Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Monarchie nnr mit Hilfe des wirtlich paeifirten und für die Dynastie gewonnenen
magyarischen Stammes die Spitze bieten könne, und Herr Haynan, der am
meisten geneigt wäre, den Nüssen, die ihm den Braten Görgei vor der Nase weg¬
schnappten, einst ein Pröbchen seiner alleinigen Taktik zu liefern, hätte also
die Mission übernommen, die Magyaren durch bedeutende Concessionen aus dem
Schmollwinkel zu locken n. s. w. Die Abreise des Civilcommissärö Gehringcr, und
die Gerüchte von der Abdankung Nadezli's werden in diese Combination mit auf¬
genommen.

Außer Warschau siud es noch unsere Finanzen und unsere neue Posteinrich-
tnng, welche die Einwohner BadapesthS beschäftigen. Die Rathlosigkeit im Fi-
nanzralhe hat anch die klein.sten Spuren von Metall aus unserem Verkehr ver¬
schwinden gemacht, nud obwohl das Agio in seinein Course nicht gestiegen, so ist
doch die Schwierigkeit viel größer, sich Gold oder Silbernuinzen einzuwechseln.
So erzählte mir dieser Tage ein Geschäftsmann, der bedeutende Summen nach den
Donauländern zu schicken pflegt, daß er 2^00 Ducaten, die er an einen moldaui¬
schen Bojaren zu übermachen halte, in den zwei Schwesterstädten nicht aufbringen
konnte, denn alle Makler versicherten ihm, daß sie nicht zu haben sind. Be¬
sonders aber haben die zwei Gulden-Noten einen großen Schwindel in unserer
Handelswelt hervorgebracht. Diese Papiere, welche voriges Jahr ausgestellt
wurden, sollten nämlich bis Ende Mai dieses Jahres eingelöst sein, und die hie¬
sigen Kaufleute wurden in der letzten Zeit förmlich mit den Noten überschwemmt.
Die Bank hatte nicht Hände genug, um die anstürmenden Massen abzufertigen,
und die Kaufleute sahen sich genöthigt, um Berlängcruug des Termins einzukom¬
men, was ihnen auch sür Monat Juni bewilligt wurde. Manche haben ein ganz
probates Mittel gegen die Sündfluth der Zweier in Bereitschaft gehabt. Wenn
nämlich Jemand etwas einkaufte, und, wie es in diesen Tagen meist der Fall
war, einen Zweier hingab, so drehte der Kaufmann den Zettel nach allen Seiten,
machte ein halb verlegenes, halb mitleidiges Gesicht, und sagte: "Freund, dieser
Zweier ist falsch, wenigstens ist er mir sehr verdächtig. Doch, Sie thuen am besten,
wenn Sie ihn in die Bank tragen, dort wird man das Ihnen am besten sagen kön¬
nen." Der Käufer trug die Note zu einem andern Kaufmann, und wenn dieser
nud ein dritter ebeu so seine B anknotenkenner waren, endlich in die Bank,
die aber besser ccrnirt war, als die Komorncr Festung es je von dem anhero-russi¬
schen Heere gewesen, und er mußte sich endlich entschließen, seinen Zweier mit
einem starken Nahal an einen Makler zu verkaufen.

Bon der neuen Brieffrantatnrverordnung werden Sie vermuthlich schon ge¬
hört haben. Es muß nämlich, weil früher viele Briefe aus den Postämtern lie¬
gen blieben, ohne von den Adressaten eingelöst zu werden, jetzt jeder Brief bei
der Aufgabe frautirt werden. Die Schwierigkeiten, welche der Handelswelt, und
das Deficit, welches der Regierung dnrch diese Maßregel erwachsen müssen, wer-


Monarchie nnr mit Hilfe des wirtlich paeifirten und für die Dynastie gewonnenen
magyarischen Stammes die Spitze bieten könne, und Herr Haynan, der am
meisten geneigt wäre, den Nüssen, die ihm den Braten Görgei vor der Nase weg¬
schnappten, einst ein Pröbchen seiner alleinigen Taktik zu liefern, hätte also
die Mission übernommen, die Magyaren durch bedeutende Concessionen aus dem
Schmollwinkel zu locken n. s. w. Die Abreise des Civilcommissärö Gehringcr, und
die Gerüchte von der Abdankung Nadezli's werden in diese Combination mit auf¬
genommen.

