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Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

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im Werke sind'). Nicht einmal die Zoll- und Handelsgcsetzgcbuug kann es sich
vindiciren, so lange der Zollverein besteht. Kommt nun zu dieser doppelten Ver¬
tretung noch eine dritte, allgemein deutsche, in welcher Form auch immer, zu
Staude, so wird die Verwirrung so groß, daß Argusaugen dazu gehören, sich
zurecht zu finden.

Trotzdem halte ich es für vortheilhaft, wenn die Fiction eiuer UnionSversas-
suug bestehen bleibt, um einen NnknüpsnugSpuukt zu geben.

Denn die natürlichen Verhältnisse werden Deutschland doch in die Bahn zu¬
rücktreiben, die eS jetzt zu verlassen scheint. Die kleinen Staaten werden sich
durch die Militärcouveutioueu, durch die kleiudeutsche Partei und die fortwährende
Verflechtung aller Interessen so in Preußen einleben, daß sie an ein isolirtes
Dasein nicht mehr deuten werden. In Preußen ferner wird die bewegende Kraft
der letzten Jahre so entschieden nachwirken, daß es bei dem besten Willen auf
eine Lille-nec Lorclinio mit Oestreich nicht eingehen kauu, daß es sich beständig
in der Nothwendigkeit sehen wird, durch ein Heranziehen der kleinen Staaten
sein Gewicht gegen Oestreich zu verstärke", um so mehr, da in Frankfurt von
der definitiven Feststellung einer großdentschen Verfassung uoch weniger die Rede
sein wird, als in Berlin oder in Erfurt.

Die allgemeinen Verhältnisse Europas sind von der Art, daß Preußen sehr
bald, auch wider seinen Willen, eine europäische Rolle zu spielen genöthigt sein
wird. Zu keiner Zeit war der Frieden Europa's in einer ernsteren Krisis. --
Die griechische Frage hat zu einem Bruch zwischen Frankreich und England ge¬
führt, der, unerheblich in seiner Veranlassung, durch den unbestimmten Drang
des französischen Volks nach einer äußerlichen Thätigkeit in eine bedenklichere
Wendung getrieben werden kann. -- Frankreich selbst steht am Vorabend einer
neuen Revolution, die aufs Neue die bestehenden Zustände in Frage stellt. --
In Italien ein fortwährender Conflict zwischen dein englischen und östreichi¬
schen Einfluß, der in deu kleinen, unter östreichischer Hegemonie stehenden
Staaten eigentlich schon jetzt zu Reibungen geführt hat, die über deu gewöhnli¬
chen Begriff eines friedlichen Verhältnisses hinausgehen, und die uur einen A"S-
brnch in Sardinien erwarten, um vollends an den Tag zu treten. -- Endlich
die dänische Frage.

Rußland hat den Bewegungen der letzten Jahre mit einer weniger lärmen¬
den, als nachdrücklichen Theilnahme zugesehn. In dein "ngarischen Kriege hat
es zuerst thätig eingegriffen und dadurch Oestreich in ein Abhängigkeitsverhält-
niß gebracht, gegen welches der Stolz seiner Machthaber sich sträubt, so stark



Act'er das Verhältniß der NcdactiouSansicht zu dieser Auffassung des Verfassers der
Preußischen Briefe" möge die allgemeine Haltung der Grenzboten Auskunft geben.

im Werke sind'). Nicht einmal die Zoll- und Handelsgcsetzgcbuug kann es sich
vindiciren, so lange der Zollverein besteht. Kommt nun zu dieser doppelten Ver¬
tretung noch eine dritte, allgemein deutsche, in welcher Form auch immer, zu
Staude, so wird die Verwirrung so groß, daß Argusaugen dazu gehören, sich
zurecht zu finden.

Trotzdem halte ich es für vortheilhaft, wenn die Fiction eiuer UnionSversas-
suug bestehen bleibt, um einen NnknüpsnugSpuukt zu geben.

Denn die natürlichen Verhältnisse werden Deutschland doch in die Bahn zu¬
rücktreiben, die eS jetzt zu verlassen scheint. Die kleinen Staaten werden sich
durch die Militärcouveutioueu, durch die kleiudeutsche Partei und die fortwährende
Verflechtung aller Interessen so in Preußen einleben, daß sie an ein isolirtes
Dasein nicht mehr deuten werden. In Preußen ferner wird die bewegende Kraft
der letzten Jahre so entschieden nachwirken, daß es bei dem besten Willen auf
eine Lille-nec Lorclinio mit Oestreich nicht eingehen kauu, daß es sich beständig
in der Nothwendigkeit sehen wird, durch ein Heranziehen der kleinen Staaten
sein Gewicht gegen Oestreich zu verstärke», um so mehr, da in Frankfurt von
der definitiven Feststellung einer großdentschen Verfassung uoch weniger die Rede
sein wird, als in Berlin oder in Erfurt.

