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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Stutzen einer nachHalligen Disciplin im Heere. Diese Vmmlthimg wird auch
durch ein anderes Schriftchen und derselben Geschichtsperiode Badens: "die Militär-
mentcrei in Baden, von einem badischen Offizier," nicht entkräftet, obgleich diese
Absicht demselben theilweise zu Grunde zu liegen scheint.

Abgesehen von dieser Lücke, ist das Bekk'sche Buch höchst interessant dnrch
die unbefangene, parteilose und klare Schilderung deS ganzen Verlaufs der
Entwicklung jener demokratischen Bewegung, die sich zuletzt zum offnen Nnfrnhr
und Bürgerkrieg steigerte, so wie der vielen wohlgemeinten und umsichtigen, dennoch
erfolglosen Bestrebungen der Verwaltung und Gesetzgebung, dnrch Befriedigung
der begründeten Volkswünsche, den vernünftigen Elementen der Bewegung gerecht
z" werden und dadurch die unvernünftigen niederzuhalten. Man muß dem Mini¬
sterium Bell die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß es in dieser Richtung das
Mögliche gethan und, ohne Schwäche, aber mit Hingebung, in zeitgemäßen Re¬
formen so rasch und entschieden vorgegangen ist, wie nur wenige audere deutsche
Regierungen. -- Was aber dem Bett'sehen Buche einen ganz besondern Werth
verleiht und für seinen Versasser im höchsten Grade einnehmen muß, ist dies, daß
er, der daS wüste Treiben einer sich selber überstürzenden Freiheitsbewegung in
seiner ganzen Trostlosigkeit kennen gelernt, der darunter persönlich gelitten hat,
der seine besten Absichten, ihr das rechte Maß anzuweisen, vereitelt und von
beiden Seiten, von der einen als Schwäche, voll der andern als reactionäre Be¬
schränktheit angefeindet und geschmäht sehen mußte, daß dieser Mann, der ohnehin
seinem Lebensalter und seiner frühern politischen Stellung nach zu einer mehr
strengen als ängstlichen Beurtheilung politischer Zustände prädisponirt schien,
dennoch mit eiuer wahrhaft bewundernswerthen Unbefangenheit, Selbstverleugnung
und echt staatsmännischen Weife des Blicks das Rothwcudige und Gesunde jener
Freiheitsbewegung von dem hinzugekommenen Krankhaften überall zu sondern,
Letzteres auszuscheiden, Ersteres aber gegen die Verdächtigungen und Angriffe einer,
in blinder Angst und Leidenschaft nunmehr jeden Fortschritt verdummenden Partei
nachdrücklich in Schutz zu nehmen weiß. Wir wüßten unseren Staatsmännern
und allen Jenen, denen es ernstlich darum zu thun ist, sich ein unbefangenes Ur¬
theil mitten in dem wilden Gegeileinanderstürmen der politischen E,rtreme zu be¬
währen oder zu verschaffen, keine bessere und frnchbarere Lectüre zu empfehlen,
als die ersten Capitel des Bet'k'schen Buches, welche deS Verf. "politische Ansichten"
-- ^ -- enthalten.




Stutzen einer nachHalligen Disciplin im Heere. Diese Vmmlthimg wird auch
durch ein anderes Schriftchen und derselben Geschichtsperiode Badens: „die Militär-
mentcrei in Baden, von einem badischen Offizier," nicht entkräftet, obgleich diese
Absicht demselben theilweise zu Grunde zu liegen scheint.

