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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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und Beharrlichkeit das Ministerium gegen solche Hindernisse ankämpft. Zwar ist
dies keine Thätigkeit großer Charaktere, aber da wir solche nnter unsern Staats¬
männern noch kam" erwarten dürfen, so sollen wir auch anerkennen, wo sich eine
nützliche Ausdauer und Beharrlichkeit zeigt.

Das Haupthinderniß für die nothwendigen Neubauten im Inneren deö Staa¬
tes ist jetzt der Belagerungszustand. Wenn mau von Italien absieht, welches Na-
dezky wie eine eroberte Provinz mit consulariseher Gewalt beherrscht, so ist in den
übrigen Theilen der Monarchie die Wiederherstellung bürgerlicher Administration
und eines geordneten Rechtes jetzt unabweisbar geworden, die Generale erbittern
fast alle Klassen, stören Vertrauen, Handel und Verkehr, folglich auch die Finanz¬
einnahme des Staates, und demoralisiren das Heer durch den Uebermuth, welcher
Polizciverwaltung in die Seelen der Soldaten zu bringen pflegt und das Volk
durch Pedanterie und Willkür. Diese Generäle nämlich, nicht übermäßig ge¬
wandt in Beurtheilung der Menschennatur und sehr entfernt von der philosophi¬
schen Gleichgültigkeit gegen großstädtische Unordnungen, welche die Gewandtheit
eines regulären Polizeibeamten begleitet, hören überall die Tritte von Bvsgesinn-
ten, und wittern ans der ungewohnten Lectüre zahlreicher Zeitungsartikel alle
Arten politischer Nichtswürdigkeit heraus. Sie finden leicht und beständig Grund
zu militärischer Vorsicht gegen die irregulären Feinde von den Trottoirs und Kaffee-
häusern und suchen in ängstlicher Dicnstbeflissenheit ihre Stellung als nothwendig
und heilsam höchsten Ortes zu empfehlen. So weit es auf sie ankommt, würden
Wien und Krakau und Lemberg u. s. w. nie so gut gesinnt werden, daß der
Ausnahmezustand aufhören dürste. Wenn nnn das Ministerium irgend eine Ma߬
regel beabsichtigt, welche daraus berechnet ist, die Einmischungen der Generäle in
das geschäftliche Leben der Hauptstädte zu beschränken, so eilen sie das Ohr des
Kaisers zu gewinnen, und die Verordnung zu hintertreiben. Natürlich fehlt es
in dieser aufgeregten Zeit nicht an Verhöhnungen des Militärs, Beleidigungen
von Schildwachen und anderen böswilligen Streichen, welche, wie sich mit einigem
Grund behaupten läßt, weniger häufig vorkämen, wenn das Militär nicht so sehr
häusig wäre. Aus jeder solche" Unthat wissen sie die Nothwendigkeit ihrer eige¬
nen Fortdauer zu beweisen. Dagegen operirte das Ministerium zuerst indirekt, seine
Thätigkeit den kaiserlichen Augen durch Relationen, Gesetzentwürfe und Projekte
empfehlend, und aus Umwegen die Nothwendigkeit der bürgerlichen Erecntiouen
beweisend. Lange war der Kampf zweifelhaft, es gab in diesem Winter manchen
Tag, wo Bachs und Schmerlings, wohl anch Bank's Stern hinter Wolken stand;
aber ihre unermüdliche Thätigkeit, und uoch mehr das kluge Präsentiren dersel¬
ben, hat an hoher Stelle immer wieder imponirt und die Unentbehrlichkeit der
Unbequemen bewiesen. Was.end Kraus unerschöpflich war, den Schein des Gel¬
des hervorzubringen, machte Brück weitaussehende Pläne für eine Zvlleinignng
mit Deutschland, organisirte geräuschvoll die Handelscorpo.atiouen, holte überall


und Beharrlichkeit das Ministerium gegen solche Hindernisse ankämpft. Zwar ist
dies keine Thätigkeit großer Charaktere, aber da wir solche nnter unsern Staats¬
männern noch kam» erwarten dürfen, so sollen wir auch anerkennen, wo sich eine
nützliche Ausdauer und Beharrlichkeit zeigt.

Das Haupthinderniß für die nothwendigen Neubauten im Inneren deö Staa¬
tes ist jetzt der Belagerungszustand. Wenn mau von Italien absieht, welches Na-
dezky wie eine eroberte Provinz mit consulariseher Gewalt beherrscht, so ist in den
übrigen Theilen der Monarchie die Wiederherstellung bürgerlicher Administration
und eines geordneten Rechtes jetzt unabweisbar geworden, die Generale erbittern
fast alle Klassen, stören Vertrauen, Handel und Verkehr, folglich auch die Finanz¬
einnahme des Staates, und demoralisiren das Heer durch den Uebermuth, welcher
Polizciverwaltung in die Seelen der Soldaten zu bringen pflegt und das Volk
durch Pedanterie und Willkür. Diese Generäle nämlich, nicht übermäßig ge¬
wandt in Beurtheilung der Menschennatur und sehr entfernt von der philosophi¬
schen Gleichgültigkeit gegen großstädtische Unordnungen, welche die Gewandtheit
eines regulären Polizeibeamten begleitet, hören überall die Tritte von Bvsgesinn-
ten, und wittern ans der ungewohnten Lectüre zahlreicher Zeitungsartikel alle
Arten politischer Nichtswürdigkeit heraus. Sie finden leicht und beständig Grund
zu militärischer Vorsicht gegen die irregulären Feinde von den Trottoirs und Kaffee-
häusern und suchen in ängstlicher Dicnstbeflissenheit ihre Stellung als nothwendig
und heilsam höchsten Ortes zu empfehlen. So weit es auf sie ankommt, würden
Wien und Krakau und Lemberg u. s. w. nie so gut gesinnt werden, daß der
Ausnahmezustand aufhören dürste. Wenn nnn das Ministerium irgend eine Ma߬
regel beabsichtigt, welche daraus berechnet ist, die Einmischungen der Generäle in
das geschäftliche Leben der Hauptstädte zu beschränken, so eilen sie das Ohr des
Kaisers zu gewinnen, und die Verordnung zu hintertreiben. Natürlich fehlt es
in dieser aufgeregten Zeit nicht an Verhöhnungen des Militärs, Beleidigungen
von Schildwachen und anderen böswilligen Streichen, welche, wie sich mit einigem
Grund behaupten läßt, weniger häufig vorkämen, wenn das Militär nicht so sehr
häusig wäre. Aus jeder solche» Unthat wissen sie die Nothwendigkeit ihrer eige¬
nen Fortdauer zu beweisen. Dagegen operirte das Ministerium zuerst indirekt, seine
Thätigkeit den kaiserlichen Augen durch Relationen, Gesetzentwürfe und Projekte
empfehlend, und aus Umwegen die Nothwendigkeit der bürgerlichen Erecntiouen
beweisend. Lange war der Kampf zweifelhaft, es gab in diesem Winter manchen
Tag, wo Bachs und Schmerlings, wohl anch Bank's Stern hinter Wolken stand;
aber ihre unermüdliche Thätigkeit, und uoch mehr das kluge Präsentiren dersel¬
ben, hat an hoher Stelle immer wieder imponirt und die Unentbehrlichkeit der
Unbequemen bewiesen. Was.end Kraus unerschöpflich war, den Schein des Gel¬
des hervorzubringen, machte Brück weitaussehende Pläne für eine Zvlleinignng
mit Deutschland, organisirte geräuschvoll die Handelscorpo.atiouen, holte überall


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/40>, abgerufen am 24.08.2024.