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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Nicht etwa um eine Rancune auszuführen, nicht um eine Persönlichkeit in
die Oeffentlichkeit zu bringen, schrieben wir die runstehende Notiz, sondern um
darzustellen, in welche Hände das Geschick des Nationalvermögens gelegt war und
zum Theil noch gelegt ist. DaS verrottete Metternich'sche Polizciregiment begün¬
stigte das Emporkriechen der anrüchigsten Leute, denen Staat und Volk zur Aus¬
beute preisgegeben blieb; das jetzige Finanzministerium hat nicht deu Muth, das
ererbte Uebel radical zu heilen, da es sich sogar in seinen Militärprojecten darauf
stützte. In solcher Weise wurde Baron Kraus ein unfreiwilliger Complice des
Baron Schleißnigg und Consorten.

Es gehörte schon eine muthige Opposition dazu, daß der Minister es wagte,
eine Finanzcommission zu berufen, deren Mitglieder nicht aus den Satelliten der
Wiener Banquiers gewählt wurden; aber eben darum konnte man im Vornherein
versichert sein, daß die Beschlüsse dieser Commission ans den Widerstand der Bank-
partei stoßen würden. Von unserem Standpunkte aus können die Ansichten einer
solchen Commission, ihre Berathungen und Schlußfassnngen nur als Vorarbeiten
für den künftigen Reichstag betrachtet werden; selbst wenn die Commissionsmit-
gliedcr wirklich durch eine Wahl vom Volke und nicht bloß durch das Belieben des
Ministers berufen worden wären, ist im constitutionellen Staate ihnen das Be-
fugniß jeder gesetzmäßigen. Thätigkeit abzusprechen. Die Ordonnanzregicrung hat
es dahin gebracht, daß solche Private es wagen, ein Zwangsanlehen von 15()Mill. si.
ohne Zustimmung des Reichstags zur Ausführung anzuempfehlen.

Der Minister scheint bei Einberufung der finanziellen Vertrauensmänner das
Unstatthafte dieses Verfahrens gefühlt zu haben, denn die Einladung erging bloß,
"um Vorschläge über Maßregeln und organische Einrichtungen in Betreff des
Bankinstitutes ins Leben zu rufen". Das Bankinstitut ist aber so verwachsen
mit deu Staatsfinanzen, daß eine Sonderung unmöglich ist. Die Commission
mußte also hinübergreifen in ein Gebiet, wozu ihr jede Competenz mangelte.
Gonvcrnementäle Organe bemühten sich nachträglich, glauben zu machen, daß die
CommisfionSmilglieder durch das Volksverlraueu bezeichnet worden seien, allein,
jene sind den Nachweis dafür schuldig geblieben; die Commission, hat aber trotz
der angemaßten Thätigkeit sich dadurch Vertrauen gewonnen, weil ihr abgegebener
Bericht eine vollständige Mißbilligung der bisherigem Finanzleitung enthält.

Was ist es anders, als ein Mißtrauensvotum, wenn die Commission dem
Minister sagt: "Unberechenbare nachtheilige Folgen erzeugt die Form eines Schnld-
znwachseö (Papiergeld mit ZwangSconrs), welche consolidirt, den Staatshaushalt
ungefährdet lassen würde."

Um den Minister anßer allem Zweifel zu lassen, daß seine Finanzwirthschaft
allein, nicht die Revolutionen und die Kriege, das Land ruiniren, hatte die Com¬
mission die Ehrlichkeit und den Muth Folgendes hinzuzufügen:

"Die Ueberfüllung des Umlaufs mit Papier, das Verschwinden deS Metall-


Nicht etwa um eine Rancune auszuführen, nicht um eine Persönlichkeit in
die Oeffentlichkeit zu bringen, schrieben wir die runstehende Notiz, sondern um
darzustellen, in welche Hände das Geschick des Nationalvermögens gelegt war und
zum Theil noch gelegt ist. DaS verrottete Metternich'sche Polizciregiment begün¬
stigte das Emporkriechen der anrüchigsten Leute, denen Staat und Volk zur Aus¬
beute preisgegeben blieb; das jetzige Finanzministerium hat nicht deu Muth, das
ererbte Uebel radical zu heilen, da es sich sogar in seinen Militärprojecten darauf
stützte. In solcher Weise wurde Baron Kraus ein unfreiwilliger Complice des
Baron Schleißnigg und Consorten.

Es gehörte schon eine muthige Opposition dazu, daß der Minister es wagte,
eine Finanzcommission zu berufen, deren Mitglieder nicht aus den Satelliten der
Wiener Banquiers gewählt wurden; aber eben darum konnte man im Vornherein
versichert sein, daß die Beschlüsse dieser Commission ans den Widerstand der Bank-
partei stoßen würden. Von unserem Standpunkte aus können die Ansichten einer
solchen Commission, ihre Berathungen und Schlußfassnngen nur als Vorarbeiten
für den künftigen Reichstag betrachtet werden; selbst wenn die Commissionsmit-
gliedcr wirklich durch eine Wahl vom Volke und nicht bloß durch das Belieben des
Ministers berufen worden wären, ist im constitutionellen Staate ihnen das Be-
fugniß jeder gesetzmäßigen. Thätigkeit abzusprechen. Die Ordonnanzregicrung hat
es dahin gebracht, daß solche Private es wagen, ein Zwangsanlehen von 15()Mill. si.
ohne Zustimmung des Reichstags zur Ausführung anzuempfehlen.

Der Minister scheint bei Einberufung der finanziellen Vertrauensmänner das
Unstatthafte dieses Verfahrens gefühlt zu haben, denn die Einladung erging bloß,
„um Vorschläge über Maßregeln und organische Einrichtungen in Betreff des
Bankinstitutes ins Leben zu rufen". Das Bankinstitut ist aber so verwachsen
mit deu Staatsfinanzen, daß eine Sonderung unmöglich ist. Die Commission
mußte also hinübergreifen in ein Gebiet, wozu ihr jede Competenz mangelte.
Gonvcrnementäle Organe bemühten sich nachträglich, glauben zu machen, daß die
CommisfionSmilglieder durch das Volksverlraueu bezeichnet worden seien, allein,
jene sind den Nachweis dafür schuldig geblieben; die Commission, hat aber trotz
der angemaßten Thätigkeit sich dadurch Vertrauen gewonnen, weil ihr abgegebener
Bericht eine vollständige Mißbilligung der bisherigem Finanzleitung enthält.

Was ist es anders, als ein Mißtrauensvotum, wenn die Commission dem
Minister sagt: „Unberechenbare nachtheilige Folgen erzeugt die Form eines Schnld-
znwachseö (Papiergeld mit ZwangSconrs), welche consolidirt, den Staatshaushalt
ungefährdet lassen würde."

Um den Minister anßer allem Zweifel zu lassen, daß seine Finanzwirthschaft
allein, nicht die Revolutionen und die Kriege, das Land ruiniren, hatte die Com¬
mission die Ehrlichkeit und den Muth Folgendes hinzuzufügen:

„Die Ueberfüllung des Umlaufs mit Papier, das Verschwinden deS Metall-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/458>, abgerufen am 03.07.2024.