Außer Warschau siud es noch unsere Finanzen und unsere neue Posteinrich-
tnng, welche die Einwohner BadapesthS beschäftigen. Die Rathlosigkeit im Fi-
nanzralhe hat anch die klein.sten Spuren von Metall aus unserem Verkehr ver¬
schwinden gemacht, nud obwohl das Agio in seinein Course nicht gestiegen, so ist
doch die Schwierigkeit viel größer, sich Gold oder Silbernuinzen einzuwechseln.
So erzählte mir dieser Tage ein Geschäftsmann, der bedeutende Summen nach den
Donauländern zu schicken pflegt, daß er 2^00 Ducaten, die er an einen moldaui¬
schen Bojaren zu übermachen halte, in den zwei Schwesterstädten nicht aufbringen
konnte, denn alle Makler versicherten ihm, daß sie nicht zu haben sind. Be¬
sonders aber haben die zwei Gulden-Noten einen großen Schwindel in unserer
Handelswelt hervorgebracht. Diese Papiere, welche voriges Jahr ausgestellt
wurden, sollten nämlich bis Ende Mai dieses Jahres eingelöst sein, und die hie¬
sigen Kaufleute wurden in der letzten Zeit förmlich mit den Noten überschwemmt.
Die Bank hatte nicht Hände genug, um die anstürmenden Massen abzufertigen,
und die Kaufleute sahen sich genöthigt, um Berlängcruug des Termins einzukom¬
men, was ihnen auch sür Monat Juni bewilligt wurde. Manche haben ein ganz
probates Mittel gegen die Sündfluth der Zweier in Bereitschaft gehabt. Wenn
nämlich Jemand etwas einkaufte, und, wie es in diesen Tagen meist der Fall
war, einen Zweier hingab, so drehte der Kaufmann den Zettel nach allen Seiten,
machte ein halb verlegenes, halb mitleidiges Gesicht, und sagte: „Freund, dieser
Zweier ist falsch, wenigstens ist er mir sehr verdächtig. Doch, Sie thuen am besten,
wenn Sie ihn in die Bank tragen, dort wird man das Ihnen am besten sagen kön¬
nen." Der Käufer trug die Note zu einem andern Kaufmann, und wenn dieser
nud ein dritter ebeu so seine B anknotenkenner waren, endlich in die Bank,
die aber besser ccrnirt war, als die Komorncr Festung es je von dem anhero-russi¬
schen Heere gewesen, und er mußte sich endlich entschließen, seinen Zweier mit
einem starken Nahal an einen Makler zu verkaufen.

