Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

realisiren, nachzukommen oder nichtig" -- Auf diese nicht gestellte Frage hat we¬
nigstens Preußen ziemlich dentlich geantwortet, so weit es den Herren v. Man-
teuffel und v. Nadvnutz möglich ist, deutlich zu sein. Es hat geantwortet: "wir
sind nicht Willens, den Entwurf, wie wir ihn gestellt haben, durchzuführen, auch
wenn ihr ihn annehme;" und damit waren die Rechtsansprüche gegen die übrigen
Regierungen, namentlich gegen Hannover und Sachsen, aufgegeben, die Abberu-
fung deö preußischen Gesandten aus Hannover und die Klage vor dem Schieds¬
gericht illusorisch gemacht.

Was nach jeuer Erklärung die "!n-dio<! Annahme eigentlich sollte, ist nur
wenigstens nicht dentlich. Vielleicht hat man geglaubt, ein von Herrn v. Bodel-
schwingh unterstützter Antrag werde der preußischen Regierung doch nicht zu fern
liegen. Mau war noch immer nicht zu der Ueberzeugung gekommen, daß bei
der gegenwärtigen preußischen Negierung die rechte Hand nicht weiß, was die
linke thut; daß die subjective Ehrlichkeit, deren die preußischen Staatsmänner sich
rühmen, zwei Seiten hat, und daß der eine Ehrenmann nach seinem subjectiven
Ermessen dasselbe für verbindlich erachte" kann, worin der andere Ehrenmann
keine Verbindlichkeit steht.

Den Rechtsanspruch durste allerdings das Parlament nicht ohne Weiteres auf¬
geben. Aber ulei-a po88"z nein" odliA-Uur. Es konnte seine Währung nur in der Form
eines Protestes halten. Weiteres zu thun, stand nicht in seiner Macht, da das NechtS-
subjcct, welches es vertrat -- das Volk der nnirteu Staaten -- kein selbststän¬
diges Dasein hat, sondern von dein eben in allen Beziehungen problematisch ge¬
wordenen Collectivbegriff der Union abhängig war.

^ Es konnte ferner, wenn es sich auf den Boden der Zweckmäßigkeit stellte,
den verbündeten Regierungen die Frage vorlegen: "seid ihr, oder ist eine gewisse
Zahl unter euch, übereingekommen, uns andere Propositionen zu machen, und an
die Annahme derselben die Erfüllung eures Vertrages zu knüpfen?" -- Von der
Zahl der vertretenden Staaten und vou der Natur der Vorlage" Hütte mau dann
die Annahme abhängig gemacht.

Statt dessen hat mau eine Reihe von Concessionen den Regierungen zur
beliebigen Auswahl anheimgegeben, und sich dadurch in die Lage gesetzt, sich selber
ans jede Weise zu binden, ohne den andern Theil zu binden.

Aber unter diesen Concessionen ist eine, für welche die liberale Partei noch
schwerer zu büßen habe" wird. Mau hat der Union das Recht zugestanden, in
Bezug aus die Verfassung, der einzelnen nnirten Staaten nicht nur eine formelle
Recognition -- wegen der rechtlichen Begründung derselben -- sondern auch eine
materielle eintreten zu lassen; zu untersuchen, ob eine Verfassung gut sei oder nicht,
und demnach einzugreifen.

Ist diese Concession, die dem bisher von dem Bundesstaat angenommenen


realisiren, nachzukommen oder nichtig" — Auf diese nicht gestellte Frage hat we¬
nigstens Preußen ziemlich dentlich geantwortet, so weit es den Herren v. Man-
teuffel und v. Nadvnutz möglich ist, deutlich zu sein. Es hat geantwortet: „wir
sind nicht Willens, den Entwurf, wie wir ihn gestellt haben, durchzuführen, auch
wenn ihr ihn annehme;" und damit waren die Rechtsansprüche gegen die übrigen
Regierungen, namentlich gegen Hannover und Sachsen, aufgegeben, die Abberu-
fung deö preußischen Gesandten aus Hannover und die Klage vor dem Schieds¬
gericht illusorisch gemacht.

Was nach jeuer Erklärung die «!n-dio<! Annahme eigentlich sollte, ist nur
wenigstens nicht dentlich. Vielleicht hat man geglaubt, ein von Herrn v. Bodel-
schwingh unterstützter Antrag werde der preußischen Regierung doch nicht zu fern
liegen. Mau war noch immer nicht zu der Ueberzeugung gekommen, daß bei
der gegenwärtigen preußischen Negierung die rechte Hand nicht weiß, was die
linke thut; daß die subjective Ehrlichkeit, deren die preußischen Staatsmänner sich
rühmen, zwei Seiten hat, und daß der eine Ehrenmann nach seinem subjectiven
Ermessen dasselbe für verbindlich erachte» kann, worin der andere Ehrenmann
keine Verbindlichkeit steht.

