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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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fast, nahm Miearescn den -Bergmann auf die Seite und sagte: "Fürwahr,
wenn Eure Braut uicht ein se' frommes, schönes Fräulein wäre, so ansteck
Ihr sür eine Andere, die an Euretwillen viel Schmerzen gelitten hat, und
nicht abgelassen hat mit Bitten, bis ich sie mitgenommen, etwas Mitleid
empfinden. Sie hat -- Ihr wißt, wen ich meine -- Euch vor Eurer Abreise
noch einmal sehen wollen, und nun weint das arme Kind draußen, weil sie es
doch nicht wagt, Euer Antlitz wieder zu sehen, damit der Schmerz nicht großer
werde und von Neuem aufbreche.

Gerührt und überrascht reichte Oedön dem Centurio die Hand zum Zeichen,
daß er ihn verstanden, und eilte hinaus, Maria hereiuzuführeu, die auf der
Steinbank vor dem Hanse saß und die furchtbare, draußen herrschende Kälte
uicht zu empfinde" schien. Als er unter der Thür herauskam, blickte sie auf
und stieß einen leisen Schrei aus; ihr Alteich aber war vou Purpur übergössen.
"Aber Marie, gutes Kind," rief er, ihre Hand ergreifend, "warum thust Dn
mir das Unrecht an und wartest vor meinem Hanse, nachdem Dn selbst mich in
das Deinige aufgenommen und wie einen Bruder gepflegt hast. Komm eilend,
daß ich meiner Mutter das edelste, bravste Mädchen zeige."

"Ist Ihre Braut anch drinnen?" fragte mit stockender Stimme die Walachin.

"Ja, und sie wird Dich wie ihre Schwester empfangen." Nach einigem
Zögern trat das arme, von Liebe und Eifersucht bitter gequälte Kind in das
Haus. Oedöu führte sie an der Hand in das Zimmer und sprach: "Liebe
Mutter, Ilona, das ist das Mädchen, das den Feind seiner Nation bei sich
aufnahm, als er verwundet und hülflos sich dem Tode nahe glaubte, und die
Nacht und Tag unermüdet wachte, bis er genesen war." --

Als Ilona mit eindringendem warmem Tone zu Maria redete, bewegten
sich mancherlei Gedanken in dein Herzen der Walachin. ^ Rührung und heimliche
Freude über einen so wariueu Empfang kämpften mit Eisersucht und Schmerz.
Das schlichte Mädchen meinte, wenn sie die gebildete, so städtisch gekleidete
Ungarin anschaute, der Abstand zwischen ihnen Beiden sei so groß, daß Ilona sich
der neuen Bekannten bald schämen werde, weil sie zu gering sei neben ihr.
Sie hätte mit der ersten Regung ihres Gemüths Ilona hassen tonnen, und empfand
doch wieder, daß sie ihr gut sein müsse. Aber auch diese so menschliche Empfin¬
dung überwand sie mit Kraft, nahm lächelnd Ilona's Hand, schüttelte sie
und sprach:

"Sie hätten dasselbe und noch mehr gethan, wenn Micareöcn eure Hülfe be¬
durft hätte, denn Sie müssen ein mildes Herz haben, weil Sie so schön sind und
freundlich aussehen, und weil der junge Herr Sie so lieb hat."

Diese naive Rede gewann Marien auch das ganze Herz der Wittwe, die ihr
vorschlug, die Familie nach Klauscuburg zu begleiten. Mit heftiger Geberde
lehnte das Mädchen ab; fast hätte sie den Frauen ihr Geheimniß verrathen.


fast, nahm Miearescn den -Bergmann auf die Seite und sagte: „Fürwahr,
wenn Eure Braut uicht ein se' frommes, schönes Fräulein wäre, so ansteck
Ihr sür eine Andere, die an Euretwillen viel Schmerzen gelitten hat, und
nicht abgelassen hat mit Bitten, bis ich sie mitgenommen, etwas Mitleid
empfinden. Sie hat — Ihr wißt, wen ich meine — Euch vor Eurer Abreise
noch einmal sehen wollen, und nun weint das arme Kind draußen, weil sie es
doch nicht wagt, Euer Antlitz wieder zu sehen, damit der Schmerz nicht großer
werde und von Neuem aufbreche.

Gerührt und überrascht reichte Oedön dem Centurio die Hand zum Zeichen,
daß er ihn verstanden, und eilte hinaus, Maria hereiuzuführeu, die auf der
Steinbank vor dem Hanse saß und die furchtbare, draußen herrschende Kälte
uicht zu empfinde» schien. Als er unter der Thür herauskam, blickte sie auf
und stieß einen leisen Schrei aus; ihr Alteich aber war vou Purpur übergössen.
„Aber Marie, gutes Kind," rief er, ihre Hand ergreifend, „warum thust Dn
mir das Unrecht an und wartest vor meinem Hanse, nachdem Dn selbst mich in
das Deinige aufgenommen und wie einen Bruder gepflegt hast. Komm eilend,
daß ich meiner Mutter das edelste, bravste Mädchen zeige."

„Ist Ihre Braut anch drinnen?" fragte mit stockender Stimme die Walachin.

„Ja, und sie wird Dich wie ihre Schwester empfangen." Nach einigem
Zögern trat das arme, von Liebe und Eifersucht bitter gequälte Kind in das
Haus. Oedöu führte sie an der Hand in das Zimmer und sprach: „Liebe
Mutter, Ilona, das ist das Mädchen, das den Feind seiner Nation bei sich
aufnahm, als er verwundet und hülflos sich dem Tode nahe glaubte, und die
Nacht und Tag unermüdet wachte, bis er genesen war." —

Als Ilona mit eindringendem warmem Tone zu Maria redete, bewegten
sich mancherlei Gedanken in dein Herzen der Walachin. ^ Rührung und heimliche
Freude über einen so wariueu Empfang kämpften mit Eisersucht und Schmerz.
Das schlichte Mädchen meinte, wenn sie die gebildete, so städtisch gekleidete
Ungarin anschaute, der Abstand zwischen ihnen Beiden sei so groß, daß Ilona sich
der neuen Bekannten bald schämen werde, weil sie zu gering sei neben ihr.
Sie hätte mit der ersten Regung ihres Gemüths Ilona hassen tonnen, und empfand
doch wieder, daß sie ihr gut sein müsse. Aber auch diese so menschliche Empfin¬
dung überwand sie mit Kraft, nahm lächelnd Ilona's Hand, schüttelte sie
und sprach:

„Sie hätten dasselbe und noch mehr gethan, wenn Micareöcn eure Hülfe be¬
durft hätte, denn Sie müssen ein mildes Herz haben, weil Sie so schön sind und
freundlich aussehen, und weil der junge Herr Sie so lieb hat."

Diese naive Rede gewann Marien auch das ganze Herz der Wittwe, die ihr
vorschlug, die Familie nach Klauscuburg zu begleiten. Mit heftiger Geberde
lehnte das Mädchen ab; fast hätte sie den Frauen ihr Geheimniß verrathen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/340>, abgerufen am 22.07.2024.