Die allgemeinen Verhältnisse Europas sind von der Art, daß Preußen sehr
bald, auch wider seinen Willen, eine europäische Rolle zu spielen genöthigt sein
wird. Zu keiner Zeit war der Frieden Europa's in einer ernsteren Krisis. —
Die griechische Frage hat zu einem Bruch zwischen Frankreich und England ge¬
führt, der, unerheblich in seiner Veranlassung, durch den unbestimmten Drang
des französischen Volks nach einer äußerlichen Thätigkeit in eine bedenklichere
Wendung getrieben werden kann. — Frankreich selbst steht am Vorabend einer
neuen Revolution, die aufs Neue die bestehenden Zustände in Frage stellt. —
In Italien ein fortwährender Conflict zwischen dein englischen und östreichi¬
schen Einfluß, der in deu kleinen, unter östreichischer Hegemonie stehenden
Staaten eigentlich schon jetzt zu Reibungen geführt hat, die über deu gewöhnli¬
chen Begriff eines friedlichen Verhältnisses hinausgehen, und die uur einen A»S-
brnch in Sardinien erwarten, um vollends an den Tag zu treten. — Endlich
die dänische Frage.

Rußland hat den Bewegungen der letzten Jahre mit einer weniger lärmen¬
den, als nachdrücklichen Theilnahme zugesehn. In dein »ngarischen Kriege hat
es zuerst thätig eingegriffen und dadurch Oestreich in ein Abhängigkeitsverhält-
niß gebracht, gegen welches der Stolz seiner Machthaber sich sträubt, so stark



Act'er das Verhältniß der NcdactiouSansicht zu dieser Auffassung des Verfassers der
Preußischen Briefe" möge die allgemeine Haltung der Grenzboten Auskunft geben.
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[0334] im Werke sind'). Nicht einmal die Zoll- und Handelsgcsetzgcbuug kann es sich vindiciren, so lange der Zollverein besteht. Kommt nun zu dieser doppelten Ver¬ tretung noch eine dritte, allgemein deutsche, in welcher Form auch immer, zu Staude, so wird die Verwirrung so groß, daß Argusaugen dazu gehören, sich zurecht zu finden. Trotzdem halte ich es für vortheilhaft, wenn die Fiction eiuer UnionSversas- suug bestehen bleibt, um einen NnknüpsnugSpuukt zu geben. Denn die natürlichen Verhältnisse werden Deutschland doch in die Bahn zu¬ rücktreiben, die eS jetzt zu verlassen scheint. Die kleinen Staaten werden sich durch die Militärcouveutioueu, durch die kleiudeutsche Partei und die fortwährende Verflechtung aller Interessen so in Preußen einleben, daß sie an ein isolirtes Dasein nicht mehr deuten werden. In Preußen ferner wird die bewegende Kraft der letzten Jahre so entschieden nachwirken, daß es bei dem besten Willen auf eine Lille-nec Lorclinio mit Oestreich nicht eingehen kauu, daß es sich beständig in der Nothwendigkeit sehen wird, durch ein Heranziehen der kleinen Staaten sein Gewicht gegen Oestreich zu verstärke», um so mehr, da in Frankfurt von der definitiven Feststellung einer großdentschen Verfassung uoch weniger die Rede sein wird, als in Berlin oder in Erfurt. Die allgemeinen Verhältnisse Europas sind von der Art, daß Preußen sehr bald, auch wider seinen Willen, eine europäische Rolle zu spielen genöthigt sein wird. Zu keiner Zeit war der Frieden Europa's in einer ernsteren Krisis. — Die griechische Frage hat zu einem Bruch zwischen Frankreich und England ge¬ führt, der, unerheblich in seiner Veranlassung, durch den unbestimmten Drang des französischen Volks nach einer äußerlichen Thätigkeit in eine bedenklichere Wendung getrieben werden kann. — Frankreich selbst steht am Vorabend einer neuen Revolution, die aufs Neue die bestehenden Zustände in Frage stellt. — In Italien ein fortwährender Conflict zwischen dein englischen und östreichi¬ schen Einfluß, der in deu kleinen, unter östreichischer Hegemonie stehenden Staaten eigentlich schon jetzt zu Reibungen geführt hat, die über deu gewöhnli¬ chen Begriff eines friedlichen Verhältnisses hinausgehen, und die uur einen A»S- brnch in Sardinien erwarten, um vollends an den Tag zu treten. — Endlich die dänische Frage. Rußland hat den Bewegungen der letzten Jahre mit einer weniger lärmen¬ den, als nachdrücklichen Theilnahme zugesehn. In dein »ngarischen Kriege hat es zuerst thätig eingegriffen und dadurch Oestreich in ein Abhängigkeitsverhält- niß gebracht, gegen welches der Stolz seiner Machthaber sich sträubt, so stark Act'er das Verhältniß der NcdactiouSansicht zu dieser Auffassung des Verfassers der Preußischen Briefe" möge die allgemeine Haltung der Grenzboten Auskunft geben.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/334>, abgerufen am 01.07.2024.