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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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den Sie selbst in östreichischen ZeitungSblättern zur Genüge angedeutet finden.
Hier, in dem "schwierigen" Ungarn, wollen argwöhnische Augen anch in dieser
Maßregel einen verkappten Polizeistreich erblicken. Briefe mit erbrochenen Sie¬
gel, und die sind in unsern Tagen keine Seltenheit, lassen sich nicht wohl mit
Anstand an die Adressaten abgeben, das gänzliche Unterschlagen solcher Briefe
würde aber einen bedeutenden Portoverlust erzeugen; ist aber der Brief vorher
frautirt, so kann die Polizei ihre unschuldigen (Experimente anstellen, ohne mit
der StaatSötonomie in Kollision zu gerathen.

Ich habe Ihnen in meinem vorigen Schreiben von einigen GenSdarmenercessen
berichtet; wir haben seit dieser Zeit Fortschritte gemacht. So haben dieser Tage
mehrere Honved in der Borschoder Gespannschast, die assentirt werden sollten,
den Wächtern der Ordnung ein förmliches Treffen geliefert, und sie konnten erst
dann bewältigt werden, nachdem vier von ihnen todt und die Mehrheit der
übrigen verwundet ans dem Kampfplatz lagen. Nach Angabe der amtlichen
Blätter haben die Gensdarmen in diesem Gefechte l7 Mann verloren; von den
übrig gebliebenen Honved wurden einige standrechtlich erschossen. Glücklicher
war eine Honvedabtheilnug am Plattensee, die ebenfalls mit den Gensdarmen
handgemein wurde; -- ein Dutzend der gehaßten Häscher wurde niedergemacht,
und die siegreichen Insurgenten flohen in den nahe gelegenen wohlberüchtigten
Bakanger Wald. Bei den im Lande garuifonireuden eingereihten Honved kom¬
men übrigens täglich zahlreiche Desertionen vor, und die unglücklichen Flüchtlinge
finden bei dem Landvolke aller Nationalitäten eine sichere Zufluchtsstätte.

Unter den Tagesbegebenheiten machte die am 2. dieses Monats er¬
folgte Einziehung deö Or. Saphir, Redacteur des "Spiegel", lind die Beschlag¬
nahme aller seiner und seines Mitarbeiters Leivitschnik (Versasser der famosen
hyperlogalen "Silhouetten") großes Aussehen. Ihre Leser mögen hier Einiges
über die "Irrfahrten" des Herrn Saphir vernehmen. Derselbe ist der umge¬
taufte Neffe des Wiener M. G. Saphir. Bor dem März war er Mitarbeiter
des Mein'schen "Ungar," eines in magyarisch - liberalem Sinne gehaltenen belle¬
tristischen Journals. Nach dem März fuhr der "Ungar" fort, im Interesse sei¬
ner siegreichen Partei zu wirken, allein theils durch die Anfeindungen der Pesther
Spießbürger (Klein ist Jude, und in der berüchtigten judenfeindlichen. Petition,
welche diese beim Ministerin"! Batthyani einreichten, war einer der drei
Hauptpunkte, Herrn Klein die Herausgabe seines Journals zu verbieten;
dies geschah im April a es tzeh u h und ert und acht und vierzig),
theils von dem herannahenden Sturm zurückschrecke"!), verkaufte Klein sein
Blatt an den Buchdruckereiinhaber Lnkatsch, welcher dasselbe in ein rein poli¬
tisches verwandelte, und Gustav Zcrffi und I. Dangya als Redacteure
austeilte. Allein Saphir meinte, nach dem Sinne der Errungenschaften könne
niemand ein Journal als sein Eigenthum berrachteu (?) und es an einen


den Sie selbst in östreichischen ZeitungSblättern zur Genüge angedeutet finden.
Hier, in dem „schwierigen" Ungarn, wollen argwöhnische Augen anch in dieser
Maßregel einen verkappten Polizeistreich erblicken. Briefe mit erbrochenen Sie¬
gel, und die sind in unsern Tagen keine Seltenheit, lassen sich nicht wohl mit
Anstand an die Adressaten abgeben, das gänzliche Unterschlagen solcher Briefe
würde aber einen bedeutenden Portoverlust erzeugen; ist aber der Brief vorher
frautirt, so kann die Polizei ihre unschuldigen (Experimente anstellen, ohne mit
der StaatSötonomie in Kollision zu gerathen.

Ich habe Ihnen in meinem vorigen Schreiben von einigen GenSdarmenercessen
berichtet; wir haben seit dieser Zeit Fortschritte gemacht. So haben dieser Tage
mehrere Honved in der Borschoder Gespannschast, die assentirt werden sollten,
den Wächtern der Ordnung ein förmliches Treffen geliefert, und sie konnten erst
dann bewältigt werden, nachdem vier von ihnen todt und die Mehrheit der
übrigen verwundet ans dem Kampfplatz lagen. Nach Angabe der amtlichen
Blätter haben die Gensdarmen in diesem Gefechte l7 Mann verloren; von den
übrig gebliebenen Honved wurden einige standrechtlich erschossen. Glücklicher
war eine Honvedabtheilnug am Plattensee, die ebenfalls mit den Gensdarmen
handgemein wurde; — ein Dutzend der gehaßten Häscher wurde niedergemacht,
und die siegreichen Insurgenten flohen in den nahe gelegenen wohlberüchtigten
Bakanger Wald. Bei den im Lande garuifonireuden eingereihten Honved kom¬
men übrigens täglich zahlreiche Desertionen vor, und die unglücklichen Flüchtlinge
finden bei dem Landvolke aller Nationalitäten eine sichere Zufluchtsstätte.