Den Rechtsanspruch durste allerdings das Parlament nicht ohne Weiteres auf¬
geben. Aber ulei-a po88«z nein» odliA-Uur. Es konnte seine Währung nur in der Form
eines Protestes halten. Weiteres zu thun, stand nicht in seiner Macht, da das NechtS-
subjcct, welches es vertrat — das Volk der nnirteu Staaten — kein selbststän¬
diges Dasein hat, sondern von dein eben in allen Beziehungen problematisch ge¬
wordenen Collectivbegriff der Union abhängig war.

^ Es konnte ferner, wenn es sich auf den Boden der Zweckmäßigkeit stellte,
den verbündeten Regierungen die Frage vorlegen: „seid ihr, oder ist eine gewisse
Zahl unter euch, übereingekommen, uns andere Propositionen zu machen, und an
die Annahme derselben die Erfüllung eures Vertrages zu knüpfen?" — Von der
Zahl der vertretenden Staaten und vou der Natur der Vorlage» Hütte mau dann
die Annahme abhängig gemacht.

Statt dessen hat mau eine Reihe von Concessionen den Regierungen zur
beliebigen Auswahl anheimgegeben, und sich dadurch in die Lage gesetzt, sich selber
ans jede Weise zu binden, ohne den andern Theil zu binden.

Aber unter diesen Concessionen ist eine, für welche die liberale Partei noch
schwerer zu büßen habe» wird. Mau hat der Union das Recht zugestanden, in
Bezug aus die Verfassung, der einzelnen nnirten Staaten nicht nur eine formelle
Recognition — wegen der rechtlichen Begründung derselben — sondern auch eine
materielle eintreten zu lassen; zu untersuchen, ob eine Verfassung gut sei oder nicht,
und demnach einzugreifen.

