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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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technische Gutachten ein, provocirte zu nützlichen Zwecken Collegien von Sachver¬
ständigen, welche immer etwas" Jmponirendes haben; Alles sowohl in der guten
Absicht zu nützen, als auch in der nicht weniger guten, den Völkern die lebhafte
Empfindung zu geben, daß sie sorgfältig regiert würden, und dieWochachtnug des
Hofes dadurch zu erzwingen, daß er das Vertrauen der Unterthanen an sich hef¬
tete. Unterdeß organisirten Bach und Schmerling die politischen und gerichtlichen
Behörden der Provinzen, setzten ganze Cohorten von neuen Beamten ein und
dccimirten die alten, verfügten und referierten so viel, daß der Kaiser dnrch die
Masse der nöthigen Namensunterschriften fast ermüdet wurde, daneben lernte Bach
noch die verschiedenen Sprachen der Völker, um anch nach dieser Seite hin Po¬
pularität zu erwerbe". Und während sie überall erst Grund graben mußten zu
dem neuen Gebäude, dessen Plan sie gemacht hatten, disputirtcn sie anch schon
über den Schmuck, der dasselbe teco iren solle, und nahmen die ernsthafte Miene
an, das Aufblühen eines neuen großartigen Kunstlebens im Kaiserstaate herbei¬
führen zu wollen. Vieles an ihrer Thätigkeit ist, wie gesagt, papierne Arbeit,
zunächst darauf berechnet, zu gefallen und zu imponiren, aber es bleibt immer
noch genug übrig, was ihnen und> ihren Resultaten Ehre machen wird. Und so
ist es ihnen jetzt gelungen, sich durch ihre Tüchtigkeit so wohl, als durch deu
Schein derselben so festzusetzen, daß selbst eine allerhöchste Verstimmung sie
uicht mehr von ihrem Portefeuille zu trennen wagt. Je sicherer sie sich
aber fühlen, desto starker werden ihre Angriffe gegen die militärische Unordnung.
Man hegt hier die Hoffnung, daß Hayuan die letzten Blößen, welche er sich in
Ungarn gegeben hat, bei dem Streit mit dein Cabinet um Assentirnng der Hon-
vedö und der Besteuerung der Judengemeinden nicht überstehen wird. Auch die
Herrschaft Weiden's über Wien wird nach dem Willen des Ministeriums vor dem
Juli zu Ende gehen. Es find dafür selbst in den Kreisen, welche den Ministern
nicht nahe stehen, einige Anzeichen zu finden. Die neue Organisation der Justiz¬
behörden, Gcschworcngerichte und Oeffentlichkeit werden in der That Anfang die¬
ses Sommers in's Leben treten; der berechnende Hausbesitzer schließt dies ans
Contracten, welche behuf Einrichtung von Räumlichkeiten u. s. w. abgeschlossen
sind ; der Journalist schließt aus dem Umstand, daß die Geschwornen gewählt werden
müssen, was doch unter dem Belagerungszustand unmöglich sei, das Ende desselben.
Eine bessere Bestätigung gibt ein sorgfältiges Memorandum von Schmerling für
deu Kaiser, eigentlich eine statistische Zusammenstellung der Krinnnalpflegc im Kai¬
serstaat, an welche aber eine Menge interessanter und wichtiger Bemerkungen ge¬
knüpft ist. Darin spricht er sich über den Zeitpunkt, i" welchem die großen
Justizrcformen eingeführt werden solle", so bestimmt aus, daß es nicht mehr müßig
ist, deuselbe" vor die Oeffentlichkeit zu bringen. Allerdings werden die Minister,
von denen hier die Rede war, bis dahin noch manchen Strauß mit den kaiserlichen
Heerführern und ihrem Einfluß zu bestehen haben, aber sie verzweifle" nicht mehr


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technische Gutachten ein, provocirte zu nützlichen Zwecken Collegien von Sachver¬
ständigen, welche immer etwas" Jmponirendes haben; Alles sowohl in der guten
Absicht zu nützen, als auch in der nicht weniger guten, den Völkern die lebhafte
Empfindung zu geben, daß sie sorgfältig regiert würden, und dieWochachtnug des
Hofes dadurch zu erzwingen, daß er das Vertrauen der Unterthanen an sich hef¬
tete. Unterdeß organisirten Bach und Schmerling die politischen und gerichtlichen
Behörden der Provinzen, setzten ganze Cohorten von neuen Beamten ein und
dccimirten die alten, verfügten und referierten so viel, daß der Kaiser dnrch die
Masse der nöthigen Namensunterschriften fast ermüdet wurde, daneben lernte Bach
noch die verschiedenen Sprachen der Völker, um anch nach dieser Seite hin Po¬
pularität zu erwerbe». Und während sie überall erst Grund graben mußten zu
dem neuen Gebäude, dessen Plan sie gemacht hatten, disputirtcn sie anch schon
über den Schmuck, der dasselbe teco iren solle, und nahmen die ernsthafte Miene
an, das Aufblühen eines neuen großartigen Kunstlebens im Kaiserstaate herbei¬
führen zu wollen. Vieles an ihrer Thätigkeit ist, wie gesagt, papierne Arbeit,
zunächst darauf berechnet, zu gefallen und zu imponiren, aber es bleibt immer
noch genug übrig, was ihnen und> ihren Resultaten Ehre machen wird. Und so
ist es ihnen jetzt gelungen, sich durch ihre Tüchtigkeit so wohl, als durch deu
Schein derselben so festzusetzen, daß selbst eine allerhöchste Verstimmung sie
uicht mehr von ihrem Portefeuille zu trennen wagt. Je sicherer sie sich
aber fühlen, desto starker werden ihre Angriffe gegen die militärische Unordnung.
