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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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Begriff, wie es Mücke ganz richtig auseinandergesetzt hat, vollkommen widerspricht,
unter der Voraussetzung gemacht worden, daß die Union zu Staude käme, so
war es wenigstens unklug, die Gehässigkeit dieser Maßregel, die im eintretenden
Falle auf viel gelindere Weise durch die rechtlich constituirten Gewalten anzubah¬
nen war, aus eine Versammlung zu nehmen, deren durch und durch problematische
Natur so sehr einleuchtete. Aber die Männer von Gotha mußten auch deu an¬
dern Fall ins Ange fassen, daß die Union nicht zu Stande käme. Wie um,
wenn der Bundestag wiederhergestellt wird? Wie nun, wenn der Bundestag
sich ans dieses Präccdenz beruft, und neue Carlsbader Beschlüsse faßt, die nicht
gegen die Demokraten, sondern gegen die Liberalen gerichtet sind? Was wird
die liberale Partei dazu sagen, wenn mau die Waffen, die sie geschärft, gegen
sie selber kehrt?

Freilich wird übermüthige Gewalt nicht nach dem Rechte fragen. Herrscht
der Bundestag einmal wieder, so wird er nach seinein Interesse handeln, mit oder
ohne Präcedenz. Aber soweit ist das Rechtsgefühl in Deutschland doch wohl uoch
uicht erstorben, daß mau es für einerlei halten sollte, ungerechte Gewalt zu erleiden,
und der Gewalt freiwillig sein Recht zu opfern. --

Betrachten wir nun den Fürstentag. Er ist eröffnet werden mit der Frage:
wollen wir noch an dem Bündnis; vom Mai festhalten, oder ist es zweckmäßiger,
es aufzugeben? Die Mehrzahl der Fürsten soll mit einem unbedingten, Einige
mit einem bedingten Ja geantwortet haben. -- Jedenfalls hat sich dadurch die
Union ein neues Rechtsverhältniß geschaffen, über dessen Natur wir noch nicht zu
urtheilen im Stande sind.

Die nächsten Resultate sind: Eine definitive Regierung der Union wird uicht
constituirt. Der von Oestreich auf Grund der Bundesacte znsammenberufeue
Congreß, dein Oestreich, und wie es scheint anch die übrigen Königreiche, das
Recht beimessen, eine Bundcsvertretung zu bilden, und über die Bundesreform
endgültig zu beschließen, wird beschickt. Er wird beschickt nicht von der Union
als solcher, sondern von deu einzelnen Fürsten, von denen die meisten ans Grund
einer freiwilligen ttebereinknuft erklärt haben, gleichlautende Mandate zu erlassen.
In diesen Mandaten wird nicht gegen die Erneuerung des Bundestages überhaupt,
sondem nur gegen einzelne Eventualitäten protestirt.

Dies Resultat bedarf keines Commentars.

Wie die Sache steht, hoffe ich von der natürlichen Entwickelung der Verhält¬
nisse mehr, als von der künstlichen Form der Union. Ein UniouS-Parlament
hat dem preußischen Parlament gegenüber eine ganz ungeschickte Stellung, so
lange Staaten wie Hannover und Sachsen fehlen. Die eigentlich politischen An¬
gelegenheiten wird ihm Preußen nicht überlassen, die innern Reformen werden besser
durch Speeialgcscligcbung und Spccialverträge abgemacht, wie deren ja schon mehrere


Begriff, wie es Mücke ganz richtig auseinandergesetzt hat, vollkommen widerspricht,
unter der Voraussetzung gemacht worden, daß die Union zu Staude käme, so
war es wenigstens unklug, die Gehässigkeit dieser Maßregel, die im eintretenden
Falle auf viel gelindere Weise durch die rechtlich constituirten Gewalten anzubah¬
nen war, aus eine Versammlung zu nehmen, deren durch und durch problematische
Natur so sehr einleuchtete. Aber die Männer von Gotha mußten auch deu an¬
dern Fall ins Ange fassen, daß die Union nicht zu Stande käme. Wie um,
wenn der Bundestag wiederhergestellt wird? Wie nun, wenn der Bundestag
sich ans dieses Präccdenz beruft, und neue Carlsbader Beschlüsse faßt, die nicht
gegen die Demokraten, sondern gegen die Liberalen gerichtet sind? Was wird
die liberale Partei dazu sagen, wenn mau die Waffen, die sie geschärft, gegen
sie selber kehrt?

Freilich wird übermüthige Gewalt nicht nach dem Rechte fragen. Herrscht
der Bundestag einmal wieder, so wird er nach seinein Interesse handeln, mit oder
ohne Präcedenz. Aber soweit ist das Rechtsgefühl in Deutschland doch wohl uoch
uicht erstorben, daß mau es für einerlei halten sollte, ungerechte Gewalt zu erleiden,
und der Gewalt freiwillig sein Recht zu opfern. —

Betrachten wir nun den Fürstentag. Er ist eröffnet werden mit der Frage:
wollen wir noch an dem Bündnis; vom Mai festhalten, oder ist es zweckmäßiger,
es aufzugeben? Die Mehrzahl der Fürsten soll mit einem unbedingten, Einige
mit einem bedingten Ja geantwortet haben. — Jedenfalls hat sich dadurch die
Union ein neues Rechtsverhältniß geschaffen, über dessen Natur wir noch nicht zu
urtheilen im Stande sind.

