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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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ausüben; endlich wild ganz offen erklärt, daß ein ungarisches KriegSnliuisterium
durchaus nicht belassen werden kann. Das zweite Rescript wollte nicht zugeben,
das; die Edelleute ihren Bauern so viel schenken sollen. Und diese zwei R e-
seripte waren von einem Manne contrasignirt, der nicht auf der Ministerbank
des Preßburger Unterhauses seinen Sitz hatte, sondern der als nur schwaches
Mitglied dieses Hauses im Vaterlande wenig gekannt war, nämlich von Ladislaus
Zsedc-nyi, Hofrath der bereits aufgehobenen Hofkanzlei. Man kann sich leicht
denken, welche Stürme diese zwei Fermans des constitutionellen Königs hervor¬
bringen mußten! Bathyani wollte sogleich im Namen aller seiner Kollegen ab¬
danken; Kossuth erhob sieh und sprach: "Ich sehe darin die letzte (?) Austrengvng
der Reaction, das ihr entrissene Scepter wieder zu ergreifen! Ich kenne jene
Partei, die den Erzherzog Ludwig zu ihrem Chef hat, und Männer in ihrer Mitte
zählt, mit deren Name" ich meine Lippe" nicht beflecken will; aber es soll ihnen
nicht gelingen, mit einer Nation ihr frevelhaftes Spiel zu treiben." Madaräß,
der spätere famose Polizeiminister, erhob sich und verlangte: "das Hans möge
Zsediwyi in den Anklagezustand des Landes - Verraths versetzen," welche Motion
zwar keinen Anklang fand, aber sogleich leerten sich die Gallerten und die Massen
stürmten nach Zsedvuyi'ö Wohnung und übten in seiner Abwesenheit an iseinen
Menblen VollSjustitz. Indessen begegnete ein anderer Schwarm Herrn Zse-
d^nyi selbst ans der Straße, und er wäre gewiß ein Opfer der BolkSwuth ge¬
worden, wenn er sich nicht in die Wigandsehe Buchhandlung geflüchtet hätte, die
ihren geleisteten Schutz mit allen ihren Fensterscheiben bezahlen mußte. Herr
Zsed(!"pi wurde dann mit den zwei Rescripten ans der Promenade "in Effigie"
verbrannt.

Wir sehen also, daß Herr Zsedc-uyi der erste war, der die Art an den jun¬
gen Baum der Märzerrungenschaften legte; nun, nachdem der Baum ganz gefällt
ist, legt er wieder, der erste, seine Spaten an, um aus dein alrcu, fruchtbaren Bo¬
den eine neue Pflanzung zu schaffen; wir wollen ihm kein schlechtes HoroScop
stellen, möge sein Werk gelingen, wenn er es mit seinem Baterlande ehrlich meint.




A n S W i e n.



Ueberraschend, für Manchen unerklärlich, war die offenbare Mißstimmung,
mit welcher Männer der entschiedensten liberalen Richtung, Mäuner ganz unabhängiger
Stellung, die heute wieder verschollene Kunde eines bevorstehenden totalen CabinetS-
weehsels aufnahmen. Die östreichische Presse, die sogenannte grundrechtlich freie,
hat die Sache uicht besonders besprochen in dem angenehmen Damoklesbewnßtsein,
nach dem Belieben eines Ministers, eines Generals, eines tur.z- oder langbeinigen
Statthalters confiscire, suspendirt und sonst noch maltraitirt werden zu können.


ausüben; endlich wild ganz offen erklärt, daß ein ungarisches KriegSnliuisterium
durchaus nicht belassen werden kann. Das zweite Rescript wollte nicht zugeben,
das; die Edelleute ihren Bauern so viel schenken sollen. Und diese zwei R e-
seripte waren von einem Manne contrasignirt, der nicht auf der Ministerbank
des Preßburger Unterhauses seinen Sitz hatte, sondern der als nur schwaches
Mitglied dieses Hauses im Vaterlande wenig gekannt war, nämlich von Ladislaus
Zsedc-nyi, Hofrath der bereits aufgehobenen Hofkanzlei. Man kann sich leicht
denken, welche Stürme diese zwei Fermans des constitutionellen Königs hervor¬
bringen mußten! Bathyani wollte sogleich im Namen aller seiner Kollegen ab¬
danken; Kossuth erhob sieh und sprach: „Ich sehe darin die letzte (?) Austrengvng
der Reaction, das ihr entrissene Scepter wieder zu ergreifen! Ich kenne jene
Partei, die den Erzherzog Ludwig zu ihrem Chef hat, und Männer in ihrer Mitte
zählt, mit deren Name» ich meine Lippe» nicht beflecken will; aber es soll ihnen
nicht gelingen, mit einer Nation ihr frevelhaftes Spiel zu treiben." Madaräß,
der spätere famose Polizeiminister, erhob sich und verlangte: „das Hans möge
Zsediwyi in den Anklagezustand des Landes - Verraths versetzen," welche Motion
zwar keinen Anklang fand, aber sogleich leerten sich die Gallerten und die Massen
stürmten nach Zsedvuyi'ö Wohnung und übten in seiner Abwesenheit an iseinen
Menblen VollSjustitz. Indessen begegnete ein anderer Schwarm Herrn Zse-
d^nyi selbst ans der Straße, und er wäre gewiß ein Opfer der BolkSwuth ge¬
worden, wenn er sich nicht in die Wigandsehe Buchhandlung geflüchtet hätte, die
ihren geleisteten Schutz mit allen ihren Fensterscheiben bezahlen mußte. Herr
Zsed(!»pi wurde dann mit den zwei Rescripten ans der Promenade „in Effigie"
verbrannt.

Wir sehen also, daß Herr Zsedc-uyi der erste war, der die Art an den jun¬
gen Baum der Märzerrungenschaften legte; nun, nachdem der Baum ganz gefällt
ist, legt er wieder, der erste, seine Spaten an, um aus dein alrcu, fruchtbaren Bo¬
den eine neue Pflanzung zu schaffen; wir wollen ihm kein schlechtes HoroScop
stellen, möge sein Werk gelingen, wenn er es mit seinem Baterlande ehrlich meint.




A n S W i e n.



Ueberraschend, für Manchen unerklärlich, war die offenbare Mißstimmung,
mit welcher Männer der entschiedensten liberalen Richtung, Mäuner ganz unabhängiger
Stellung, die heute wieder verschollene Kunde eines bevorstehenden totalen CabinetS-
weehsels aufnahmen. Die östreichische Presse, die sogenannte grundrechtlich freie,
hat die Sache uicht besonders besprochen in dem angenehmen Damoklesbewnßtsein,
nach dem Belieben eines Ministers, eines Generals, eines tur.z- oder langbeinigen
Statthalters confiscire, suspendirt und sonst noch maltraitirt werden zu können.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/400>, abgerufen am 22.07.2024.