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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Bis zum Nbend blieb Marie bei ihnen und half, immer dienstfertig, ein¬
packen. Auch sie mahnte zur Eile, da zwei Tribunen, welche in ihrem Dorfe
gewesen waren, ans dein Anschlage der Walachen auf Enyed kein Hehl machten.

Das Gerücht von einer Gefahr, die der Stadt drohte, hatte sich bald durch
Enyed verbreitet, und man sah viele Familien eiligst das Nothwendigste von
dem Wenigen, was nach der wochenlangen Plünderung geblieben war, aber anch
Manches Unnütze, wie es in Augenblicken der Angst zu geschehen Pflegt, zusam¬
menlesen und die Stadt verlassen. Glücklich, wer noch am Nachmittage des
achten Januar entfloh. --

Gegen Abend dieses schreckenvollen Tages ritt der walachische Präfect Prodün
mit einigen Tribunen in die Stadt, lies; sür !lC,()l!0 Walachen Quartier machen
und befahl die Herbeischaffung vou ebensovielen Brodpvrtionen; indem er zu¬
gleich dem Magistrate feierlich versprach, eS solle keinem Einwohner das mindeste
Leid angethan werden.

Ans seinen Wunsch gingen die Viertelöhanptlente von Haus zu Haus un'd
ernährten die Leute zur Ruhe; -- sie mußten ""wissend diene", ihre Mitbürger
in Sicherheit z" wiege". Ja, der heuchlerische Walachc ging so weit, dem
Stadtrichter zu sagen: "Gern möchte ich noch mehr sür eine Stadt thun, die ich
wie meinen Angapfel liebe!" -- Um acht Uhr Abends wurden, die Armen noch
sicherer zu machen, die Quartiere abbestellt; die Walachen, wurde versichert, wer¬
de" die Nacht im Freien zubringen. --

Ein sternenheller, tiefblauer Himmel hing über der Stadt. Die Sterne
funkelten und blitzen mit wunderbarem seltenem Scheine, die Tritte der Wande¬
rer in den Straßen klangen da, wo der Schnee weggeräumt war, wie die Schläge
eines fleißigen Holzhauers im Walde, und der Schnee knisterte ""r "och leise, --
er war fast zu Gletscherhärte gefröre" i" der furchtbare" Kälte. Die Thermo¬
meter zeigten 22 Grad.

Hie und da blinkte noch in einem Hause ein Licht. Die Stadt schlief so
fest, wie man in den ersten Stunde" der kältesten Winternacht zu schlafen pflegt.

Im Hanse der Wittwe war Alles zum Aufbruche gerüstet. Die beladene"
Wage" standen, vom treuen Hunde bewacht, im Hofraume; Morgens i" der Frühe
wollte die Familie ihre Vaterstadt verlassen. Unerwartete Hindernisse hatten die
Abfahrt verzögert, wie dringend anch Miearescn n"d Maria, die am Nachmittage
"och bei dem Einpacken und Lade" geholfen, zum Ausbrüche gemahnt hatten.
Der treue Walachc ruhte nun im Hofe, aber ohne Schlaf-, um die Familie, zu
schützen. Maria hatte sich zu einer im Orte wohnenden Verwandten begeben. --

"Es ist schon spät, Mutter -- eilf Uhr" -- sagte Ocdöu zur Matrone, "und
uns bleiben nur wenige Stunden bis zur Abreise. Benutzen wir sie zu einem
letzten guten Schlafe in dein alten Hause, das bald der Erde gleich sein wird.

"Vor fünf und vierzig Jahren führte mich mein Mann herein, es war da-


Bis zum Nbend blieb Marie bei ihnen und half, immer dienstfertig, ein¬
packen. Auch sie mahnte zur Eile, da zwei Tribunen, welche in ihrem Dorfe
gewesen waren, ans dein Anschlage der Walachen auf Enyed kein Hehl machten.

Das Gerücht von einer Gefahr, die der Stadt drohte, hatte sich bald durch
Enyed verbreitet, und man sah viele Familien eiligst das Nothwendigste von
dem Wenigen, was nach der wochenlangen Plünderung geblieben war, aber anch
Manches Unnütze, wie es in Augenblicken der Angst zu geschehen Pflegt, zusam¬
menlesen und die Stadt verlassen. Glücklich, wer noch am Nachmittage des
achten Januar entfloh. —

Gegen Abend dieses schreckenvollen Tages ritt der walachische Präfect Prodün
mit einigen Tribunen in die Stadt, lies; sür !lC,()l!0 Walachen Quartier machen
und befahl die Herbeischaffung vou ebensovielen Brodpvrtionen; indem er zu¬
gleich dem Magistrate feierlich versprach, eS solle keinem Einwohner das mindeste
Leid angethan werden.

Ans seinen Wunsch gingen die Viertelöhanptlente von Haus zu Haus un'd
ernährten die Leute zur Ruhe; — sie mußten »»wissend diene», ihre Mitbürger
in Sicherheit z» wiege». Ja, der heuchlerische Walachc ging so weit, dem
Stadtrichter zu sagen: „Gern möchte ich noch mehr sür eine Stadt thun, die ich
wie meinen Angapfel liebe!" — Um acht Uhr Abends wurden, die Armen noch
sicherer zu machen, die Quartiere abbestellt; die Walachen, wurde versichert, wer¬
de» die Nacht im Freien zubringen. —

Ein sternenheller, tiefblauer Himmel hing über der Stadt. Die Sterne
funkelten und blitzen mit wunderbarem seltenem Scheine, die Tritte der Wande¬
rer in den Straßen klangen da, wo der Schnee weggeräumt war, wie die Schläge
eines fleißigen Holzhauers im Walde, und der Schnee knisterte »»r »och leise, —
er war fast zu Gletscherhärte gefröre» i» der furchtbare» Kälte. Die Thermo¬
meter zeigten 22 Grad.

