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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Ein halb amtliches Blatt widersprach alsbald i>";r amboFes jenenl Gerüchte, und
ließ sogar durchblicken, höchstens werde der Herr den terrich tsminister der
öffentlichen Meinung geopfert werden. Ueberdies waren die Namen der prä-
sumtiven Amtsnachfolger so schreckhaft, um vorläufig wenigstens ganz unwahr¬
scheinlich zu klingen. Wer kann heute an Hartig, an Josika und Consorten, trotz
Genesis und sonstig anonymen Broschüre" im Ernste denken, heute, wo man mit
dem Opus der Ueberorganisatiou eben in ineäM" lo" sich gestürzt hat, und pr"
korina vorwärts muß, weil man nicht rückwärts kann, so sehr man sich auch nach
dein schonen Rückwärts sehnt, so bitter man auch diejenigen anfeindet, welche
so weit vorwärts trieben. Ist erst Alles fertig, sind die Tressen überall festgenäht
ans den Rockkragen der Beamtenannada, sind die Kanzleilische nach dem neuen
Plane ausgestellt, haben die Geusd'armesschnmrbärte alle das vorschriftsmäßig
Haynau'sche Maaß, dann kommt vielleicht die Zeit für jene alten verblichenen
Namen, ihnen wird dann die Mission, die neue Siaatsmaschine im großen Ganzen
nachNükwärts zu leiten, unter neuen Namen und Forme", in alter Art zu gouveruircu,
die reichlichen Winkelzüge und Freiheiisfangeisen der Verfassung möglichst auszubeuten.

Die Ueberzeugung, es könne dem heutigen Ministerium, falls Europas Ver¬
hältnisse sich nicht bedentend ändern, nur ein noch hosfenswertheres im Amte
folgen, zwingt uns, die wir nicht Pessimisten sein wollen, diesem Ministerium von
heute Bestand zu wünschen.

Manche trösten sich in denk Wahne, das Ministerium sei durch "ichlverant-
woriliche mächtige Einflüsse gehemmt im freien Walten, und hoffen dann, diese
Einflüsse würden allmählich zu überwinden sein, andere hoffen "och immer ans
einen Reichstag, und laben sich in der Erwartung, dieser Reichstag werde alles
in die Gleise des Fortschrittes zurückbringen; die Armen vergessen, daß das
Wahlgesetz' noch fehlt, durch welches man aus den skandalösesteit Reichstag wird
rekrmireu lassen können.

Während dieses F"reste"s, Hoffens und Sehnens benutzt das Ministerium
die Furcht der Mehrheit vor einem noch rückschrittlicheren Ministerin"!, schreckt
de" Hochadel mit der Demokratie, "ub diese wieder mit dem Hochadel und regiert,
organisirt, centralisirt unter dem Flügel des Bclagernnsgzustandeö in definitiven
Provisorien weiter.

Ueberdies kommt es dem Ministerium wohl zu statten, daß manche Kron¬
länder das Ministerium nicht in seiner Totalität verwerfen, indem einzelne
Ministerpersönlichkeiten von einzelnen Kronländern gehalten, von andern wieder
speciell gehaßt werden

Ungarn und Italien hassen allerdings den Ministerratl) in seiner Totalität,
lind weiden wohl überhaupt jedes östreichische Ministerium hassen, nicht so die
übrigen Kronländer. Minister Thun ist den Böhme" als nationaler Renegat wie
als Uliramontaner i" der Seele verhaßt. Renegaten sind i" der Regel die leiden-


GrcnMtcn. II. I"5U. 50

Ein halb amtliches Blatt widersprach alsbald i>«;r amboFes jenenl Gerüchte, und
ließ sogar durchblicken, höchstens werde der Herr den terrich tsminister der
öffentlichen Meinung geopfert werden. Ueberdies waren die Namen der prä-
sumtiven Amtsnachfolger so schreckhaft, um vorläufig wenigstens ganz unwahr¬
scheinlich zu klingen. Wer kann heute an Hartig, an Josika und Consorten, trotz
Genesis und sonstig anonymen Broschüre» im Ernste denken, heute, wo man mit
dem Opus der Ueberorganisatiou eben in ineäM« lo» sich gestürzt hat, und pr»
korina vorwärts muß, weil man nicht rückwärts kann, so sehr man sich auch nach
dein schonen Rückwärts sehnt, so bitter man auch diejenigen anfeindet, welche
so weit vorwärts trieben. Ist erst Alles fertig, sind die Tressen überall festgenäht
ans den Rockkragen der Beamtenannada, sind die Kanzleilische nach dem neuen
Plane ausgestellt, haben die Geusd'armesschnmrbärte alle das vorschriftsmäßig
Haynau'sche Maaß, dann kommt vielleicht die Zeit für jene alten verblichenen
Namen, ihnen wird dann die Mission, die neue Siaatsmaschine im großen Ganzen
nachNükwärts zu leiten, unter neuen Namen und Forme», in alter Art zu gouveruircu,
die reichlichen Winkelzüge und Freiheiisfangeisen der Verfassung möglichst auszubeuten.

Die Ueberzeugung, es könne dem heutigen Ministerium, falls Europas Ver¬
hältnisse sich nicht bedentend ändern, nur ein noch hosfenswertheres im Amte
folgen, zwingt uns, die wir nicht Pessimisten sein wollen, diesem Ministerium von
heute Bestand zu wünschen.

Manche trösten sich in denk Wahne, das Ministerium sei durch »ichlverant-
woriliche mächtige Einflüsse gehemmt im freien Walten, und hoffen dann, diese
Einflüsse würden allmählich zu überwinden sein, andere hoffen »och immer ans
einen Reichstag, und laben sich in der Erwartung, dieser Reichstag werde alles
in die Gleise des Fortschrittes zurückbringen; die Armen vergessen, daß das
Wahlgesetz' noch fehlt, durch welches man aus den skandalösesteit Reichstag wird
rekrmireu lassen können.

Während dieses F»reste»s, Hoffens und Sehnens benutzt das Ministerium
die Furcht der Mehrheit vor einem noch rückschrittlicheren Ministerin»!, schreckt
de» Hochadel mit der Demokratie, »ub diese wieder mit dem Hochadel und regiert,
organisirt, centralisirt unter dem Flügel des Bclagernnsgzustandeö in definitiven
Provisorien weiter.

Ueberdies kommt es dem Ministerium wohl zu statten, daß manche Kron¬
länder das Ministerium nicht in seiner Totalität verwerfen, indem einzelne
Ministerpersönlichkeiten von einzelnen Kronländern gehalten, von andern wieder
speciell gehaßt werden

Ungarn und Italien hassen allerdings den Ministerratl) in seiner Totalität,
lind weiden wohl überhaupt jedes östreichische Ministerium hassen, nicht so die
übrigen Kronländer. Minister Thun ist den Böhme» als nationaler Renegat wie
als Uliramontaner i» der Seele verhaßt. Renegaten sind i» der Regel die leiden-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/401>, abgerufen am 22.07.2024.