Man hegt hier die Hoffnung, daß Hayuan die letzten Blößen, welche er sich in
Ungarn gegeben hat, bei dem Streit mit dein Cabinet um Assentirnng der Hon-
vedö und der Besteuerung der Judengemeinden nicht überstehen wird. Auch die
Herrschaft Weiden's über Wien wird nach dem Willen des Ministeriums vor dem
Juli zu Ende gehen. Es find dafür selbst in den Kreisen, welche den Ministern
nicht nahe stehen, einige Anzeichen zu finden. Die neue Organisation der Justiz¬
behörden, Gcschworcngerichte und Oeffentlichkeit werden in der That Anfang die¬
ses Sommers in's Leben treten; der berechnende Hausbesitzer schließt dies ans
Contracten, welche behuf Einrichtung von Räumlichkeiten u. s. w. abgeschlossen
sind ; der Journalist schließt aus dem Umstand, daß die Geschwornen gewählt werden
müssen, was doch unter dem Belagerungszustand unmöglich sei, das Ende desselben.
Eine bessere Bestätigung gibt ein sorgfältiges Memorandum von Schmerling für
deu Kaiser, eigentlich eine statistische Zusammenstellung der Krinnnalpflegc im Kai¬
serstaat, an welche aber eine Menge interessanter und wichtiger Bemerkungen ge¬
knüpft ist. Darin spricht er sich über den Zeitpunkt, i» welchem die großen
Justizrcformen eingeführt werden solle», so bestimmt aus, daß es nicht mehr müßig
ist, deuselbe» vor die Oeffentlichkeit zu bringen. Allerdings werden die Minister,
von denen hier die Rede war, bis dahin noch manchen Strauß mit den kaiserlichen
Heerführern und ihrem Einfluß zu bestehen haben, aber sie verzweifle» nicht mehr


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[0041] technische Gutachten ein, provocirte zu nützlichen Zwecken Collegien von Sachver¬ ständigen, welche immer etwas" Jmponirendes haben; Alles sowohl in der guten Absicht zu nützen, als auch in der nicht weniger guten, den Völkern die lebhafte Empfindung zu geben, daß sie sorgfältig regiert würden, und dieWochachtnug des Hofes dadurch zu erzwingen, daß er das Vertrauen der Unterthanen an sich hef¬ tete. Unterdeß organisirten Bach und Schmerling die politischen und gerichtlichen Behörden der Provinzen, setzten ganze Cohorten von neuen Beamten ein und dccimirten die alten, verfügten und referierten so viel, daß der Kaiser dnrch die Masse der nöthigen Namensunterschriften fast ermüdet wurde, daneben lernte Bach noch die verschiedenen Sprachen der Völker, um anch nach dieser Seite hin Po¬ pularität zu erwerbe». Und während sie überall erst Grund graben mußten zu dem neuen Gebäude, dessen Plan sie gemacht hatten, disputirtcn sie anch schon über den Schmuck, der dasselbe teco iren solle, und nahmen die ernsthafte Miene an, das Aufblühen eines neuen großartigen Kunstlebens im Kaiserstaate herbei¬ führen zu wollen. Vieles an ihrer Thätigkeit ist, wie gesagt, papierne Arbeit, zunächst darauf berechnet, zu gefallen und zu imponiren, aber es bleibt immer noch genug übrig, was ihnen und> ihren Resultaten Ehre machen wird. Und so ist es ihnen jetzt gelungen, sich durch ihre Tüchtigkeit so wohl, als durch deu Schein derselben so festzusetzen, daß selbst eine allerhöchste Verstimmung sie uicht mehr von ihrem Portefeuille zu trennen wagt. Je sicherer sie sich aber fühlen, desto starker werden ihre Angriffe gegen die militärische Unordnung. Man hegt hier die Hoffnung, daß Hayuan die letzten Blößen, welche er sich in Ungarn gegeben hat, bei dem Streit mit dein Cabinet um Assentirnng der Hon- vedö und der Besteuerung der Judengemeinden nicht überstehen wird. Auch die Herrschaft Weiden's über Wien wird nach dem Willen des Ministeriums vor dem Juli zu Ende gehen. Es find dafür selbst in den Kreisen, welche den Ministern nicht nahe stehen, einige Anzeichen zu finden. Die neue Organisation der Justiz¬ behörden, Gcschworcngerichte und Oeffentlichkeit werden in der That Anfang die¬ ses Sommers in's Leben treten; der berechnende Hausbesitzer schließt dies ans Contracten, welche behuf Einrichtung von Räumlichkeiten u. s. w. abgeschlossen sind ; der Journalist schließt aus dem Umstand, daß die Geschwornen gewählt werden müssen, was doch unter dem Belagerungszustand unmöglich sei, das Ende desselben. Eine bessere Bestätigung gibt ein sorgfältiges Memorandum von Schmerling für deu Kaiser, eigentlich eine statistische Zusammenstellung der Krinnnalpflegc im Kai¬ serstaat, an welche aber eine Menge interessanter und wichtiger Bemerkungen ge¬ knüpft ist. Darin spricht er sich über den Zeitpunkt, i» welchem die großen Justizrcformen eingeführt werden solle», so bestimmt aus, daß es nicht mehr müßig ist, deuselbe» vor die Oeffentlichkeit zu bringen. Allerdings werden die Minister, von denen hier die Rede war, bis dahin noch manchen Strauß mit den kaiserlichen Heerführern und ihrem Einfluß zu bestehen haben, aber sie verzweifle» nicht mehr Grcnzl'vier. II. I8Z0. 5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/41>, abgerufen am 24.08.2024.