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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Dieser Pauperismus der protestantischen Lehranstalten brachte ferner auch
zwei Erscheinungen hervor, die, wie der arme tot ,><?!iK und der stolze "De¬
scendent" bei deu Katholiken, auch hier die zwei großen Classen der Gesellschaft,
nämlich die besitzende und besitzlose, repräsentirten. Wir treffen hier den "logcr-
Iu8" und den "cat/. 6^i>K" (raitzischer Student).

Der "toA->tu8" ist der protestantische tut a^ut in Folioformat und Safsian-
einband, denn beide sind von Gottes Gnaden arme Teufel, uur daß der katholische
tut elent sein wstiinoiüu", puuport^dis mit einer gewissen philosophischen Gleich¬
gültigkeit offen zur Schau trägt, während der protestantische tugalu" in seiner
äußern Erscheinung nur selten eine Blöße blicken läßt.

Zur Unterstützung armer Studirenden sind zwar an den protestantischen Lehr¬
anstalten manche Stiftungen und Institute, als: Stipendien von 20--100 Gulden
Münze l>0r nennen, Alnmnien, nach Art der deutschen Convictorien u. dergl. ins
Leben gerufen, aber in einem so geldarmen Lande, wie Ungarn, wo eS sehr
viele Vater gibt, die in ihrem Haufe deu Segen ihres Bodens ihren Angehörigen
wohl angedeihen lassen können, aber dennoch noch nicht die Mittel besitzen, den
Sohn in einer fremden Stadt mit den nöthigen Bedürfnissen des Lebens zu ver¬
sehe", und der Andrang zu den Schulen, besonders bei den Protestanten, ein sehr
bedeutender ist, können die gewöhnlichen Schnlbcnefieien durchaus nicht ausreichen,
es mußten daher noch andere Hilfsquellen eröffnet werden, und diese faud man
in manchen kirchlich-religiösen Functionen, welche den Studirenden zugetheilt und
stets mit einem kleinen Sümmchen gralistcirt wurden. Zu diesen Functionen
gehören: ClM singen in den größern Kirchen der Schulstadt, der Auszug mit oder
ohne Gesang bei Leichenbegängnissen und die sogenannte "wjMio". Diese Ver¬
richtungen mußten aber stets in geistlichem Ornate ausgeführt werden, und jeder
aus solche aspirirende ">.Mohn8 Mosoplüao, .jm-is son Unoloxias mußte sich eine
Kutte (togir), ein breites seidenes Band und einen Kegelhut, ganz nach Art der
katholischen Klerikeu, anschaffen. Daher der Name "wgutas". Wir wollen hier
den durchaus originellen >"MA,a" "jeht anf allen seinen amtlichen Wanderungen
begleiten, uur der "1<!gatiu", welche die höchste Function desselben bildet, wollen
wir unsere nähere Aufmerksamkeit widmen.

An den drei großen Feiertagen des Jahres, zu Weihnachten, Ostern und
Pfingsten, werden aus jedem Kollegium eine Anzahl Studirender in die kleineren
Städte- und Dorfgemeinden derselben Konfession und desselben Snperintenden-
tiat abgesendet, um dort deu Ortsgeistlichen in seinen Functionen, besonders durch
Uebernahme eiuer oder mehrerer der vielen Vor- und Nachmittagspredigten, zu
unterstützen, wofür ihm von der betreffenden Gemeinde ein nach Verhältniß fest¬
gesetztes Honorar ausgezahlt wird. Dieser wandernde Caplan hieß "it^olu^",
und in den letzten Tagen vor jedem der obgenannten Feste der Christenheit kann
man ans jedem protestantischen Kollegium eine gewisse Rührigkeit wahrnehmen.


Dieser Pauperismus der protestantischen Lehranstalten brachte ferner auch
zwei Erscheinungen hervor, die, wie der arme tot ,><?!iK und der stolze „De¬
scendent" bei deu Katholiken, auch hier die zwei großen Classen der Gesellschaft,
nämlich die besitzende und besitzlose, repräsentirten. Wir treffen hier den „logcr-
Iu8" und den „cat/. 6^i>K" (raitzischer Student).

Der „toA->tu8" ist der protestantische tut a^ut in Folioformat und Safsian-
einband, denn beide sind von Gottes Gnaden arme Teufel, uur daß der katholische
tut elent sein wstiinoiüu», puuport^dis mit einer gewissen philosophischen Gleich¬
gültigkeit offen zur Schau trägt, während der protestantische tugalu« in seiner
äußern Erscheinung nur selten eine Blöße blicken läßt.

Zur Unterstützung armer Studirenden sind zwar an den protestantischen Lehr¬
anstalten manche Stiftungen und Institute, als: Stipendien von 20—100 Gulden
Münze l>0r nennen, Alnmnien, nach Art der deutschen Convictorien u. dergl. ins
Leben gerufen, aber in einem so geldarmen Lande, wie Ungarn, wo eS sehr
viele Vater gibt, die in ihrem Haufe deu Segen ihres Bodens ihren Angehörigen
wohl angedeihen lassen können, aber dennoch noch nicht die Mittel besitzen, den
Sohn in einer fremden Stadt mit den nöthigen Bedürfnissen des Lebens zu ver¬
sehe», und der Andrang zu den Schulen, besonders bei den Protestanten, ein sehr
bedeutender ist, können die gewöhnlichen Schnlbcnefieien durchaus nicht ausreichen,
es mußten daher noch andere Hilfsquellen eröffnet werden, und diese faud man
in manchen kirchlich-religiösen Functionen, welche den Studirenden zugetheilt und
stets mit einem kleinen Sümmchen gralistcirt wurden. Zu diesen Functionen
gehören: ClM singen in den größern Kirchen der Schulstadt, der Auszug mit oder
ohne Gesang bei Leichenbegängnissen und die sogenannte „wjMio". Diese Ver¬
richtungen mußten aber stets in geistlichem Ornate ausgeführt werden, und jeder
aus solche aspirirende «>.Mohn8 Mosoplüao, .jm-is son Unoloxias mußte sich eine
Kutte (togir), ein breites seidenes Band und einen Kegelhut, ganz nach Art der
katholischen Klerikeu, anschaffen. Daher der Name „wgutas". Wir wollen hier
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begleiten, uur der „1<!gatiu", welche die höchste Function desselben bildet, wollen
wir unsere nähere Aufmerksamkeit widmen.

An den drei großen Feiertagen des Jahres, zu Weihnachten, Ostern und
Pfingsten, werden aus jedem Kollegium eine Anzahl Studirender in die kleineren
Städte- und Dorfgemeinden derselben Konfession und desselben Snperintenden-
tiat abgesendet, um dort deu Ortsgeistlichen in seinen Functionen, besonders durch
Uebernahme eiuer oder mehrerer der vielen Vor- und Nachmittagspredigten, zu
unterstützen, wofür ihm von der betreffenden Gemeinde ein nach Verhältniß fest¬
gesetztes Honorar ausgezahlt wird. Dieser wandernde Caplan hieß „it^olu^",
und in den letzten Tagen vor jedem der obgenannten Feste der Christenheit kann
man ans jedem protestantischen Kollegium eine gewisse Rührigkeit wahrnehmen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/431>, abgerufen am 22.07.2024.