Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Die beiden Sohne Toussaint'"? finden Mittel, i" den Kerker zu dringen; wie?
wird uns auch nicht gesagt. Rührende Scene, die etwas lange dauert. Sol-
daten tourner herein, die beide" Schwarzen zu arretiren. Dagegen befreit
der Kerkermeister die junge Mulattin, von der wir beiläufig erfahren, das; sie
eigentlich Leclere's Tochter ist : in seinein frühern Aufeuthalt in der Kolonie hat
dieser Toussaint's Schwester zur Maitresse gehabt. Wieder eine ganz unnütze
Intrigue, die in den Zusammenhang nicht eingreift.

Fünfter Act. Toussaint hat sich in die Sümpfe von Haity zurückgezogen,
entschlossen, sein Leben theuer zu verkaufen, wen", der Feind so kühn und so
geschickt sein sollte, bis in diese unwegsamen Gegenden vorzudringen. Da kom¬
me" seine beide" Söhne z" ihm, vou dem französischen General abgeschickt, mit
einem Brief von dem ersten Eousul, der ihm die glänzendste" Versprechungen
macht, wenn er sich uuterwürfe. Der Erste der Weiße" a" deu Ersten der
Schwarzen; der Vorgänger vo" Louis Napolev" a" deu Vorgänger des Kaisers
Faust!" Soulonqne. Eonfliet zwische" der Vaterliebe u"d der Pflicht, hinter
welcher der Ehrgeiz sich versteckt, schön angelegt, aber zu einer ermüdende" Länge
ausgesponnen. Der zärtliche Vater sträubt sich zu lange, und macht es dem
Helden zu schwer. Endlich fordert er die Söhne auf, z" wähle" zwische" ihrem
Vater und Frankreich. Um seinen Bruder zu bestimmen, bemerkt Isaac, Bona¬
parte sei zwar ein großer Mann, aber ein Weißer. Isaac bleibt zurück -- nicht
bestimmt durch kindliche Hingebung, der er die Resultate seiner französischen Er¬
ziehung aufopferte, sondern durch ein Stammes-Vorurtheil. Albert kehrt z" deu
Franzosen zurück.

Der Mönch tritt aus und predigt noch einmal von der heilige" Sache der
Schwarze". Der Zor" des Dictators steigert sich zum Fanatismus. Adrienne,
in Verzweiflung üher die Abreise des Geliebten, erhält die schwarze Fahne an¬
vertraut, das Signal des verzweifelten Widerstandes, und sinkt, von den ersten
Flintenschüssen getroffen, zu Boden. Unter Pulverdampf, Schlachtlärm, Flinten¬
schüsse" ""d Leuchte" der Bayouuette fällt der Vorhang.

Die Scene ist a"f das Glänzendste ausgestattet gewesen; der Erfolg hat die
französische Pietät bewährt.

Der Stil ist weitschweifig wie der frühere unsers Dichters, mehr lyrisch¬
elegisch als dramatisch, "ud durch einige tragische Anläufe u"r entstellt. Falsche
Bilder, wie dieses: "Die Arbeit der Sklave" befleckt die Furchen und das
Herz mit Blut," finden sich nicht Seite". -- Alles i" Allen, ge"omne", scheint
Lamartine zum dramatischen Dichter noch weniger Beruf z" haben, als zum
Staatsmann. -- Toussaint Lonvertnre (die Unterredung mit den Söhnen ist histo¬
risch) bot sür die Tragödie einige glückliche Züge; diese Mischung vou geriebener
Schlauheit und aufopfernden Fanatismus, vou grandioser Grausauikeit und
menschliche" Regungen; die eigenthümliche, zauberähnliche Herrschaft, die er über


Grc"zi'0de,i. II. 1850. 37

Die beiden Sohne Toussaint'»? finden Mittel, i» den Kerker zu dringen; wie?
wird uns auch nicht gesagt. Rührende Scene, die etwas lange dauert. Sol-
daten tourner herein, die beide» Schwarzen zu arretiren. Dagegen befreit
der Kerkermeister die junge Mulattin, von der wir beiläufig erfahren, das; sie
eigentlich Leclere's Tochter ist : in seinein frühern Aufeuthalt in der Kolonie hat
dieser Toussaint's Schwester zur Maitresse gehabt. Wieder eine ganz unnütze
Intrigue, die in den Zusammenhang nicht eingreift.