Bon der neuen Brieffrantatnrverordnung werden Sie vermuthlich schon ge¬
hört haben. Es muß nämlich, weil früher viele Briefe aus den Postämtern lie¬
gen blieben, ohne von den Adressaten eingelöst zu werden, jetzt jeder Brief bei
der Aufgabe frautirt werden. Die Schwierigkeiten, welche der Handelswelt, und
das Deficit, welches der Regierung dnrch diese Maßregel erwachsen müssen, wer-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0463" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185800"/>
          <p xml:id="ID_1770" prev="#ID_1769"> Monarchie nnr mit Hilfe des wirtlich paeifirten und für die Dynastie gewonnenen<lb/>
magyarischen Stammes die Spitze bieten könne, und Herr Haynan, der am<lb/>
meisten geneigt wäre, den Nüssen, die ihm den Braten Görgei vor der Nase weg¬<lb/>
schnappten, einst ein Pröbchen seiner alleinigen Taktik zu liefern, hätte also<lb/>
die Mission übernommen, die Magyaren durch bedeutende Concessionen aus dem<lb/>
Schmollwinkel zu locken n. s. w. Die Abreise des Civilcommissärö Gehringcr, und<lb/>
die Gerüchte von der Abdankung Nadezli's werden in diese Combination mit auf¬<lb/>
genommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1771"> Außer Warschau siud es noch unsere Finanzen und unsere neue Posteinrich-<lb/>
tnng, welche die Einwohner BadapesthS beschäftigen. Die Rathlosigkeit im Fi-<lb/>
nanzralhe hat anch die klein.sten Spuren von Metall aus unserem Verkehr ver¬<lb/>
schwinden gemacht, nud obwohl das Agio in seinein Course nicht gestiegen, so ist<lb/>
doch die Schwierigkeit viel größer, sich Gold oder Silbernuinzen einzuwechseln.<lb/>
So erzählte mir dieser Tage ein Geschäftsmann, der bedeutende Summen nach den<lb/>
Donauländern zu schicken pflegt, daß er 2^00 Ducaten, die er an einen moldaui¬<lb/>
schen Bojaren zu übermachen halte, in den zwei Schwesterstädten nicht aufbringen<lb/>
konnte, denn alle Makler versicherten ihm, daß sie nicht zu haben sind. Be¬<lb/>
sonders aber haben die zwei Gulden-Noten einen großen Schwindel in unserer<lb/>
Handelswelt hervorgebracht. Diese Papiere, welche voriges Jahr ausgestellt<lb/>
wurden, sollten nämlich bis Ende Mai dieses Jahres eingelöst sein, und die hie¬<lb/>
sigen Kaufleute wurden in der letzten Zeit förmlich mit den Noten überschwemmt.<lb/>
Die Bank hatte nicht Hände genug, um die anstürmenden Massen abzufertigen,<lb/>
und die Kaufleute sahen sich genöthigt, um Berlängcruug des Termins einzukom¬<lb/>
men, was ihnen auch sür Monat Juni bewilligt wurde. Manche haben ein ganz<lb/>
probates Mittel gegen die Sündfluth der Zweier in Bereitschaft gehabt. Wenn<lb/>
nämlich Jemand etwas einkaufte, und, wie es in diesen Tagen meist der Fall<lb/>
war, einen Zweier hingab, so drehte der Kaufmann den Zettel nach allen Seiten,<lb/>
machte ein halb verlegenes, halb mitleidiges Gesicht, und sagte: &#x201E;Freund, dieser<lb/>
Zweier ist falsch, wenigstens ist er mir sehr verdächtig. Doch, Sie thuen am besten,<lb/>
wenn Sie ihn in die Bank tragen, dort wird man das Ihnen am besten sagen kön¬<lb/>
nen." Der Käufer trug die Note zu einem andern Kaufmann, und wenn dieser<lb/>
nud ein dritter ebeu so seine B anknotenkenner waren, endlich in die Bank,<lb/>
die aber besser ccrnirt war, als die Komorncr Festung es je von dem anhero-russi¬<lb/>
schen Heere gewesen, und er mußte sich endlich entschließen, seinen Zweier mit<lb/>
einem starken Nahal an einen Makler zu verkaufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1772" next="#ID_1773"> Bon der neuen Brieffrantatnrverordnung werden Sie vermuthlich schon ge¬<lb/>
hört haben. Es muß nämlich, weil früher viele Briefe aus den Postämtern lie¬<lb/>
gen blieben, ohne von den Adressaten eingelöst zu werden, jetzt jeder Brief bei<lb/>
der Aufgabe frautirt werden. Die Schwierigkeiten, welche der Handelswelt, und<lb/>
das Deficit, welches der Regierung dnrch diese Maßregel erwachsen müssen, wer-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0463] Monarchie nnr mit Hilfe des wirtlich paeifirten und für die Dynastie gewonnenen magyarischen Stammes die Spitze bieten könne, und Herr Haynan, der am meisten geneigt wäre, den Nüssen, die ihm den Braten Görgei vor der Nase weg¬ schnappten, einst ein Pröbchen seiner alleinigen Taktik zu liefern, hätte also die Mission übernommen, die Magyaren durch bedeutende Concessionen aus dem Schmollwinkel zu locken n. s. w. Die Abreise des Civilcommissärö Gehringcr, und die Gerüchte von der Abdankung Nadezli's werden in diese Combination mit auf¬ genommen. Außer Warschau siud es noch unsere Finanzen und unsere neue Posteinrich- tnng, welche die Einwohner BadapesthS beschäftigen. Die Rathlosigkeit im Fi- nanzralhe hat anch die klein.sten Spuren von Metall aus unserem Verkehr ver¬ schwinden gemacht, nud obwohl das Agio in seinein Course nicht gestiegen, so ist doch die Schwierigkeit viel größer, sich Gold oder Silbernuinzen einzuwechseln. So erzählte mir dieser Tage ein Geschäftsmann, der bedeutende Summen nach den Donauländern zu schicken pflegt, daß er 2^00 Ducaten, die er an einen moldaui¬ schen Bojaren zu übermachen halte, in den zwei Schwesterstädten nicht aufbringen konnte, denn alle Makler versicherten ihm, daß sie nicht zu haben sind. Be¬ sonders aber haben die zwei Gulden-Noten einen großen Schwindel in unserer Handelswelt hervorgebracht. Diese Papiere, welche voriges Jahr ausgestellt wurden, sollten nämlich bis Ende Mai dieses Jahres eingelöst sein, und die hie¬ sigen Kaufleute wurden in der letzten Zeit förmlich mit den Noten überschwemmt. Die Bank hatte nicht Hände genug, um die anstürmenden Massen abzufertigen, und die Kaufleute sahen sich genöthigt, um Berlängcruug des Termins einzukom¬ men, was ihnen auch sür Monat Juni bewilligt wurde. Manche haben ein ganz probates Mittel gegen die Sündfluth der Zweier in Bereitschaft gehabt. Wenn nämlich Jemand etwas einkaufte, und, wie es in diesen Tagen meist der Fall war, einen Zweier hingab, so drehte der Kaufmann den Zettel nach allen Seiten, machte ein halb verlegenes, halb mitleidiges Gesicht, und sagte: „Freund, dieser Zweier ist falsch, wenigstens ist er mir sehr verdächtig. Doch, Sie thuen am besten, wenn Sie ihn in die Bank tragen, dort wird man das Ihnen am besten sagen kön¬ nen." Der Käufer trug die Note zu einem andern Kaufmann, und wenn dieser nud ein dritter ebeu so seine B anknotenkenner waren, endlich in die Bank, die aber besser ccrnirt war, als die Komorncr Festung es je von dem anhero-russi¬ schen Heere gewesen, und er mußte sich endlich entschließen, seinen Zweier mit einem starken Nahal an einen Makler zu verkaufen. Bon der neuen Brieffrantatnrverordnung werden Sie vermuthlich schon ge¬ hört haben. Es muß nämlich, weil früher viele Briefe aus den Postämtern lie¬ gen blieben, ohne von den Adressaten eingelöst zu werden, jetzt jeder Brief bei der Aufgabe frautirt werden. Die Schwierigkeiten, welche der Handelswelt, und das Deficit, welches der Regierung dnrch diese Maßregel erwachsen müssen, wer-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/463
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/463>, abgerufen am 01.07.2024.