Hie und da blinkte noch in einem Hause ein Licht. Die Stadt schlief so
fest, wie man in den ersten Stunde» der kältesten Winternacht zu schlafen pflegt.

Im Hanse der Wittwe war Alles zum Aufbruche gerüstet. Die beladene»
Wage» standen, vom treuen Hunde bewacht, im Hofraume; Morgens i» der Frühe
wollte die Familie ihre Vaterstadt verlassen. Unerwartete Hindernisse hatten die
Abfahrt verzögert, wie dringend anch Miearescn n»d Maria, die am Nachmittage
»och bei dem Einpacken und Lade» geholfen, zum Ausbrüche gemahnt hatten.
Der treue Walachc ruhte nun im Hofe, aber ohne Schlaf-, um die Familie, zu
schützen. Maria hatte sich zu einer im Orte wohnenden Verwandten begeben. —

„Es ist schon spät, Mutter — eilf Uhr" — sagte Ocdöu zur Matrone, „und
uns bleiben nur wenige Stunden bis zur Abreise. Benutzen wir sie zu einem
letzten guten Schlafe in dein alten Hause, das bald der Erde gleich sein wird.

„Vor fünf und vierzig Jahren führte mich mein Mann herein, es war da-


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[0341] Bis zum Nbend blieb Marie bei ihnen und half, immer dienstfertig, ein¬ packen. Auch sie mahnte zur Eile, da zwei Tribunen, welche in ihrem Dorfe gewesen waren, ans dein Anschlage der Walachen auf Enyed kein Hehl machten. Das Gerücht von einer Gefahr, die der Stadt drohte, hatte sich bald durch Enyed verbreitet, und man sah viele Familien eiligst das Nothwendigste von dem Wenigen, was nach der wochenlangen Plünderung geblieben war, aber anch Manches Unnütze, wie es in Augenblicken der Angst zu geschehen Pflegt, zusam¬ menlesen und die Stadt verlassen. Glücklich, wer noch am Nachmittage des achten Januar entfloh. — Gegen Abend dieses schreckenvollen Tages ritt der walachische Präfect Prodün mit einigen Tribunen in die Stadt, lies; sür !lC,()l!0 Walachen Quartier machen und befahl die Herbeischaffung vou ebensovielen Brodpvrtionen; indem er zu¬ gleich dem Magistrate feierlich versprach, eS solle keinem Einwohner das mindeste Leid angethan werden. Ans seinen Wunsch gingen die Viertelöhanptlente von Haus zu Haus un'd ernährten die Leute zur Ruhe; — sie mußten »»wissend diene», ihre Mitbürger in Sicherheit z» wiege». Ja, der heuchlerische Walachc ging so weit, dem Stadtrichter zu sagen: „Gern möchte ich noch mehr sür eine Stadt thun, die ich wie meinen Angapfel liebe!" — Um acht Uhr Abends wurden, die Armen noch sicherer zu machen, die Quartiere abbestellt; die Walachen, wurde versichert, wer¬ de» die Nacht im Freien zubringen. — Ein sternenheller, tiefblauer Himmel hing über der Stadt. Die Sterne funkelten und blitzen mit wunderbarem seltenem Scheine, die Tritte der Wande¬ rer in den Straßen klangen da, wo der Schnee weggeräumt war, wie die Schläge eines fleißigen Holzhauers im Walde, und der Schnee knisterte »»r »och leise, — er war fast zu Gletscherhärte gefröre» i» der furchtbare» Kälte. Die Thermo¬ meter zeigten 22 Grad. Hie und da blinkte noch in einem Hause ein Licht. Die Stadt schlief so fest, wie man in den ersten Stunde» der kältesten Winternacht zu schlafen pflegt. Im Hanse der Wittwe war Alles zum Aufbruche gerüstet. Die beladene» Wage» standen, vom treuen Hunde bewacht, im Hofraume; Morgens i» der Frühe wollte die Familie ihre Vaterstadt verlassen. Unerwartete Hindernisse hatten die Abfahrt verzögert, wie dringend anch Miearescn n»d Maria, die am Nachmittage »och bei dem Einpacken und Lade» geholfen, zum Ausbrüche gemahnt hatten. Der treue Walachc ruhte nun im Hofe, aber ohne Schlaf-, um die Familie, zu schützen. Maria hatte sich zu einer im Orte wohnenden Verwandten begeben. — „Es ist schon spät, Mutter — eilf Uhr" — sagte Ocdöu zur Matrone, „und uns bleiben nur wenige Stunden bis zur Abreise. Benutzen wir sie zu einem letzten guten Schlafe in dein alten Hause, das bald der Erde gleich sein wird. „Vor fünf und vierzig Jahren führte mich mein Mann herein, es war da-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/341>, abgerufen am 22.07.2024.