt noch zu meinem Bataillon
eine ungarische Brigade, und marschirte mit dem Hauptcorps nach Szentcö, wo
wir einige Tage unthätig standen. Damianicz gab mir den Befehl, nach De-
breczyn zu gehen und die Regierung zu bewegen, wenigstens das Corps des
Vecsay mit dem seinigen zu verbinden.

Als ich nach Debreczyn kam, sprach ich znerst mit dem Kriegsminister Mes-
zaros, der mir sogleich von vornherein erklärte, Vecsay wolle dein Damianicz und
dieser dem Vecsay sich nicht unterordnen, ich möchte mit deiir Chef des General¬
stabs, dem Obristen Stein, sprechen. Dieser, ein Mann von großen Fähigkeiten,
aber ein scharfer Kritiker, beschrieb mir beide Generale sehr kurz, doch nicht
schmeichelhaft, und verwies mich ans den Erfolg der Operation des zum Ober
general in Oberungarn ernannten. Dembinski, mit dem ich dann unterhandeln
müsse. Kossuth nahm, mich sehr artig ans und dankte mir für meine bisher be¬
wiesene Aufopferung, machte mir anch die gewisse Aussicht, in Kurzem die pol¬
nischen Truppen alle unter meinem Befehl zu vereinigen. Vom General Dem¬
binski sprach er mit dem größten Lobe und rühmte seinen Ruck'zug nach Lit-
thauen. Gegen Bem schien er etwas zu haben, sprach jedoch von ihm mit der
größten Rücksicht. In der That sahen alle Ungarn damals in Dembinöti den
von der Vorsehung Gesandten, um die Uneinigkeit unter den Generalen, von
denen sich keiner dem andern unterordnen wollte, zu beenden. Schon jetzt jedoch
äußerte Kossuth die Besorgnis;, ob Gvrgey sich dein Dembinski unterordnen werde.
Schließlich theilte er mir mit, daß mich Damianicz zum. Obersten vorgeschlagen
hätte, und bat mich um diesen Rang nicht des Ranges wegen, wie er sich aus¬
drückte, souderu, da ich zu einem größern Kommando bestimmt wäre, der Mili-
tairhierarchie wegen, anzunehmen. Eine Offizicrdcputatiou des Ncmbowski'schen
Corps suchte mich hier ans, mir das Commando desselben anbietend, mit der
Bedingung jedoch, daß die Wahl der Offiziere so wie bisher den Gemeinen
verbleibe. Ich erklärte ihnen, daß ich keine Bedingungen eingehen, am wenig¬
sten diese Einrichtungen einführen würde, die nnr Anarchie und Unordnung her-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/522>, abgerufen am 24.08.2024.