Fünfter Act. Toussaint hat sich in die Sümpfe von Haity zurückgezogen,
entschlossen, sein Leben theuer zu verkaufen, wen», der Feind so kühn und so
geschickt sein sollte, bis in diese unwegsamen Gegenden vorzudringen. Da kom¬
me» seine beide» Söhne z» ihm, vou dem französischen General abgeschickt, mit
einem Brief von dem ersten Eousul, der ihm die glänzendste» Versprechungen
macht, wenn er sich uuterwürfe. Der Erste der Weiße» a» deu Ersten der
Schwarzen; der Vorgänger vo» Louis Napolev» a» deu Vorgänger des Kaisers
Faust!» Soulonqne. Eonfliet zwische» der Vaterliebe u»d der Pflicht, hinter
welcher der Ehrgeiz sich versteckt, schön angelegt, aber zu einer ermüdende» Länge
ausgesponnen. Der zärtliche Vater sträubt sich zu lange, und macht es dem
Helden zu schwer. Endlich fordert er die Söhne auf, z» wähle» zwische» ihrem
Vater und Frankreich. Um seinen Bruder zu bestimmen, bemerkt Isaac, Bona¬
parte sei zwar ein großer Mann, aber ein Weißer. Isaac bleibt zurück — nicht
bestimmt durch kindliche Hingebung, der er die Resultate seiner französischen Er¬
ziehung aufopferte, sondern durch ein Stammes-Vorurtheil. Albert kehrt z» deu
Franzosen zurück.

Der Mönch tritt aus und predigt noch einmal von der heilige» Sache der
Schwarze». Der Zor» des Dictators steigert sich zum Fanatismus. Adrienne,
in Verzweiflung üher die Abreise des Geliebten, erhält die schwarze Fahne an¬
vertraut, das Signal des verzweifelten Widerstandes, und sinkt, von den ersten
Flintenschüssen getroffen, zu Boden. Unter Pulverdampf, Schlachtlärm, Flinten¬
schüsse» »»d Leuchte» der Bayouuette fällt der Vorhang.

Die Scene ist a»f das Glänzendste ausgestattet gewesen; der Erfolg hat die
französische Pietät bewährt.

Der Stil ist weitschweifig wie der frühere unsers Dichters, mehr lyrisch¬
elegisch als dramatisch, »ud durch einige tragische Anläufe u»r entstellt. Falsche
Bilder, wie dieses: „Die Arbeit der Sklave» befleckt die Furchen und das
Herz mit Blut," finden sich nicht Seite». — Alles i» Allen, ge»omne», scheint
Lamartine zum dramatischen Dichter noch weniger Beruf z» haben, als zum
Staatsmann. — Toussaint Lonvertnre (die Unterredung mit den Söhnen ist histo¬
risch) bot sür die Tragödie einige glückliche Züge; diese Mischung vou geriebener
Schlauheit und aufopfernden Fanatismus, vou grandioser Grausauikeit und
menschliche» Regungen; die eigenthümliche, zauberähnliche Herrschaft, die er über