Ist diese Concession, die dem bisher von dem Bundesstaat angenommenen


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0332" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185669"/>
            <p xml:id="ID_1218" prev="#ID_1217"> realisiren, nachzukommen oder nichtig" &#x2014; Auf diese nicht gestellte Frage hat we¬<lb/>
nigstens Preußen ziemlich dentlich geantwortet, so weit es den Herren v. Man-<lb/>
teuffel und v. Nadvnutz möglich ist, deutlich zu sein. Es hat geantwortet: &#x201E;wir<lb/>
sind nicht Willens, den Entwurf, wie wir ihn gestellt haben, durchzuführen, auch<lb/>
wenn ihr ihn annehme;" und damit waren die Rechtsansprüche gegen die übrigen<lb/>
Regierungen, namentlich gegen Hannover und Sachsen, aufgegeben, die Abberu-<lb/>
fung deö preußischen Gesandten aus Hannover und die Klage vor dem Schieds¬<lb/>
gericht illusorisch gemacht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1219"> Was nach jeuer Erklärung die «!n-dio&lt;! Annahme eigentlich sollte, ist nur<lb/>
wenigstens nicht dentlich. Vielleicht hat man geglaubt, ein von Herrn v. Bodel-<lb/>
schwingh unterstützter Antrag werde der preußischen Regierung doch nicht zu fern<lb/>
liegen. Mau war noch immer nicht zu der Ueberzeugung gekommen, daß bei<lb/>
der gegenwärtigen preußischen Negierung die rechte Hand nicht weiß, was die<lb/>
linke thut; daß die subjective Ehrlichkeit, deren die preußischen Staatsmänner sich<lb/>
rühmen, zwei Seiten hat, und daß der eine Ehrenmann nach seinem subjectiven<lb/>
Ermessen dasselbe für verbindlich erachte» kann, worin der andere Ehrenmann<lb/>
keine Verbindlichkeit steht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1220"> Den Rechtsanspruch durste allerdings das Parlament nicht ohne Weiteres auf¬<lb/>
geben. Aber ulei-a po88«z nein» odliA-Uur. Es konnte seine Währung nur in der Form<lb/>
eines Protestes halten. Weiteres zu thun, stand nicht in seiner Macht, da das NechtS-<lb/>
subjcct, welches es vertrat &#x2014; das Volk der nnirteu Staaten &#x2014; kein selbststän¬<lb/>
diges Dasein hat, sondern von dein eben in allen Beziehungen problematisch ge¬<lb/>
wordenen Collectivbegriff der Union abhängig war.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1221"> ^ Es konnte ferner, wenn es sich auf den Boden der Zweckmäßigkeit stellte,<lb/>
den verbündeten Regierungen die Frage vorlegen: &#x201E;seid ihr, oder ist eine gewisse<lb/>
Zahl unter euch, übereingekommen, uns andere Propositionen zu machen, und an<lb/>
die Annahme derselben die Erfüllung eures Vertrages zu knüpfen?" &#x2014; Von der<lb/>
Zahl der vertretenden Staaten und vou der Natur der Vorlage» Hütte mau dann<lb/>
die Annahme abhängig gemacht.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1222"> Statt dessen hat mau eine Reihe von Concessionen den Regierungen zur<lb/>
beliebigen Auswahl anheimgegeben, und sich dadurch in die Lage gesetzt, sich selber<lb/>
ans jede Weise zu binden, ohne den andern Theil zu binden.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1223"> Aber unter diesen Concessionen ist eine, für welche die liberale Partei noch<lb/>
schwerer zu büßen habe» wird. Mau hat der Union das Recht zugestanden, in<lb/>
Bezug aus die Verfassung, der einzelnen nnirten Staaten nicht nur eine formelle<lb/>
Recognition &#x2014; wegen der rechtlichen Begründung derselben &#x2014; sondern auch eine<lb/>
materielle eintreten zu lassen; zu untersuchen, ob eine Verfassung gut sei oder nicht,<lb/>
und demnach einzugreifen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1224" next="#ID_1225"> Ist diese Concession, die dem bisher von dem Bundesstaat angenommenen</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0332] realisiren, nachzukommen oder nichtig" — Auf diese nicht gestellte Frage hat we¬ nigstens Preußen ziemlich dentlich geantwortet, so weit es den Herren v. Man- teuffel und v. Nadvnutz möglich ist, deutlich zu sein. Es hat geantwortet: „wir sind nicht Willens, den Entwurf, wie wir ihn gestellt haben, durchzuführen, auch wenn ihr ihn annehme;" und damit waren die Rechtsansprüche gegen die übrigen Regierungen, namentlich gegen Hannover und Sachsen, aufgegeben, die Abberu- fung deö preußischen Gesandten aus Hannover und die Klage vor dem Schieds¬ gericht illusorisch gemacht. Was nach jeuer Erklärung die «!n-dio<! Annahme eigentlich sollte, ist nur wenigstens nicht dentlich. Vielleicht hat man geglaubt, ein von Herrn v. Bodel- schwingh unterstützter Antrag werde der preußischen Regierung doch nicht zu fern liegen. Mau war noch immer nicht zu der Ueberzeugung gekommen, daß bei der gegenwärtigen preußischen Negierung die rechte Hand nicht weiß, was die linke thut; daß die subjective Ehrlichkeit, deren die preußischen Staatsmänner sich rühmen, zwei Seiten hat, und daß der eine Ehrenmann nach seinem subjectiven Ermessen dasselbe für verbindlich erachte» kann, worin der andere Ehrenmann keine Verbindlichkeit steht. Den Rechtsanspruch durste allerdings das Parlament nicht ohne Weiteres auf¬ geben. Aber ulei-a po88«z nein» odliA-Uur. Es konnte seine Währung nur in der Form eines Protestes halten. Weiteres zu thun, stand nicht in seiner Macht, da das NechtS- subjcct, welches es vertrat — das Volk der nnirteu Staaten — kein selbststän¬ diges Dasein hat, sondern von dein eben in allen Beziehungen problematisch ge¬ wordenen Collectivbegriff der Union abhängig war. ^ Es konnte ferner, wenn es sich auf den Boden der Zweckmäßigkeit stellte, den verbündeten Regierungen die Frage vorlegen: „seid ihr, oder ist eine gewisse Zahl unter euch, übereingekommen, uns andere Propositionen zu machen, und an die Annahme derselben die Erfüllung eures Vertrages zu knüpfen?" — Von der Zahl der vertretenden Staaten und vou der Natur der Vorlage» Hütte mau dann die Annahme abhängig gemacht. Statt dessen hat mau eine Reihe von Concessionen den Regierungen zur beliebigen Auswahl anheimgegeben, und sich dadurch in die Lage gesetzt, sich selber ans jede Weise zu binden, ohne den andern Theil zu binden. Aber unter diesen Concessionen ist eine, für welche die liberale Partei noch schwerer zu büßen habe» wird. Mau hat der Union das Recht zugestanden, in Bezug aus die Verfassung, der einzelnen nnirten Staaten nicht nur eine formelle Recognition — wegen der rechtlichen Begründung derselben — sondern auch eine materielle eintreten zu lassen; zu untersuchen, ob eine Verfassung gut sei oder nicht, und demnach einzugreifen. Ist diese Concession, die dem bisher von dem Bundesstaat angenommenen

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/332
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/332>, abgerufen am 26.06.2024.