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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Die Männer, die nicht sterben wollten öl)ne Vertheidigung, stürzten sich
mit der Keckheit der Verzweiflung ans den Feind und erschlugen ihn mit seiner
eignen Waffe, bis die Ueberzahl sie besiegte. --

Andre Männer sah man ihr Geld dein wilden Heere hinwerfen und damit
ihr Leben erkaufen, oder mitten aus der Gasse das städtische Kleid gegen das
walachische vertauschen. Nicht immer schlug das Geschick die Bürger allein, auch
den Feind tödtete es mit herabfallenden Fetterbalken, oder erstickte den allzu
Nanbgierigen in den Häusern. Auch nicht lauter Erbarmungslose sah diese
Schreckensnacht. Nicht wenige der zur Bewachung der GärtenanSgänge aufge¬
stellten Bauern ließen Fliehende entlaufen und gaben ihnen wohl noch ein Klei¬
dungsstück, weil jene halbnackt waren. Niemand fühlte den fürchterliche" Frost,
als die, welche gebunden und regungslos auf den Straßen liegen mußten. Die
Fliehenden, Naubeuden und Mordenden vergaßen über dem Jammer und der Ar¬
beit die Jahreszeit.

Da und dort drängten sich die Verfolgten in die vom Feuer noch verschonten
Häuser zusanliuen; so suchten an 10t) Menschen Zuflucht im sogenannten Kloster.
Auch dorthin folgte das Gesindel. Da ging ihnen der Abt im vollen Ornate
entgegen und erbat um des allmächtigen Gottes Willen Schonung sür seine
Schützlinge.

Axeutje, einer der Nänberhanvtleute, ein großer, starker Mann, schaute mit
stiller Lust ans alle die entsetzten, resignirten, traurigen, erwartungsvollen Antlitze,
und ein unbeschreibliches Lächeln innerer Befriedigung ging wie ein fallender
Stern über seine Züge.

"Packt Euch hinaus!" rief er dem eindringenden, spähenden Gesindel zu, und
sein Machtwort schaffte Nuhe. Dem geistlichen Herrn sagte er Schulz der hier
Befindlichen zu.

Ju diesem Augenblicke krachten Schüsse zu den Fenstern herein, und krei-
schende, getroffene Weiber und Kinder wälzten sich am Boden. Müttern wurden
die Säuglinge an der Brust getödtet. Hohngelächter schallte von draußen.

"Ist das Euer Schutz, gottverfluchter Walache?" rief ein junger Mann in
Hemd und Beinkleidern. "So stirb wenigstens Dn mit uns!" Und er stürzte sich
ans den Häuptling, entriß ihm eine der im Gürtel steckenden Pistolen und drückte
los. Aber die Waffe versagte. Stumm und lächelnd hielt ihm jetzt Arentje die
Pistole vor die Stirn, im nächsten Augenblicke lag eine Leiche, zu seinen Füßen.
-- In dein Raume, wo dies geschah, waren an 5t) Menschen, meist Frauen
gegenwärtig. --

Als die Sturmglocken verkündeten, daß der Feind eingedrungen sei, hatte
Oedön die Frauen mit sich in den Hofraum gerissen und traf hiev anf Micarescu,
der bereits die Pferde in die Wagen eiufpauute, von AndriS dem Knechte nuter-
stüjzt. Aber noch ehe sich das weite Hofthor öffnete, um die Wagen hinanszn-


Die Männer, die nicht sterben wollten öl)ne Vertheidigung, stürzten sich
mit der Keckheit der Verzweiflung ans den Feind und erschlugen ihn mit seiner
eignen Waffe, bis die Ueberzahl sie besiegte. —

Andre Männer sah man ihr Geld dein wilden Heere hinwerfen und damit
ihr Leben erkaufen, oder mitten aus der Gasse das städtische Kleid gegen das
walachische vertauschen. Nicht immer schlug das Geschick die Bürger allein, auch
den Feind tödtete es mit herabfallenden Fetterbalken, oder erstickte den allzu
Nanbgierigen in den Häusern. Auch nicht lauter Erbarmungslose sah diese
Schreckensnacht. Nicht wenige der zur Bewachung der GärtenanSgänge aufge¬
stellten Bauern ließen Fliehende entlaufen und gaben ihnen wohl noch ein Klei¬
dungsstück, weil jene halbnackt waren. Niemand fühlte den fürchterliche» Frost,
als die, welche gebunden und regungslos auf den Straßen liegen mußten. Die
Fliehenden, Naubeuden und Mordenden vergaßen über dem Jammer und der Ar¬
beit die Jahreszeit.

Da und dort drängten sich die Verfolgten in die vom Feuer noch verschonten
Häuser zusanliuen; so suchten an 10t) Menschen Zuflucht im sogenannten Kloster.
Auch dorthin folgte das Gesindel. Da ging ihnen der Abt im vollen Ornate
entgegen und erbat um des allmächtigen Gottes Willen Schonung sür seine
Schützlinge.