Grc»zi'0de,i. II. 1850. 37
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0297" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185634"/>
          <p xml:id="ID_1070" prev="#ID_1069"> Die beiden Sohne Toussaint'»? finden Mittel, i» den Kerker zu dringen; wie?<lb/>
wird uns auch nicht gesagt. Rührende Scene, die etwas lange dauert. Sol-<lb/>
daten tourner herein, die beide» Schwarzen zu arretiren. Dagegen befreit<lb/>
der Kerkermeister die junge Mulattin, von der wir beiläufig erfahren, das; sie<lb/>
eigentlich Leclere's Tochter ist : in seinein frühern Aufeuthalt in der Kolonie hat<lb/>
dieser Toussaint's Schwester zur Maitresse gehabt. Wieder eine ganz unnütze<lb/>
Intrigue, die in den Zusammenhang nicht eingreift.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1071"> Fünfter Act. Toussaint hat sich in die Sümpfe von Haity zurückgezogen,<lb/>
entschlossen, sein Leben theuer zu verkaufen, wen», der Feind so kühn und so<lb/>
geschickt sein sollte, bis in diese unwegsamen Gegenden vorzudringen. Da kom¬<lb/>
me» seine beide» Söhne z» ihm, vou dem französischen General abgeschickt, mit<lb/>
einem Brief von dem ersten Eousul, der ihm die glänzendste» Versprechungen<lb/>
macht, wenn er sich uuterwürfe. Der Erste der Weiße» a» deu Ersten der<lb/>
Schwarzen; der Vorgänger vo» Louis Napolev» a» deu Vorgänger des Kaisers<lb/>
Faust!» Soulonqne. Eonfliet zwische» der Vaterliebe u»d der Pflicht, hinter<lb/>
welcher der Ehrgeiz sich versteckt, schön angelegt, aber zu einer ermüdende» Länge<lb/>
ausgesponnen. Der zärtliche Vater sträubt sich zu lange, und macht es dem<lb/>
Helden zu schwer. Endlich fordert er die Söhne auf, z» wähle» zwische» ihrem<lb/>
Vater und Frankreich. Um seinen Bruder zu bestimmen, bemerkt Isaac, Bona¬<lb/>
parte sei zwar ein großer Mann, aber ein Weißer. Isaac bleibt zurück &#x2014; nicht<lb/>
bestimmt durch kindliche Hingebung, der er die Resultate seiner französischen Er¬<lb/>
ziehung aufopferte, sondern durch ein Stammes-Vorurtheil. Albert kehrt z» deu<lb/>
Franzosen zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1072"> Der Mönch tritt aus und predigt noch einmal von der heilige» Sache der<lb/>
Schwarze». Der Zor» des Dictators steigert sich zum Fanatismus. Adrienne,<lb/>
in Verzweiflung üher die Abreise des Geliebten, erhält die schwarze Fahne an¬<lb/>
vertraut, das Signal des verzweifelten Widerstandes, und sinkt, von den ersten<lb/>
Flintenschüssen getroffen, zu Boden. Unter Pulverdampf, Schlachtlärm, Flinten¬<lb/>
schüsse» »»d Leuchte» der Bayouuette fällt der Vorhang.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1073"> Die Scene ist a»f das Glänzendste ausgestattet gewesen; der Erfolg hat die<lb/>
französische Pietät bewährt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1074" next="#ID_1075"> Der Stil ist weitschweifig wie der frühere unsers Dichters, mehr lyrisch¬<lb/>
elegisch als dramatisch, »ud durch einige tragische Anläufe u»r entstellt. Falsche<lb/>
Bilder, wie dieses: &#x201E;Die Arbeit der Sklave» befleckt die Furchen und das<lb/>
Herz mit Blut," finden sich nicht Seite». &#x2014; Alles i» Allen, ge»omne», scheint<lb/>
Lamartine zum dramatischen Dichter noch weniger Beruf z» haben, als zum<lb/>
Staatsmann. &#x2014; Toussaint Lonvertnre (die Unterredung mit den Söhnen ist histo¬<lb/>
risch) bot sür die Tragödie einige glückliche Züge; diese Mischung vou geriebener<lb/>