Abgesehen von dieser Lücke, ist das Bekk'sche Buch höchst interessant dnrch
die unbefangene, parteilose und klare Schilderung deS ganzen Verlaufs der
Entwicklung jener demokratischen Bewegung, die sich zuletzt zum offnen Nnfrnhr
und Bürgerkrieg steigerte, so wie der vielen wohlgemeinten und umsichtigen, dennoch
erfolglosen Bestrebungen der Verwaltung und Gesetzgebung, dnrch Befriedigung
der begründeten Volkswünsche, den vernünftigen Elementen der Bewegung gerecht
z» werden und dadurch die unvernünftigen niederzuhalten. Man muß dem Mini¬
sterium Bell die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß es in dieser Richtung das
Mögliche gethan und, ohne Schwäche, aber mit Hingebung, in zeitgemäßen Re¬
formen so rasch und entschieden vorgegangen ist, wie nur wenige audere deutsche
Regierungen. — Was aber dem Bett'sehen Buche einen ganz besondern Werth
verleiht und für seinen Versasser im höchsten Grade einnehmen muß, ist dies, daß
er, der daS wüste Treiben einer sich selber überstürzenden Freiheitsbewegung in
seiner ganzen Trostlosigkeit kennen gelernt, der darunter persönlich gelitten hat,
der seine besten Absichten, ihr das rechte Maß anzuweisen, vereitelt und von
beiden Seiten, von der einen als Schwäche, voll der andern als reactionäre Be¬
schränktheit angefeindet und geschmäht sehen mußte, daß dieser Mann, der ohnehin
seinem Lebensalter und seiner frühern politischen Stellung nach zu einer mehr
strengen als ängstlichen Beurtheilung politischer Zustände prädisponirt schien,
dennoch mit eiuer wahrhaft bewundernswerthen Unbefangenheit, Selbstverleugnung
und echt staatsmännischen Weife des Blicks das Rothwcudige und Gesunde jener
Freiheitsbewegung von dem hinzugekommenen Krankhaften überall zu sondern,
Letzteres auszuscheiden, Ersteres aber gegen die Verdächtigungen und Angriffe einer,
in blinder Angst und Leidenschaft nunmehr jeden Fortschritt verdummenden Partei
nachdrücklich in Schutz zu nehmen weiß. Wir wüßten unseren Staatsmännern
und allen Jenen, denen es ernstlich darum zu thun ist, sich ein unbefangenes Ur¬
theil mitten in dem wilden Gegeileinanderstürmen der politischen E,rtreme zu be¬
währen oder zu verschaffen, keine bessere und frnchbarere Lectüre zu empfehlen,
als die ersten Capitel des Bet'k'schen Buches, welche deS Verf. „politische Ansichten"
— ^ — enthalten.




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[0456] Stutzen einer nachHalligen Disciplin im Heere. Diese Vmmlthimg wird auch durch ein anderes Schriftchen und derselben Geschichtsperiode Badens: „die Militär- mentcrei in Baden, von einem badischen Offizier," nicht entkräftet, obgleich diese Absicht demselben theilweise zu Grunde zu liegen scheint. Abgesehen von dieser Lücke, ist das Bekk'sche Buch höchst interessant dnrch die unbefangene, parteilose und klare Schilderung deS ganzen Verlaufs der Entwicklung jener demokratischen Bewegung, die sich zuletzt zum offnen Nnfrnhr und Bürgerkrieg steigerte, so wie der vielen wohlgemeinten und umsichtigen, dennoch erfolglosen Bestrebungen der Verwaltung und Gesetzgebung, dnrch Befriedigung der begründeten Volkswünsche, den vernünftigen Elementen der Bewegung gerecht z» werden und dadurch die unvernünftigen niederzuhalten. Man muß dem Mini¬ sterium Bell die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß es in dieser Richtung das Mögliche gethan und, ohne Schwäche, aber mit Hingebung, in zeitgemäßen Re¬ formen so rasch und entschieden vorgegangen ist, wie nur wenige audere deutsche Regierungen. — Was aber dem Bett'sehen Buche einen ganz besondern Werth verleiht und für seinen Versasser im höchsten Grade einnehmen muß, ist dies, daß er, der daS wüste Treiben einer sich selber überstürzenden Freiheitsbewegung in seiner ganzen Trostlosigkeit kennen gelernt, der darunter persönlich gelitten hat, der seine besten Absichten, ihr das rechte Maß anzuweisen, vereitelt und von beiden Seiten, von der einen als Schwäche, voll der andern als reactionäre Be¬ schränktheit angefeindet und geschmäht sehen mußte, daß dieser Mann, der ohnehin seinem Lebensalter und seiner frühern politischen Stellung nach zu einer mehr strengen als ängstlichen Beurtheilung politischer Zustände prädisponirt schien, dennoch mit eiuer wahrhaft bewundernswerthen Unbefangenheit, Selbstverleugnung und echt staatsmännischen Weife des Blicks das Rothwcudige und Gesunde jener Freiheitsbewegung von dem hinzugekommenen Krankhaften überall zu sondern, Letzteres auszuscheiden, Ersteres aber gegen die Verdächtigungen und Angriffe einer, in blinder Angst und Leidenschaft nunmehr jeden Fortschritt verdummenden Partei nachdrücklich in Schutz zu nehmen weiß. Wir wüßten unseren Staatsmännern und allen Jenen, denen es ernstlich darum zu thun ist, sich ein unbefangenes Ur¬ theil mitten in dem wilden Gegeileinanderstürmen der politischen E,rtreme zu be¬ währen oder zu verschaffen, keine bessere und frnchbarere Lectüre zu empfehlen, als die ersten Capitel des Bet'k'schen Buches, welche deS Verf. „politische Ansichten" — ^ — enthalten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/456>, abgerufen am 22.07.2024.