Die nächsten Resultate sind: Eine definitive Regierung der Union wird uicht
constituirt. Der von Oestreich auf Grund der Bundesacte znsammenberufeue
Congreß, dein Oestreich, und wie es scheint anch die übrigen Königreiche, das
Recht beimessen, eine Bundcsvertretung zu bilden, und über die Bundesreform
endgültig zu beschließen, wird beschickt. Er wird beschickt nicht von der Union
als solcher, sondern von deu einzelnen Fürsten, von denen die meisten ans Grund
einer freiwilligen ttebereinknuft erklärt haben, gleichlautende Mandate zu erlassen.
In diesen Mandaten wird nicht gegen die Erneuerung des Bundestages überhaupt,
sondem nur gegen einzelne Eventualitäten protestirt.

Dies Resultat bedarf keines Commentars.

Wie die Sache steht, hoffe ich von der natürlichen Entwickelung der Verhält¬
nisse mehr, als von der künstlichen Form der Union. Ein UniouS-Parlament
hat dem preußischen Parlament gegenüber eine ganz ungeschickte Stellung, so
lange Staaten wie Hannover und Sachsen fehlen. Die eigentlich politischen An¬
gelegenheiten wird ihm Preußen nicht überlassen, die innern Reformen werden besser
durch Speeialgcscligcbung und Spccialverträge abgemacht, wie deren ja schon mehrere


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[0333] Begriff, wie es Mücke ganz richtig auseinandergesetzt hat, vollkommen widerspricht, unter der Voraussetzung gemacht worden, daß die Union zu Staude käme, so war es wenigstens unklug, die Gehässigkeit dieser Maßregel, die im eintretenden Falle auf viel gelindere Weise durch die rechtlich constituirten Gewalten anzubah¬ nen war, aus eine Versammlung zu nehmen, deren durch und durch problematische Natur so sehr einleuchtete. Aber die Männer von Gotha mußten auch deu an¬ dern Fall ins Ange fassen, daß die Union nicht zu Stande käme. Wie um, wenn der Bundestag wiederhergestellt wird? Wie nun, wenn der Bundestag sich ans dieses Präccdenz beruft, und neue Carlsbader Beschlüsse faßt, die nicht gegen die Demokraten, sondern gegen die Liberalen gerichtet sind? Was wird die liberale Partei dazu sagen, wenn mau die Waffen, die sie geschärft, gegen sie selber kehrt? Freilich wird übermüthige Gewalt nicht nach dem Rechte fragen. Herrscht der Bundestag einmal wieder, so wird er nach seinein Interesse handeln, mit oder ohne Präcedenz. Aber soweit ist das Rechtsgefühl in Deutschland doch wohl uoch uicht erstorben, daß mau es für einerlei halten sollte, ungerechte Gewalt zu erleiden, und der Gewalt freiwillig sein Recht zu opfern. — Betrachten wir nun den Fürstentag. Er ist eröffnet werden mit der Frage: wollen wir noch an dem Bündnis; vom Mai festhalten, oder ist es zweckmäßiger, es aufzugeben? Die Mehrzahl der Fürsten soll mit einem unbedingten, Einige mit einem bedingten Ja geantwortet haben. — Jedenfalls hat sich dadurch die Union ein neues Rechtsverhältniß geschaffen, über dessen Natur wir noch nicht zu urtheilen im Stande sind. Die nächsten Resultate sind: Eine definitive Regierung der Union wird uicht constituirt. Der von Oestreich auf Grund der Bundesacte znsammenberufeue Congreß, dein Oestreich, und wie es scheint anch die übrigen Königreiche, das Recht beimessen, eine Bundcsvertretung zu bilden, und über die Bundesreform endgültig zu beschließen, wird beschickt. Er wird beschickt nicht von der Union als solcher, sondern von deu einzelnen Fürsten, von denen die meisten ans Grund einer freiwilligen ttebereinknuft erklärt haben, gleichlautende Mandate zu erlassen. In diesen Mandaten wird nicht gegen die Erneuerung des Bundestages überhaupt, sondem nur gegen einzelne Eventualitäten protestirt. Dies Resultat bedarf keines Commentars. Wie die Sache steht, hoffe ich von der natürlichen Entwickelung der Verhält¬ nisse mehr, als von der künstlichen Form der Union. Ein UniouS-Parlament hat dem preußischen Parlament gegenüber eine ganz ungeschickte Stellung, so lange Staaten wie Hannover und Sachsen fehlen. Die eigentlich politischen An¬ gelegenheiten wird ihm Preußen nicht überlassen, die innern Reformen werden besser durch Speeialgcscligcbung und Spccialverträge abgemacht, wie deren ja schon mehrere

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/333>, abgerufen am 29.06.2024.