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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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lassen, drang eine wilde Rotte in das Haus, schleuderte die Pechfackel auf das
Dach und durchtobte Gänge und Ziuuncr.

Dein Bergmanne waren zwei Pistolen geblieben. Als einige der Mordbrenner
Hand an die zitternden Frauen legten, welche bereits auf dein Wagen saßen, schoß
er zwei nieder, entriß dem einen der Fallenden die Lanze und stieß damit aber¬
mals unter sie. Da drängte sich Micarescu vor und befahl den Unholden, Haus
und Hof zu verlasse", -- es seien brave Leute, die deu Numaiuen nie etwas zu
Leide gethan. Das Volt stutzte und schlich sich fort, mit mürrischer, drohender
Miene auf die Leichname der gefallenen Bauern blickend. Jetzt, da der Raum
frei war, schwang sich Micaresen auf den Sitz des einen Wagens, ans dem Oedön,
der unterdessen seine Pistolen wieder lud, und die Frauen Platz geuoiumen, und
jagte im vollen Laufe der Pferde dem Thore von Thorda zu. Wohl geschahen
Schüsse ans sie in den Straßen, aber sie trafen die Flüchtlinge nicht. Mitten
durch Haufen der Fliehenden und Verfolger trieb der Walache die Pferde, scho¬
nungslos links und rechts seiue Brüder mit der Peitsche auseinander treibend.
Sie langten am Thore an.

Hier standen etwa zweihundert Walache" als Thorwache, mit dem Befehle,
keinen Flüchtling hinausznlassen, sondern einen Jeden niederzustoßen. Vergebens
erschöpfte Mieareöeu Bitten, Vorstellungen und Drohungen -- vergebens legteer
sein Gewehr auf die Nächststehenden, Tobenden, Drohenden, sich immer näher
Drängenden an und trieb die Pferde zu einer verzweifelten Kraftanstrengung.
Plötzlich gewahrte er eine wohlbekannte Gestalt, welche die furchtbarste Stunde in
seinem Leben ihm vor die Pforten der Eri"nerung rief. Der Walachenhänpt-
ling aus Zalathna stand in der Mitte des dichten Knäuels, der deu Wagen um¬
ringt hatte, und eiferte die Bauern, die sonst vielleicht die Fliehenden hätten ent¬
schlüpfen lassen, zu Gewaltthätigkeiten an. Micareöcn erhob sich und, wahrend
Oedön die geladenen Pistolen aus die Menge richtete, zielte der Centurio auf
jenen Mann und feuerte. Ein migehenres Geschrei erhob sich nnter dem
Volke. Der Prüftet war gefallen. Jetzt geschahen Schüsse ans Schüsse, Oedön
stürzte vom Wagen herunter, tödtlich getroffen. Ein Mark und Bein durch¬
dringender Schrei erscholl hinter ihm. -- Ilona warf sich zu Boden auf den
Leichnam ihres Bräutigams und klammerte sich mit Verzweiflung an dem Todten
an. In dem nächsten Augenblicke war auch sie von unzähligen Lanzenstößen ge¬
troffen eine Leiche und ruhte neben der greifen Mutter. Der Centurio focht
von seinem Sitze herab wie ein Löwe, schmetterte unermüdlich mit dem Kolben des
Gewehres die Nächsten nieder. Endlich sank er herab, aus vielen Wunden blutend.

Da eilte, fliegenden Haares, schreiend ein Mädchen herbei. "Wo ist Pänteti
Oedön, mein Herr?" frug sie atheiulos.

"Wenn Du den Ungar meinst, Maria," antwortete ein Walache ans ihrem
Dorfe, -- "da liegt er."


lassen, drang eine wilde Rotte in das Haus, schleuderte die Pechfackel auf das
Dach und durchtobte Gänge und Ziuuncr.

Dein Bergmanne waren zwei Pistolen geblieben. Als einige der Mordbrenner
Hand an die zitternden Frauen legten, welche bereits auf dein Wagen saßen, schoß
er zwei nieder, entriß dem einen der Fallenden die Lanze und stieß damit aber¬
mals unter sie. Da drängte sich Micarescu vor und befahl den Unholden, Haus
und Hof zu verlasse», — es seien brave Leute, die deu Numaiuen nie etwas zu
Leide gethan. Das Volt stutzte und schlich sich fort, mit mürrischer, drohender
Miene auf die Leichname der gefallenen Bauern blickend. Jetzt, da der Raum
frei war, schwang sich Micaresen auf den Sitz des einen Wagens, ans dem Oedön,
der unterdessen seine Pistolen wieder lud, und die Frauen Platz geuoiumen, und
jagte im vollen Laufe der Pferde dem Thore von Thorda zu. Wohl geschahen
Schüsse ans sie in den Straßen, aber sie trafen die Flüchtlinge nicht. Mitten
durch Haufen der Fliehenden und Verfolger trieb der Walache die Pferde, scho¬
nungslos links und rechts seiue Brüder mit der Peitsche auseinander treibend.
Sie langten am Thore an.

Hier standen etwa zweihundert Walache» als Thorwache, mit dem Befehle,
keinen Flüchtling hinausznlassen, sondern einen Jeden niederzustoßen. Vergebens
erschöpfte Mieareöeu Bitten, Vorstellungen und Drohungen — vergebens legteer
sein Gewehr auf die Nächststehenden, Tobenden, Drohenden, sich immer näher
Drängenden an und trieb die Pferde zu einer verzweifelten Kraftanstrengung.
Plötzlich gewahrte er eine wohlbekannte Gestalt, welche die furchtbarste Stunde in
seinem Leben ihm vor die Pforten der Eri»nerung rief. Der Walachenhänpt-
ling aus Zalathna stand in der Mitte des dichten Knäuels, der deu Wagen um¬
ringt hatte, und eiferte die Bauern, die sonst vielleicht die Fliehenden hätten ent¬
schlüpfen lassen, zu Gewaltthätigkeiten an. Micareöcn erhob sich und, wahrend
Oedön die geladenen Pistolen aus die Menge richtete, zielte der Centurio auf
jenen Mann und feuerte. Ein migehenres Geschrei erhob sich nnter dem
Volke. Der Prüftet war gefallen. Jetzt geschahen Schüsse ans Schüsse, Oedön
stürzte vom Wagen herunter, tödtlich getroffen. Ein Mark und Bein durch¬
dringender Schrei erscholl hinter ihm. — Ilona warf sich zu Boden auf den
Leichnam ihres Bräutigams und klammerte sich mit Verzweiflung an dem Todten
an. In dem nächsten Augenblicke war auch sie von unzähligen Lanzenstößen ge¬
troffen eine Leiche und ruhte neben der greifen Mutter. Der Centurio focht
von seinem Sitze herab wie ein Löwe, schmetterte unermüdlich mit dem Kolben des
Gewehres die Nächsten nieder. Endlich sank er herab, aus vielen Wunden blutend.

Da eilte, fliegenden Haares, schreiend ein Mädchen herbei. „Wo ist Pänteti
Oedön, mein Herr?" frug sie atheiulos.

„Wenn Du den Ungar meinst, Maria," antwortete ein Walache ans ihrem
Dorfe, — „da liegt er."


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/344>, abgerufen am 03.07.2024.