Schlauheit und aufopfernden Fanatismus, vou grandioser Grausauikeit und<lb/>
menschliche» Regungen; die eigenthümliche, zauberähnliche Herrschaft, die er über</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grc»zi'0de,i. II. 1850. 37</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0297] Die beiden Sohne Toussaint'»? finden Mittel, i» den Kerker zu dringen; wie? wird uns auch nicht gesagt. Rührende Scene, die etwas lange dauert. Sol- daten tourner herein, die beide» Schwarzen zu arretiren. Dagegen befreit der Kerkermeister die junge Mulattin, von der wir beiläufig erfahren, das; sie eigentlich Leclere's Tochter ist : in seinein frühern Aufeuthalt in der Kolonie hat dieser Toussaint's Schwester zur Maitresse gehabt. Wieder eine ganz unnütze Intrigue, die in den Zusammenhang nicht eingreift. Fünfter Act. Toussaint hat sich in die Sümpfe von Haity zurückgezogen, entschlossen, sein Leben theuer zu verkaufen, wen», der Feind so kühn und so geschickt sein sollte, bis in diese unwegsamen Gegenden vorzudringen. Da kom¬ me» seine beide» Söhne z» ihm, vou dem französischen General abgeschickt, mit einem Brief von dem ersten Eousul, der ihm die glänzendste» Versprechungen macht, wenn er sich uuterwürfe. Der Erste der Weiße» a» deu Ersten der Schwarzen; der Vorgänger vo» Louis Napolev» a» deu Vorgänger des Kaisers Faust!» Soulonqne. Eonfliet zwische» der Vaterliebe u»d der Pflicht, hinter welcher der Ehrgeiz sich versteckt, schön angelegt, aber zu einer ermüdende» Länge ausgesponnen. Der zärtliche Vater sträubt sich zu lange, und macht es dem Helden zu schwer. Endlich fordert er die Söhne auf, z» wähle» zwische» ihrem Vater und Frankreich. Um seinen Bruder zu bestimmen, bemerkt Isaac, Bona¬ parte sei zwar ein großer Mann, aber ein Weißer. Isaac bleibt zurück — nicht bestimmt durch kindliche Hingebung, der er die Resultate seiner französischen Er¬ ziehung aufopferte, sondern durch ein Stammes-Vorurtheil. Albert kehrt z» deu Franzosen zurück. Der Mönch tritt aus und predigt noch einmal von der heilige» Sache der Schwarze». Der Zor» des Dictators steigert sich zum Fanatismus. Adrienne, in Verzweiflung üher die Abreise des Geliebten, erhält die schwarze Fahne an¬ vertraut, das Signal des verzweifelten Widerstandes, und sinkt, von den ersten Flintenschüssen getroffen, zu Boden. Unter Pulverdampf, Schlachtlärm, Flinten¬ schüsse» »»d Leuchte» der Bayouuette fällt der Vorhang. Die Scene ist a»f das Glänzendste ausgestattet gewesen; der Erfolg hat die französische Pietät bewährt. Der Stil ist weitschweifig wie der frühere unsers Dichters, mehr lyrisch¬ elegisch als dramatisch, »ud durch einige tragische Anläufe u»r entstellt. Falsche Bilder, wie dieses: „Die Arbeit der Sklave» befleckt die Furchen und das Herz mit Blut," finden sich nicht Seite». — Alles i» Allen, ge»omne», scheint Lamartine zum dramatischen Dichter noch weniger Beruf z» haben, als zum Staatsmann. — Toussaint Lonvertnre (die Unterredung mit den Söhnen ist histo¬ risch) bot sür die Tragödie einige glückliche Züge; diese Mischung vou geriebener Schlauheit und aufopfernden Fanatismus, vou grandioser Grausauikeit und menschliche» Regungen; die eigenthümliche, zauberähnliche Herrschaft, die er über Grc»zi'0de,i. II. 1850. 37

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/297
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 9, 1850, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341568_185336/297>, abgerufen am 22.07.2024.