Axeutje, einer der Nänberhanvtleute, ein großer, starker Mann, schaute mit
stiller Lust ans alle die entsetzten, resignirten, traurigen, erwartungsvollen Antlitze,
und ein unbeschreibliches Lächeln innerer Befriedigung ging wie ein fallender
Stern über seine Züge.

„Packt Euch hinaus!" rief er dem eindringenden, spähenden Gesindel zu, und
sein Machtwort schaffte Nuhe. Dem geistlichen Herrn sagte er Schulz der hier
Befindlichen zu.

Ju diesem Augenblicke krachten Schüsse zu den Fenstern herein, und krei-
schende, getroffene Weiber und Kinder wälzten sich am Boden. Müttern wurden
die Säuglinge an der Brust getödtet. Hohngelächter schallte von draußen.

„Ist das Euer Schutz, gottverfluchter Walache?" rief ein junger Mann in
Hemd und Beinkleidern. „So stirb wenigstens Dn mit uns!" Und er stürzte sich
ans den Häuptling, entriß ihm eine der im Gürtel steckenden Pistolen und drückte
los. Aber die Waffe versagte. Stumm und lächelnd hielt ihm jetzt Arentje die
Pistole vor die Stirn, im nächsten Augenblicke lag eine Leiche, zu seinen Füßen.
— In dein Raume, wo dies geschah, waren an 5t) Menschen, meist Frauen
gegenwärtig. —

Als die Sturmglocken verkündeten, daß der Feind eingedrungen sei, hatte
Oedön die Frauen mit sich in den Hofraum gerissen und traf hiev anf Micarescu,
der bereits die Pferde in die Wagen eiufpauute, von AndriS dem Knechte nuter-
stüjzt. Aber noch ehe sich das weite Hofthor öffnete, um die Wagen hinanszn-


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[0343] Die Männer, die nicht sterben wollten öl)ne Vertheidigung, stürzten sich mit der Keckheit der Verzweiflung ans den Feind und erschlugen ihn mit seiner eignen Waffe, bis die Ueberzahl sie besiegte. — Andre Männer sah man ihr Geld dein wilden Heere hinwerfen und damit ihr Leben erkaufen, oder mitten aus der Gasse das städtische Kleid gegen das walachische vertauschen. Nicht immer schlug das Geschick die Bürger allein, auch den Feind tödtete es mit herabfallenden Fetterbalken, oder erstickte den allzu Nanbgierigen in den Häusern. Auch nicht lauter Erbarmungslose sah diese Schreckensnacht. Nicht wenige der zur Bewachung der GärtenanSgänge aufge¬ stellten Bauern ließen Fliehende entlaufen und gaben ihnen wohl noch ein Klei¬ dungsstück, weil jene halbnackt waren. Niemand fühlte den fürchterliche» Frost, als die, welche gebunden und regungslos auf den Straßen liegen mußten. Die Fliehenden, Naubeuden und Mordenden vergaßen über dem Jammer und der Ar¬ beit die Jahreszeit. Da und dort drängten sich die Verfolgten in die vom Feuer noch verschonten Häuser zusanliuen; so suchten an 10t) Menschen Zuflucht im sogenannten Kloster. Auch dorthin folgte das Gesindel. Da ging ihnen der Abt im vollen Ornate entgegen und erbat um des allmächtigen Gottes Willen Schonung sür seine Schützlinge. Axeutje, einer der Nänberhanvtleute, ein großer, starker Mann, schaute mit stiller Lust ans alle die entsetzten, resignirten, traurigen, erwartungsvollen Antlitze, und ein unbeschreibliches Lächeln innerer Befriedigung ging wie ein fallender Stern über seine Züge. „Packt Euch hinaus!" rief er dem eindringenden, spähenden Gesindel zu, und sein Machtwort schaffte Nuhe. Dem geistlichen Herrn sagte er Schulz der hier Befindlichen zu. Ju diesem Augenblicke krachten Schüsse zu den Fenstern herein, und krei- schende, getroffene Weiber und Kinder wälzten sich am Boden. Müttern wurden die Säuglinge an der Brust getödtet. Hohngelächter schallte von draußen. „Ist das Euer Schutz, gottverfluchter Walache?" rief ein junger Mann in Hemd und Beinkleidern. „So stirb wenigstens Dn mit uns!" Und er stürzte sich ans den Häuptling, entriß ihm eine der im Gürtel steckenden Pistolen und drückte los. Aber die Waffe versagte. Stumm und lächelnd hielt ihm jetzt Arentje die Pistole vor die Stirn, im nächsten Augenblicke lag eine Leiche, zu seinen Füßen. — In dein Raume, wo dies geschah, waren an 5t) Menschen, meist Frauen gegenwärtig. — Als die Sturmglocken verkündeten, daß der Feind eingedrungen sei, hatte Oedön die Frauen mit sich in den Hofraum gerissen und traf hiev anf Micarescu, der bereits die Pferde in die Wagen eiufpauute, von AndriS dem Knechte nuter- stüjzt. Aber noch ehe sich das weite Hofthor öffnete, um die Wagen hinanszn-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/343>, abgerufen am 03.07.2024.