Unter den Tagesbegebenheiten machte die am 2. dieses Monats er¬
folgte Einziehung deö Or. Saphir, Redacteur des „Spiegel", lind die Beschlag¬
nahme aller seiner und seines Mitarbeiters Leivitschnik (Versasser der famosen
hyperlogalen „Silhouetten") großes Aussehen. Ihre Leser mögen hier Einiges
über die „Irrfahrten" des Herrn Saphir vernehmen. Derselbe ist der umge¬
taufte Neffe des Wiener M. G. Saphir. Bor dem März war er Mitarbeiter
des Mein'schen „Ungar," eines in magyarisch - liberalem Sinne gehaltenen belle¬
tristischen Journals. Nach dem März fuhr der „Ungar" fort, im Interesse sei¬
ner siegreichen Partei zu wirken, allein theils durch die Anfeindungen der Pesther
Spießbürger (Klein ist Jude, und in der berüchtigten judenfeindlichen. Petition,
welche diese beim Ministerin»! Batthyani einreichten, war einer der drei
Hauptpunkte, Herrn Klein die Herausgabe seines Journals zu verbieten;
dies geschah im April a es tzeh u h und ert und acht und vierzig),
theils von dem herannahenden Sturm zurückschrecke»!), verkaufte Klein sein
Blatt an den Buchdruckereiinhaber Lnkatsch, welcher dasselbe in ein rein poli¬
tisches verwandelte, und Gustav Zcrffi und I. Dangya als Redacteure
austeilte. Allein Saphir meinte, nach dem Sinne der Errungenschaften könne
niemand ein Journal als sein Eigenthum berrachteu (?) und es an einen


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[0464] den Sie selbst in östreichischen ZeitungSblättern zur Genüge angedeutet finden. Hier, in dem „schwierigen" Ungarn, wollen argwöhnische Augen anch in dieser Maßregel einen verkappten Polizeistreich erblicken. Briefe mit erbrochenen Sie¬ gel, und die sind in unsern Tagen keine Seltenheit, lassen sich nicht wohl mit Anstand an die Adressaten abgeben, das gänzliche Unterschlagen solcher Briefe würde aber einen bedeutenden Portoverlust erzeugen; ist aber der Brief vorher frautirt, so kann die Polizei ihre unschuldigen (Experimente anstellen, ohne mit der StaatSötonomie in Kollision zu gerathen. Ich habe Ihnen in meinem vorigen Schreiben von einigen GenSdarmenercessen berichtet; wir haben seit dieser Zeit Fortschritte gemacht. So haben dieser Tage mehrere Honved in der Borschoder Gespannschast, die assentirt werden sollten, den Wächtern der Ordnung ein förmliches Treffen geliefert, und sie konnten erst dann bewältigt werden, nachdem vier von ihnen todt und die Mehrheit der übrigen verwundet ans dem Kampfplatz lagen. Nach Angabe der amtlichen Blätter haben die Gensdarmen in diesem Gefechte l7 Mann verloren; von den übrig gebliebenen Honved wurden einige standrechtlich erschossen. Glücklicher war eine Honvedabtheilnug am Plattensee, die ebenfalls mit den Gensdarmen handgemein wurde; — ein Dutzend der gehaßten Häscher wurde niedergemacht, und die siegreichen Insurgenten flohen in den nahe gelegenen wohlberüchtigten Bakanger Wald. Bei den im Lande garuifonireuden eingereihten Honved kom¬ men übrigens täglich zahlreiche Desertionen vor, und die unglücklichen Flüchtlinge finden bei dem Landvolke aller Nationalitäten eine sichere Zufluchtsstätte. Unter den Tagesbegebenheiten machte die am 2. dieses Monats er¬ folgte Einziehung deö Or. Saphir, Redacteur des „Spiegel", lind die Beschlag¬ nahme aller seiner und seines Mitarbeiters Leivitschnik (Versasser der famosen hyperlogalen „Silhouetten") großes Aussehen. Ihre Leser mögen hier Einiges über die „Irrfahrten" des Herrn Saphir vernehmen. Derselbe ist der umge¬ taufte Neffe des Wiener M. G. Saphir. Bor dem März war er Mitarbeiter des Mein'schen „Ungar," eines in magyarisch - liberalem Sinne gehaltenen belle¬ tristischen Journals. Nach dem März fuhr der „Ungar" fort, im Interesse sei¬ ner siegreichen Partei zu wirken, allein theils durch die Anfeindungen der Pesther Spießbürger (Klein ist Jude, und in der berüchtigten judenfeindlichen. Petition, welche diese beim Ministerin»! Batthyani einreichten, war einer der drei Hauptpunkte, Herrn Klein die Herausgabe seines Journals zu verbieten; dies geschah im April a es tzeh u h und ert und acht und vierzig), theils von dem herannahenden Sturm zurückschrecke»!), verkaufte Klein sein Blatt an den Buchdruckereiinhaber Lnkatsch, welcher dasselbe in ein rein poli¬ tisches verwandelte, und Gustav Zcrffi und I. Dangya als Redacteure austeilte. Allein Saphir meinte, nach dem Sinne der Errungenschaften könne niemand ein Journal als sein Eigenthum berrachteu (?) und es an einen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/464>, abgerufen am 29.06.2024.